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Zweimal Ostern?


From Sheila MESA <smm@wcc-coe.org>
Date 07 Apr 1999 06:45:49

Okumenischer Rat der Kirchen
ORK Feature
Zur Veroffentlichung frei
7. April 1999

ZWEIMAL OSTERN?
Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Osterdatum

"Wir kaufen die Ostereier dann im Sonderangebot", erzahlt Peter
Bouteneff lachend. Der Referent fur "Glaube und Kirchenverfassung" im
Okumenischen Rat der Kirchen (ORK) in Genf muss seine Kinder noch
um einige Tage bis zum orthodoxen Osterfest vertrosten. Bouteneff
gehort der Orthodoxen Kirche in Amerika an, und dieses Jahr fallt das
orthodoxe Osterfest auf den 11. April.
 
Ein gemeinsamer Auferstehungsglaube, aber zwei Osterfestdaten. Der
Grund fur die unterschiedlichen Ostertermine liegt in der Verwendung
zweier voneinander abweichender Kalender: dem Gregorianischen
Kalender aus dem 16. Jahrhundert, der hauptsachlich von den Kirchen im
Westen verwendet wird, und dem alteren Julianischen, nach dem vor
allem die orthodoxen Kirchen das Osterfest berechnen.

Dagmar Heller, Referentin fur "Glaube und Kirchenverfassung" im ORK
erklart die Abweichungen folgendermassen: "Das Kalenderproblem
hangt mit der Tatsache zusammen, dass das astronomische Jahr,
namlich die Zeit, die die Erde benotigt, um sich einmal um die Sonne zu
bewegen, nicht genau 365 Tage betragt. Da es fur das tagliche Leben
aber notwendig ist, das Jahr in gleiche Zeitabschnitte einzuteilen, muss
dieses Problem durch das Einfugen von Schaltjahren gelost werden.
Dabei kommt der Gregorianische Kalender der astronomischen
Wirklichkeit naher als der Julianische: Beim Gregorianischen Kalender ist
das Kalenderjahr 26 Sekunden langer als der Erdumlauf um die Sonne,
wahrend beim Julianischen Kalender eine Differenz von elf Minuten und
14 Sekunden besteht. Zur Zeit differiert der Julianische Kalender vom
Gregorianischen um 13 Tage, im Jahr 2100 werden es 14 Tage sein."

Gerade in Regionen, in denen Christen der westlichen und der ostlichen
Traditionen eng zusammenleben und moglicherweise sogar eine
Minderheit bilden, wie beispielsweise im Nahen Osten, wird diese
Situation als ausserst schmerzhaft empfunden. 

Sicherlich ein Meilenstein in den Bemuhungen um ein gemeinsames
Osterfest war die im Marz 1997 im syrischen Aleppo gemeinsam vom
ORK und dem Rat der Kirchen im Mittleren Osten durchgefuhrte
Konsultation, die den Weg zu einem gemeinsamen Osterdatum ebnen
helfen sollte. Wichtig war in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass
Unterschiede bei der Berechnung des Osterdatums nicht auf
grundlegende theologische Differenzen zuruckzufuhren sind. 

Daruber hinaus gab die Konsultation folgende Empfehlungen ab, um in
Zukunft zu einem gemeinsamen Osterfest zu gelangen. So soll es
weiterhin bei dem von den Kirchen in Ost und West anerkannten
Berechnungsprinzip, wie es vom Konzil in Nicaa im Jahr 325 festgelegt
wurde, bleiben. Danach fallt Ostern auf den Sonntag, der dem ersten
Fruhlingsvollmond folgt. Die astronomischen Daten fur die
Fruhlings-Tagundnachtgleiche, sollen, so die Empfehlung weiter, "mit den
genauestmoglichen wissenschaftlichen Methoden" bestimmt werden. Als
Grundlage soll dabei fur die Berechnung "der Meridian von Jerusalem, als
dem Ort von Jesu Tod und Auferstehung", benutzt werden.

Die Konsultation von Aleppo gab zudem der Hoffnung Ausdruck , dass
die neue Berechnungsmethode mit dem Jahr 2001 eingefuhrt werden
konnte. Dann namlich fallt das Osterdatum sowohl nach dem Julianischen
als auch nach dem Gregorianischen Kalender auf den 15. April.
Ostern/Pascha, so die Meinung der Teilnehmenden an der
Aleppo-Konsultation sollte von da an "nicht mehr die Ausnahme, sondern
die Regel sein".

