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Kommentare zum Stuttgarter Kirchentag (Teil I)
From
"Christian B. Schäffler" <APD_Info_Schweiz@compuserve.com>
Date
11 Jul 1999 01:04:13
Juli 11, 1999
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schäffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz
Kommentare zum Stuttgarter Kirchentag -
"eine hohe Dosis von evangelischem
Salz"?
Von Dr. Wolfgang Tulaszewski (APD)
Trotz zunehmender Säkularisierung scheint der Deutsche
Evangelische Kirchentag noch nichts von seiner
ursprünglichen Faszination verloren zu haben. Zum dritten
Mal fand die ein halbes Jahrhundert alt gewordene
protestantische Grossveranstaltung im Zentrum des
württembergischen Pietismus statt. Die Stuttgarter
Atmosphäre schuf ein Flair von Heiterkeit und Gelassenheit,
die sich selbst bei der Behandlung von Reizthemen
niederschlug. An ihnen fehlte es wirklich nicht, und
manches Präsidiumsmitglied wünschte sich die alte
evangelische Streitkultur zurück.
Das diesjährige Kirchentagsmotto "Ihr seid das Salz der
Erde" warf mit seinem hohen biblischen Anspruch eine Reihe
von existentiellen Fragen an die durch Liberalismus und
Pluralismus gebeutelten deutschen Evangelischen auf. Das
Interesse der über 100 000 Dauerteilnehmer an den täglichen
Bibelarbeiten blieb unvermindert gross. Überfüllte Säle und
Kirchenräume waren die Regel. Erfreulich auch die Anzahl
vieler jugendlicher Zuhörer. Dennoch sprengte die Fülle des
Gebotenen bei 2 300 Veranstaltungen innerhalb von vier
Tagen jegliches normale Mass. Und der "Markt der
Möglichkeiten" machte mit weit über 600 Ständen die
Orientierung noch schwerer, mag auch die dadurch
demonstrierte Vielfalt evangelischer Aktivitäten
beeindruckend gewesen sein. In seinem Abschlussresümee
verbreitete der Vorsitzende des Rates der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, mit
seinem Ausspruch "das war eine hohe Dosis von evangelischem
Salz" Optimismus für die Zukunft der Kirche.
Doch da gab es auch die Zweifler und Mahner. So befürchtet
der frühere württembergische Landesbischof Theo Sorg zu
Recht, dass die Kirche ihrem Verkündigungsauftrag nicht
mehr treu bleibt, wenn sie sich weiter dem Zeitgeist
anpasse. Ganz entschieden wandte er sich gegen die
Ablehnung der evangelischen Mehrheit unter Berufung auf das
Neue Testament, Juden das Evangelium von Christus zu
bringen. Mit gleicher Vehemenz sprach sich der ebenfalls zu
den Pietisten zählende Prälat i. R. Rolf Scheffbuch gegen
das "Nein zur Judenmission" aus. Es gehört schon ein
gerüttelt Mass an Ignoranz klarer biblischer Erkenntnis
dazu, Jesus Christus als Erlöser und Messias der Juden
auszuschalten, wie es der Bochumer Theologe Klaus Wengst
mit seiner lapidaren Feststellung tat: "Jüdinnen und Juden
haben es nicht nötig, dass ihnen Jesus als Messias
verkündigt wird. Was wir durch Jesus Christus an Vertrauen
zu Gott gewinnen und an Vergebung der Sünden, an Erbarmen
und an Rechtfertigung erfahren, kennt und erfährt das
Judentum in Vergangenheit und Gegenwart auch ohne Jesus."
Es grenzt fast an Verhöhnung des dreieinigen Gottes, wenn
das Erlösungswerk Jesu eine Zumutung für die Juden ist.
Wengst propagiert hier mit seinem sonderbaren
Schriftverständnis eine Zwei-Klassen-Gesellschaft auf dem
Weg zum himmlischen Heil. Wengsts Argument, Judenmission
sei schon aus ethischen Gründen wegen des millionenfachen
Holocausts nicht möglich, entbehrt jeglicher biblischer
Grundlage.
Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Altbischof Klaus
Engelhardt sieht ein "geistliches Defizit der evangelischen
Kirche im Verzicht auf die Anstrengung des Nachdenkens über
Gott und die Welt und sich selbst, so dass die grosse
Botschaft von der Erlösung durch Gott und von der durch ihn
geschenkten Freiheit bis zur Unkenntlichkeit banalisiert
und verharmlost wird." Gelassen reagierte dagegen Prälat
Scheffbuch auf die nach wie vor hohen Kirchenaustritte mit
dem biblischen Bezug auf die "Gemeinde der übrigen". Für
ihn hat die Gemeinde Überlebenschancen, die ihre Hoffnung
ganz auf die Gnade Jesu Christi setzt und ihn ernst nimmt,
ohne Paktieren mit anderen Religionen und
Zeiterscheinungen.
Das herzliche Miteinander der höchsten Repräsentanten
beider Konfessionen auf dem Stuttgarter Kirchentag täuschte
nicht darüber hinweg, dass trotz aller Referate und
Bemühungen um die Einheit der Christenheit kirchliches
Amtsverständnis und unterschiedliche
Abendmahlsvorstellungen noch nicht genommene Hürden sind.
Darüber konnten auch die wohlgemeinten Worte des
Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz,
Karl Lehmann, "wir müssen auch noch mehr falsche
Eigenbröteleien in unseren Kirchen überwinden, damit wir
gemeinsam näher zu Jesus Christus und seinem Evangelium
kommen" nicht hinwegtäuschen.
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