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Schutz für Sonntag kann Religionsfreiheit gefährden
From
"Christian B. Schäffler" <APD_Info_Schweiz@compuserve.com>
Date
11 Jul 1999 12:47:27
Juli 11, 1999
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schäffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz
Gesetzlicher Schutz für den Sonntag kann die
Religionsfreiheit gefährden
Basel/APD Der in den USA lehrende adventistische
Kirchengeschichtler Samuele Bacchiocchi hat in einem
Gespräch mit dem Adventistischen Pressedienst (APD) in
Basel für die Kontinuität von Inhalt und Bedeutung des
Sabbats eingesetzt und sich mit dem Pastoralbrief "Dies
Domini" von Papst Johannes Paul II. auseinandergesetzt.
Samuele Bacchiocchi ist der erste Nichtkatholik, der an der
Gregoriana, einer der Päpstlichen Universitäten in Rom,
promoviert hat. Seine Doktorarbeit unter dem Titel "Vom
Sabbat zum Sonntag" befasst sich mit den geschichtlichen
und theologischen Aspekten des biblischen Ruhetags und
wurde von der Gregoriana mit "Summa cum Laude"
ausgezeichnet. Die Arbeit ist vor allem auch deshalb
bemerkenswert, weil Bacchiocchi Zugang zu den
vatikanischen Archiven hatte. Der Kirchengeschichtler
kommt in der 1977 von der Gregorianischen
Universitätsdruckerei veröffentlichten Dissertation zum
Schluss, dass die Einführung des Sonntags nicht
theologische, sondern geschichtliche Gründe habe.
Das wichtigste Argument für das Halten des Sabbat ist für
ihn die heilsgeschichtliche Kontinuität. Das Kreuz bildete
zwar nach herkömmlicher Auffassung schon in der alten
Kirche die Trennlinie zwischen Judentum und Gesetz (und
dem Halten des Sabbat) auf der einen und Gnade und
Glauben (verbunden mit dem Sonntag) auf der andern
Seite. Doch Bacchiocchi kennt zahlreiche katholische und
protestantische Gelehrte, welche vielmehr die Kontinuität
der Heilsgeschichte vom Judentum zum Christentum
herausstreichen. Sie betonen zum Beispiel, dass die 3000
Gläubigen zu Pfingsten ganz klar Juden waren, die an den
Messias Jesus glaubten. Auch später habe man in der
Apostelgeschichte zwischen gläubigen und ungläubigen
Juden unterschieden.
Erst später sei es unter dem römischen Kaisers Hadrian
aus politischen Gründen zu einer Trennung von Kirche und
Synagoge gekommen. Als Folge der jüdischen Aufstände
vor und nach der ersten Jahrhundertwende, habe Hadrian
eine antijüdische Gesetzgebung erlassen, die nicht nur ein
faktisches Verbot des jüdischen Glaubens, sondern auch
des Sabbats bedeutete. Das Verbot des Sabbats bewog
den Bischof von Rom, Vorläufer der späteren Päpste, die
Initiative für die Verlegung des christlichen Feiertags auf
den Sonntag und von Passah auf den Ostersonntag zu
ergreifen. Für die damaligen (Heiden)christen sei es nicht
sinnvoll gewesen, sich mit den Juden weiterhin zu
solidarisieren und für das Halten des Sabbats zu leiden.
Damit geschah gleichzeitig eine Distanzierung vom
Judentum und eine Annäherung an die römischen
Religiosität, für welche damals der Sonnengott (aus dem
Mithras-Kult) eine zentrale Rolle spielte. Unter Konstantin
wurde dann 321 der Sonntag zum offiziellen Feiertag im
römischen Reich.
Bacchiocchi widersprach Papst Johannes Paul II. deshalb
energisch, als dieser in seinem Pastoralbrief Dies Domini
am 31. Mai 1998 die Sonntagsfeier bekräftige und sie unter
anderem damit begründete, die Christen hätten von
Anfang an die Auferstehung Christi am ersten Wochentag
gefeiert. Gegenüber dem APD erklärte er, die Bemerkung
von Eusebius von Cäsarea im Jahr 325, die ersten Christen
hätten am Sonntag die Auferstehung Christi gefeiert, dürfe
nicht überinterpretiert werden. Es habe sich lediglich um
einen Gottesdienst am frühen Morgen gehandelt, bevor die
Christen wie alle andern zur Arbeit gegangen seien. Eine
Liturgie zur Feier der Auferstehung Christi habe es
ausserdem nicht gegeben.
Bacchiocchi empfindet zwar Sympathie für die
theologischen und soziopolitischen Argumente des Papstes.
Diese dürften aber nicht vom Sabbat tel quel auf den
Sonntag übertragen werden. Widerspruch legt der
Kirchengeschichtler vor allem gegen die vatikanische
Forderung ein, den Sonntag gesetzlich besser zu schützen.
Solche Gesetze bedeuteten faktisch eine Diskriminierung
von Juden und sabbathaltenden Christen sowie von
Moslems. Die USA hätten dies erkannt, wenn sie heute an
einem Gesetz arbeiteten, das unter dem Aspekt der
Religionsfreiheit die Arbeitgeber auffordere, den
Anhängern der verschiedenen Religionen jeweils den Tag
freizugeben, der ihnen heilig sei.
Die Bestrebungen des Papstes seien aus katholischer Sicht
zwar verständlich, weil der Besuch der Sonntagsmesse für den
Katholiken heilswichtig sei. Ein gesetzlich geschützter Sonntag
führe jedoch - wie die Gottesdienstbesuchszahlen zum
Beispiel in Italien, Deutschland oder gar Skandinavien zeigten
- nicht zu einem guten Gottesdienstbesuch. Für wichtig hält
Bacchiocchi dagegen eine "moralische Revolution": "Nur wenn
wir uns an die Bedeutung des Sonntags als einem Tag der
physischen, psychischen und spirituellen Erneuerung erinnern,
wird sich etwas ändern." Die Menschen müssten begreifen,
dass Sabbat nicht nur eine gute soziopolitische Einrichtung
sei, sondern "ein von Gott zu unserem Wohl gesetzte
Anordnung, die eine starke moralische Überzeugung
voraussetzt." Christen seien deshalb aufgefordert, ihren
Sabbat oder Sonntag - welche Tätigkeiten immer sie damit
verbänden - bewusst als einen Tag für Gott, und nicht allein
für sich selbst, zu begehen.
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