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Interview mit Ishmael Noko - Generalsekretar des LWB
From
FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date
30 Jun 1999 10:56:42
Generalsekretar des Lutherischen Weltbundes (LWB)
Pressemeldung 10/99: LWB-Rat
Bratislava (Slowakische Republik), 28. Juni 1999 (lwi) - Was ist fur Sie
das Wichtigste bei dieser Ratstagung in Bratislava?
Drei Dinge: 1. Die "Gemeinsame Erklarung", 2. Die Situation in
Jugoslawien, 3. Mission.
1: Wir hatten bei der letzten Ratstagung noch keine Antwort der
romisch-katholischen Seite. Nun wissen wir, woran wir sind und konnen
alles fest machen. Wir kennen die Details, und wir konnten unsere
Mitgliedskirchen informieren.
2: Seither waren wir Konfliktherde in Afrika, Asien und in Lateinamerika
gewohnt. Nun plotzlich haben wir auch in Europa einen Krieg. Ich habe
einige von den Kindern aus der Voivodina gesehen, die hier in Bratislava
untergebracht sind. Ich habe ihre Tranen gesehen, die emotionalen Worte
unserer Partnerkirche gehort und den Schmerz der Kirchen in Osteuropa
gefuhlt. Wir brauchen dringend Frieden. Aber einen Frieden, der nicht
durch Fingerhakeln und Muskelprotzen erreicht wird, einen Frieden, der
nicht aufgrund von Damonisierung des Gegners erreicht wird. Was wir
brauchen bei dieser Friedenssuche, sind neue Methoden, eine neue Sprache
und neue Instrumente.
3: Von unserer Zusammenkunft in Nairobi hatten wir den Auftrag erhalten,
neu uber Mission nachzudenken. Die Welt hat sich nach dem Fall der Mauer
geandert. Nun ist auch eine neue Form der Missionsarbeit moglich und
notwendig.
Warum war es so schwierig, bis die "Gemeinsame Erklarung"
unterschriftsreif war?
Weil wir das alles zum ersten Mal machen. Und wir hatten lange
Diskussionen uber diese Erklarung. Sie wurde in vielen Synoden
verhandelt und besprochen. Wir hatten auch keine Erfahrung, wie und von
wem solch ein Dokument unterzeichnet werden soll. Es ist ein Dokument,
das nicht von allen Kirchen mitgetragen werden kann. Dennoch ist es
etwas ganz Grossartiges. Es qualifiziert unser Verhaltnis zur
romisch-katholischen Kirche neu. Es gibt uns neue Anregungen fur die
Zukunft.
Wenn Bratislava beendet ist, welche Herausforderungen sehen Sie fur den
LWB?
Zum einen mussen wir Wege der Zusammenarbeit mit unseren okumenischen
Partnern aufzeigen. Sodann mussen wir die neu dazugekommenen Kirchen in
den Prozess der gemeinsamen Erklarung integrieren. Dies wird ein sehr
langer Rezeptionsprozess.
Zum anderen sehe ich grosse finanzielle Herausforderungen auf den LWB
zukommen. Wir versuchen gerade, fur die nachsten drei Jahre gultige
Finanzierungskonzepte zu erstellen. Wir fuhren Konsultationen uber
unsere Ressourcen durch. Wir uberlegen: Wie kann Planungssicherheit
erreicht werden? Der LWB ist eine bedeutende Institution und
Organisation. Ich will, dass man sich auf diesen LWB auch in Zukunft
verlassen kann.
Durch die "Gemeinsame Erklarung" und die Diskussionen daruber ist der
Eindruck entstanden, dass der Lutherische Weltbund etwas von seinem
Eigentlichen, namlich die theologische Grundsatzdiskussion wiederbelebt
hat. Wurden Sie das auch so sehen?
Ja, dem wurde ich zustimmen. Wir haben es unter den lutherischen Kirchen
zum ersten Mal geschafft, zu definieren, was Rechtfertigung bedeutet.
