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Nachbarn als Mitmenschen und Partner
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FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date
29 Sep 1998 13:13:37
Perspektiven der Kirchen in der Osterweiterung der Europaeischen Union
Genf, 28. September 1998 (lwi) - Die Kirchen sollen in besonderer Weise
fuer die Schaffung einer besseren Zukunft eintreten und helfen, in Nachbarn
Mitmenschen und Partner zu sehen, um so gegen Stereotype und Aengste der
Menschen anzukaempfen. So formulierte der Leiter der Vertretung der
Europaeischen Kommission in Oesterreich, Wolfgang Streitenberger, die
Erwartungen und Wuensche der Europaeischen Kommission an die Kirchen.
Anlass war eine Konsultation der Evangelischen Kirche Augsburgischen (A.B.)
und Helvetischen Bekenntnisses (H.B.) in Wien ueber die Perspektiven der
Kirchen in der Osterweiterung der Europaeischen Union (EU), die vom 9. bis
11. September in Wien stattfand. Teilgenommen haben neben Vertretern und
Vertreterinnen der evangelischen Kirchen in Oesterreich zahlreiche
Delegierte aus evangelischen Kirchen Ost-und Westeuropas.
Streitenberger betonte vor allem die nichtoekonomischen Aspekte der
EU-Osterweiterung und wies darauf hin, dass verstaerkt die emotionelle
Seite angesprochen werden muesse. Das zentrale Anliegen der Kommission
ziele auf die Staerkung des Gemeinwesens, auf ein neues Mass an
Solidaritaet. Aus diesem Grund wuerden bei den zukuenftigen EU-Kandidaten
neben den wirtschaftlichen primaer die politischen Kriterien geprueft. Die
Rolle der Kirchen werde sein, mitzuhelfen, Europa eine Seele zu geben.
Den christlichen Geist der EU-Osterweiterung hob auch Oberkirchenraetin
Heidrun Tempel besonders hervor. Tempel, die in Bruessel das Buero der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) leitet, wies darauf hin, dass es
bei der EU-Osterweiterung nicht nur um Osteuropa, sondern um die Zukunft
von ganz Mitteleuropa, einem Europa auf dem Weg der Versoehnung gehe. Dabei
sprach sie Fragen an, die die Kirchen in der EU taeglich beschaeftigten,
wie der Umgang mit religioesem Pluralismus und das rechtliche Verhaeltnis
der Kirche gegenueber der EU. Nach ihrer Ansicht sei es auch die Aufgabe
der Kirche, Sensibilitaet fuer die Akzeptanz der Erweiterung zu schaffen
und das Bewusstsein, Unionsbuerger zu sein, vor allem bei Jugendlichen zu
staerken.
*Lob und Kritik
Differenziert sind die Meinungen der Vertreter der evangelischen Kirchen
Oesterreichs zur Frage des oesterreichischen EU-Beitritts und seinen
Rueckwirkungen auf die Kirchen.
Auf die vielfaeltigen Erleichterungen beim Reisen, vor allem nach der
bevorstehenden Einfuehrung des Euro, verwies der niederoesterreichische
Superintendent, Paul Weiland. Die EU habe wirtschaftliche und finanzielle
Vorteile gebracht, die gestiegene Konkurrenz hebe das allgemeine
Service-Angebot. Negativ vermerkte Weiland die Zunahme restriktiver
Massnahmen im Auslaenderrecht.
Positive Auswirkungen des EU-Beitritts in vielen Bereichen stellte auch
Oberkirchenrat Johannes Dantine fest. Oesterreich koenne sich nun nicht
mehr so gut vor der Konkurrenz aus dem Ausland schuetzen. So habe sich auch
das Nahrungsmittelangebot verbessert.
"Der Wille der EU, mehr zu sein als eine wirtschaftliche Groesse, ist
fraglich", erklaerte dagegen der Superintendent der Steiermark,
Ernst-Christian Gerhold, "der grosse gemeinsame Markt ist ein toedlicher
Konkurrenzkampf. In einem Konkurrenzkampf kann keine Gemeinschaft
entstehen." Angebot und Konkurrenz seien groesser geworden. Die
Kleinbauern, insbesondere die Bergbauern, haetten "wahnsinnige
Schwierigkeiten" und erlebten eine starke "Sinnentfremdung". Gerhold, der
auch Mitglied im Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB) ist, forderte von
der EU mehr Ruecksicht auf "nationale Eigenheiten".
Sorge um den Ausverkauf traditioneller oesterreichischer Unternehmen an
deutsche Gross- unternehmen aeusserte der Wiener Superintendent Werner
Horn. Horn befuerchtet wirtschaftliche Machtkonzentrationen, die "auf dem
Kopf des Buergers ausgetragen" werden. Hier liege ein gefaehrliches
Potential fuer spaetere Unzufriedenheit.
*Bischof Sturm: Der Protestantismus muss sich neu organisieren
Gestiegene politische Wachsamkeit der Kirchen stellte der lutherische
Bischof Herwig Sturm bei der Konsultation fest. Diese Wachsamkeit sei durch
die Einbindung in den "grossen Bruder" EU und die kritische
Auseinandersetzung mit ihm notwendig geworden. Sturm forderte: "Der
Protestantismus muss sich neu organisieren." Als Vorbild fuer eine
sinnvolle Neuordnung des Verhaeltnisses der protestantischen Kirchen
Europas zueinander nannte Sturm das Verhaeltnis zwischen lutherischer und
reformierter Kirche in Oesterreich.
Im Blick auf die Europa-Vorstellungen der roemisch-katholischen Kirche
sagte Superintendent Gerhold: "Fuer uns evangelische Kirchen ist es
ungeheuer wichtig, fuer Europa ein evangelisches Konzept zu entwickeln, um
in einen guten oekumenischen Dialog eintreten zu koennen."
***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redakteurin: Karin Achtelstetter
E-mail: ka@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/
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