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Leben auf dem Pulverfass - Minenraeumen im Nordwesten Kambodschas
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FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date
26 Mar 1998 17:53:10
LWB-Weltdienst hilft bei Wiederansiedlung
Genf, 26. Maerz 1998 (lwi) - Phat Sao betreibt einen kleinen Stand mit Obst
und Getraenken in ihrem Dorf an der Strasse Nummer 10 von Battambang nach
Pailin im Nordwesten Kambodschas. Knapp 200 Familien leben hier - rund 1000
Menschen - buchstaeblich auf einem Pulverfass. Denn sie haben vor einem
halben Jahr ihre Haeuser auf vermintem Gelaende errichtet. "Wir mussten vor
mehr als zwei Jahren fliehen, als die Roten Khmer und die Regierungstruppen
hier kaempften.
Sie haben unser Dorf niedergebrannt und Minen gelegt. Letztes Jahr hat uns
die Regierung gezwungen zurueckzukommen, weil wir sonst den Anspruch auf
unser Land verloren haetten", sagt die 17jaehrige. Als die Kaempfe zwischen
den bewaffneten Gruppen im letzten Jahr abgeflaut waren, kehrte Phat Sao
mit ihren Eltern und den vier juengeren Geschwistern zurueck, obwohl jeder
Schritt gefaehrlich ist. In den sieben Monaten, die sie jetzt hier leben,
hat es zehn Minenunfaelle gegeben, drei Menschen starben, zweien mussten
Gliedmassen amputiert werden. Am staerksten gefaehrdet sind die jungen
Maenner, die in den Wald gehen, um Fruechte und Brennholz zu sammeln.
Gemuese und Reis koennen die Dorfbewohner erst anbauen, wenn das Gelaende
von Minen geraeumt ist. Zur Schule geht hier niemand - die naechste ist 30
Kilometer entfernt. Seit einigen Wochen flattern nun rot-weisse
Plastikbaender ueberall im Dorf: Die Minensucher der Mines Advisory Group
(MAG) sind an der Arbeit. Seit die 24 Maenner und Frauen in den
kugelsicheren Westen und olivgruenen Anzuegen hier taetig sind, weicht die
Laehmung von den Dorfbewohnern. Mit jedem gelben und roten Stock, der in
den Boden gesteckt wird, waechst ihre Hoffnung, wieder normal leben zu
koennen. "Ein gelber Stock bedeutet, hier wurde eine Mine gefunden und
zerstoert, ein roter Stock steht fuer ein Stueck unexplodierter Munition",
erlaeutert Colin Beyer, Leiter der MAG-Gruppen in der Region Battambang.
"Aber von 100 Metallteilen, die unsere Leute mit den Detektoren im Boden
aufspueren, sind 98 harmlose Splitter oder auch nur Verschluesse von
Getraenkedosen. Doch das weiss man erst, wenn man das Teilchen mit
skalpellaehnlichen Geraeten vorsichtig freigelegt hat!" Im Minenfeld Baset,
das naeher an Battambang liegt, stecken schon viele Stoecke. "Bis jetzt
haben wir 68 Minen und 97 Teile scharfe Munition gefunden!", sagt der
Schotte Sam Mac-Lloyd, der seit Juli vergangenen Jahres die Arbeiten auf
den knapp 40.000 Quadratmetern leitet. Hier ist der Lutherische Weltbund
(LWB) Auftraggeber der MAG, die das Gelaende fuer die Heimkehr der
geflohenen Dorfbewohner vorbereitet, die in der Naehe Unterschlupf gefunden
haben. Das groesste Problem war die Beseitigung der Vegetation - denn
waehrend der jahrelangen Abwesenheit der Dorfbewohner waren die Felder
verwildert, Bambusdickicht und Baeume gewachsen. Jetzt gibt es fast nur
noch kurzes Gras - buchstaeblich jeder Quadratzentimeter wurde geprueft.
Auch hier arbeiten zwoelf Zweierteams von jungen Kambodschanerinnen und
Kambodschanern. Mit 200 US-Dollar im Monat werden sie fuer hiesige
Verhaeltnisse fuerstlich fuer ihren lebensgefaehrlichen Job entlohnt. "In
diesem Gelaende kann man keine Maschinen zum Minenraeumen einsetzen!", sagt
MacLloyd, und berichtet von der guten Zusammenarbeit mit den Moenchen des
Dorfes. "Sie bringen uns manchmal sogar etwas zu essen! Die haben begonnen,
ihre kleine Pagode wiederaufzubauen, als wir mit dem Minenraeumen anfingen
- jetzt werden wir zur gleichen Zeit mit der Arbeit fertig. Die
Dorfbewohner bereiten schon ein grosses Fest vor, um ihre Heimkehr zu
feiern!" Sarany Chhum, die stellvertretende Koordinatorin des Integrierten
Laendlichen Entwicklungsprojektes (IRDP) Battambang, ist zuversichtlich:
"Zusammen mit den Dorfbewohnern haben wir ueberlegt, was als naechstes
geschehen soll. Ihre Haeuser bauen die Leute selbst, das Material dafuer
finden sie in der Umgebung. Aber sie brauchen dringend einen Brunnen, um
ihre Felder zu bewaessern, und wollen ein Schulhaus bauen. So wird unser
Brunnenbohrteam hierherkommen, und die Maurerlehrlinge des
Berufsbildungszentrums in Battambang - einem weiteren LWB-Weltdienstprojekt
- werden helfen, die Schule zu errichten." Saatgut stellt der
LWB-Weltdienst zur Verfuegung, alles weitere kommt danach. Vielleicht
entschliessen sich die Dorfbewohner, eine Dorfbank einzurichten: Jeder
Teilnehmer zahlt regelmaessig kleine Betraege ein und kann dann nach
einigen Wochen einen Kredit erhalten, um sich zum Beispiel Huehner oder
Geraetschaften fuer ein Kleingewerbe zu kaufen.
Vielleicht ist ihnen aber auch wichtig, selbst Lesen und Schreiben zu
lernen, so dass sie die Weltdienstmitarbeiter um Unterstuetzung bitten bei
der Einrichtung von Klassen fuer Erwachsene. "Die Leute entscheiden selbst,
was sie am dringlichsten brauchen und was sie selbst dafuer leisten
koennen. Wir helfen nur dort, wo sie aus eigener Kraft nicht weiterkommen",
erlaeutert Sarany das Konzept der LWB-Weltdienstarbeit. "Nur so fuehlen
sich die Menschen wirklich verantwortlich." Das groesste Problem aber, die
Bewohnbarkeit des Landes, ist fuer dieses Dorf geloest, wenn in der
feierlichen Uebergabezeremonie die Leute der Mines Advisory Group den
Dorfbewohnern ihr Land "freigeben". Aber noch viele tausend Menschen warten
darauf, in ihre Doerfer zurueckkehren oder sich ohne Angst in ihrem Dorf
bewegen zu koennen - wie Phat Sao an der Strasse Nummer 10. Welche Traeume
sie hat? "Nicht wieder aus meinem Dorf vertrieben zu werden - meine
Freundinnen besuchen zu koennen, ohne aengstlich in den ausgetretenen
Fussspuren auf dem Weg zu bleiben - Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen
und genug zum Leben zu verdienen."
(Anmerkung der Redaktion: Die Autorin des Beitrages, Regina Karasch,
arbeitet als Journalistin im Auftrag des Deutschen Nationalkomitees des
LWB, Lutherischer Weltdienst, in Stuttgart. Sie bereiste im Februar 1998
Kambodscha.)
***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redakteurin: Karin Achtelstetter
E-mail: ka@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/
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