Wir wissen jetzt deutlicher, was man unter "Identitat der lutherischen
Familie" verstehen kann. Und es ist deutlich geworden, nachdem wir
selbst wissen, wer wir sind und was wir glauben, dass wir auch offen fur
andere Traditionen sein konnen. Hierzu gehort auch die neue Offenheit
gegenuber der romisch-katholischen Kirche, weil wir eben selbst genauer
wissen, was wir glauben.
Herr Generalsekretar, was haben Sie vor und wahrend der Ratstagung von
der slowakischen Schwesterkirche hier gelernt?
Beeindruckt hat mich das hier praktizierte Verhaltnis Kirche - Staat.
Das scheint sehr eng zu sein. Auch den offenen Dialog, der hier gepflegt
wird, finde ich beachtlich. Ich bin in diesen Tagen mit dem slowakischen
Kultusminister zusammengetroffen und habe ihn auch nach Genf eingeladen.
Und dann ist mir einfach der Enthusiasmus dieser Kirche aufgefallen, wie
ich ihn eigentlich sonst nur von den asiatischen Kirchen kenne. Man
fuhlt sich ein bisschen wie bei Petrus und Paulus zu Beginn unserer
christlichen Kirche. So etwas tut uns gut. Ich habe hier auch gelernt,
zuzuhoren. Und ich bewundere diese Kirche, weil sie so wenig
burokratisch ist.
Neben der Gemeinsamen Erklarung hat der LWB auch weltweite Verantwortung
in anderen Bereichen. Welches sind die wichtigsten?
Diakonie, Mission, Theologische Ausbildung, Pastoraltraining,
Stipendien. Ausserdem gibt es derzeit weltweit so viele Konflikte, dass
wir unsere Arbeit auf Friedensinitiativen konzentrieren sollten. Jedoch
muss man in diesem Zusammenhang auch deutlich sagen: Frieden zu machen
und gleichzeitig Nachrichten zu machen, also das an die grosse Glocke zu
hangen, was man da macht, das passt nicht zusammmen. Es gibt eine Zeit
fur Verhandlungen, und es gibt eine Zeit fur die Information der
Offentlichkeit daruber, was man getan hat. Solche Friedensbemuhungen
werden wir fortsetzen und auch in Zukunft Konfliktparteien
zusammenbringen. Dies wird ubrigens vom Exekutivkommittee und von
unseren Ratsmitgliedern ausdrucklich begrusst. Dabei kommen uns
naturlich unsere Strukturen zugute, indem wir die Erfahrungen und
Verbindungen unserer Mitgliedskirchen vor Ort nutzen konnen.
In Ihrem Bericht, den Sie vor dieser Ratstagung gegeben haben, wurde
deutlich, dass Sie personlich viele solcher Friedensinitiativen gerade
auf dem afrikanischen Kontinent unternommen haben. Dies scheint eher im
Verborgenen geschehen zu sein. Andererseits ware es aber fur das Profil
des LWB ja ganz gut, wenn mehr Menschen mehr von solchen Aktivitaten
erfahren wurden.
Das ist ein Dilemma. Denn Information ist wichtig. Die Menschen haben in
unserer Zeit ein Recht darauf, informiert zu werden. Wenn sie nicht
wissen, was wir tun, konnen sie auch nicht dafur beten oder uns
anderweitig unterstutzen. Ich informiere regelmassig den Rat uber meine
Aktivitaten, uber die Briefe, die ich schreibe, uber die Stellungnahmen,
die ich verfasse. Auch die Kirchen vor Ort sind in die
Friedensbemuhungen und Verhandlungen eingebunden. Wie ich in meinem
Ratsbericht angemerkt habe, haben wir Gesprache mit Athiopien und
Eritrea gefuhrt. Auch dass die Verhandlungen in Botswana zu einem Erfolg
gefuhrt haben, hat mich gefreut. In den nachsten Wochen wird der
Konflikt in Liberia und Sierra Leone auf der Agenda stehen. Ich werde
personlich in diese Krisenregion reisen. Wir mussen uns in solchen
Friedensverhandlungen noch mehr engagieren.
Ich habe einmal an gerechte Kriege geglaubt. Jetzt glaube ich nicht mehr
daran.
* * *
Die Fragen stellte Klaus Rieth.
***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Barbara Robra
E-mail: br@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/
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