Auch die Achte ORK-Vollversammlung in Harare, Simbabwe, im
vergangenen Dezember unterstrich in ihrer Botschaft die Hoffnung auf
ein gemeinsames Osterfest: "Wir haben uns gefreut uber die koinonia
(Gemeinschaft), die sich in vielen Teilen der Welt zwischen Christen
entwickelt hat, und wir bekraftigen erneut, dass Gott uns dazu aufruft, in
dieser Gemeinschaft weiter miteinander zu wachsen, auf dass sie
wirklich sichtbar werde. Wir freuen uns uber Zeichen dieses
Wachstums, wie sie in der Hoffnung auf ein gemeinsames Osterdatum
zum Ausdruck kommen."

Erste Anworten aus den Kirchen liegen vor

Derzeit befinden sich die Kirchen in Ost und West in einem
Konsultationsprozess. Dagmar Heller fasst erste Antworten aus den
Kirchen zusammen: "Aus den Antworten, die bisher bei mir eingingen,
geht hervor, dass sich verschiedene Kirchen und Gruppen ernsthaft mit
dem Aleppo-Bericht auseinandergesetzt haben. Sowohl die Lambeth
Konferenz als auch der Lutherische Weltbund haben ihren
Mitgliedskirchen den Aleppo-Vorschlag ans Herz gelegt." Dasselbe, so
Heller weiter, werde die Konferenz Europaischer Kirchen tun. Positive
Reaktionen hat die ORK-Referentin auch aus einzelnen Kirchen und
nationalen Kirchenbunden erhalten, als Beispiele nennt Heller: Baptisten,
Freikirchen, Methodisten, Altkatholiken, Presbyterianer und Quaker.
Besonders beachtenswert sei auch die positive Reaktion des
Papstlichen Rates zur Forderung der christlichen Einheit in Rom.

Dagegen, so Heller, seien die Antworten von orthodoxer Seite
differenzierter. So begrusse das Moskauer Patriarchat zwar die Initiative,
sieht sich, laut der ORK-Referentin, aber aufgrund der derzeitigen
innerkirchlichen Situation nicht in der Lage die Frage zum gegenwartigen
Zeitpunkt anzugehen. Ahnlich positiv, aber in der Umsetzung
zuruckhaltend sei die Antwort des okumenischen Patriarchen, wahrend
sich die griechisch orthodoxe Kirche "recht kritisch" ausserte.
"Dagegen", so Heller, "mochte die syrisch-orthodoxe Kirche den
Aleppo-Vorschlag moglichst bald verwirklicht sehen".

Sowohl Heller als auch ihr orthodoxer Kollege, Peter Bouteneff, mahnen
zur Geduld. Schon jetzt musse der liturgische Zyklus in der Orthodoxie
auf unterschiedliche Kalender ubertragen werden, gibt Bouteneff zu
bedenken. Zudem sei selbst die innerorthodoxe Debatte noch nicht
abgeschlossen.

Beide - Heller und Bouteneff - sind fur die Weiterfuhrung der Diskussion
in den kommenden Jahren. Von westlicher Seite, so Heller, musse
deutlich gemacht werden, "dass es nicht darum geht, den orthodoxen
Kirchen ein westliches System aufzuoktroyieren". "Auf westlicher Seite
und im Nahen Osten", so ihr Resumee, "ist sicherlich mehr Geduld notig,
auf orthodoxer Seite die Bildung von Vertrauen".

Fur das Jahr 2001 ist eine weitere Konsultation zum gemeinsamen
Osterdatum geplant. Die Konsultation soll den bisherigen Prozess
evaluieren und einen Plan fur das weitere Vorgehen aufstellen.

Kontaktperson:  Karin Achtelstetter, Medienbeauftragte      Tel:   
(++41.22) 791.61.53

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Der Okumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von inzwischen
338 Kirchen in uber 100 Landern auf allen Kontinenten und aus praktisch
allen christlichen Traditionen. Die romisch-katholische Kirche ist keine
Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ORK zusammen. Oberstes
Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefahr alle sieben Jahre
zusammentritt. Der ORK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell
gegrundet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretar
Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.

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