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Eine mutige Stimme in einem blutenden Volk
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"Christian B. Schäffler" <APD_Info_Schweiz@compuserve.com>
Date
02 Oct 1999 06:24:51
September 24, 1999
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schäffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz
Eine mutige Stimme in einem blutenden Volk
Der katholische Bischof von Osttimor kämpft für Gerechtigkeit
Genf, Schweiz. (APD) Währenddem das Morden und Kriegen
weitergeht hofft die Bevölkerung Osttimors auf einen Mann,
der seine Stimme in den vergangenen Jahren immer wieder
für das bedrängte Volk erhoben hat. Bischof Carlos Ximenes
Belo ist zum grössten Hoffnungsträger einer sterbenden
Nation geworden.
Zehn Jahre ist es her, seit Bischof Belo, apostolischer
Administrator der Diözese von Dili, an den damaligen UN-
Generalsekretär Javier Perez de Cuellar einen Brief schrieb, in
dem er den Terror in Osttimor schilderte und ein Referendum
über die Zukunft des Landes forderte. Die internationale
Staatengemeinschaft handelte zuerst nicht, dann nur langsam.
Am 5. August 1998 gab UN-Generalskekretär Kofi Annan
bekannt, dass zwischen Indonesien und der ehemaligen
Kolonialmacht Portugal eine Vereinbarung über die
Vorbereitung eines Autonomiestatus für Osttimor gekommen
sei. Erst nachdem Indonesiens Präsident Habibie anfangs
dieses Jahres versprochen hatte, den Ausgang einer
Volksbefragung zu respektieren, kam die diplomatische
Vorbereitung der Wahlen in Gang. Als es am vergangenen 30.
August zu einem Referendum über die Unabhängigkeit des
Landes gekommen ist, war es 24 Jahre zu spät, wie der
Bischof von Dili und Friedensnobelpreisträger von 1996
meinte.
Dialog und Versöhnung
Für Belo ist die Volksbefragung, in der sich laut UNO-Angaben
über drei Viertel der Bevölkerung für die Unabhängigkeit
ausgesprochen hatte, zu einem harten Schlag geworden.
Obwohl er selber in den Monaten vor den Wahlen vor den
möglichen Folgen warnte und bei jeder Gelegenheit einen
Rückzug der indonesischen Streitkräfte aus dem besetzten
Osttimor forderte, ist er doch seit Jahren der eigentliche
Promotor des Referendums. Es gäbe keinen besseren
demokratischen Weg den Willen der Timoresen zu kennen als
ein solches Referendum, betonte der Bischof und unermüdlich
unterstrich er das Recht des Volkes auf Selbstbestimmung. Im
Juli 1994 schrieb er in einem offenen Brief, den Osttimoresen
sollte das Recht zugestanden werden, in einer
Volksabstimmung über die politische Zukunft zu entscheiden.
Dennoch hat sich Belo stets davor gehütet, daraus eine
politische Forderung zu machen. Seine Anliegen waren
Frieden und Versöhnung, sowie die Respektierung von
Menschenwürde und Menschenrechten. Als es im Frühsommer
1998 in Osttimor und in Jakarta zu öffentlichen Kundgebungen
für ein Referendum kam, mahnte der Bischof die
Osttimoresen, über ein Referendum zu verhandeln und nicht
zu demonstrieren.
Der Bischof wusste, dass auf dem Weg zum Referendum
höchste Vorsicht geboten war. Die mindestens 15Œ000 bis
20Œ000 indonesischen Militärs im Lande waren ständig bereit,
die timoresische Bevölkerung wenn nötig auch mit Gewalt zu
terrorisieren. Auf einem Besuch in Jakarta im Sommer 1998
gab der Bischof zu verstehen, dass die Greueltaten der
Militärs in der indonesischen Hauptstadt am 14. und 15. Mai,
einschliesslich der mindestens 102 belegten sadistischen
Vergewaltigungen von chinesischen Frauen, nicht annähernd
an das herankämen, was in Osttimor seit 1975 fast täglich
geschehe. Mit Vehemenz, jedoch ohne Erfolg, forderte er
deshalb auch bei seinem ersten Besuch beim indonesischen
Staatspräsidenten Habibie den Abzug der indonesischen
Truppen und eine starke internationale Kontrolle bei der
Suche nach einer politischen Lösung.
Geliebter Bischof
Belo hat stets betont, dass er "nur ein Mann der Kirche" sei
und das Politisieren anderen überlassen wolle. Die Kirche habe
jedoch eine Verantwortung, sich für das bedrückte und
entrechtete Volk einzusetzen. Unter seiner Leitung wurden in
den Kirchgemeinden Sekundarschulen, medizinische
Versorgungszentren und Waisenhäuser für Kinder, die ihre
Eltern im Krieg verloren haben, errichtet. In den blutigen
Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Armee
intervenierte er öfters persönlich. Er sprach mit
Widerstandkämpfern, pro-indonesischen Milizen, Politikern aus
allen Lagern und indonesischen Militärs, um Verständigung
und Versöhnung herbeizuführen. Nach einem Massaker in Dili
(1991), bei dem mehrere hundert Demonstranten von der
indonesisischen Armee erschossen wurden, war er als einer
der ersten zur Stelle und versuchte, trotz den auf ihn
gerichteten Gewehren des indonesischen Militärs, den
Verwundeten Hilfe zu bringen. Die Bevölkerung Osttimors hat
den Einsatz der Kirche und des Bischofs sichtlich honoriert.
Die Zahl der Katholiken ist von 35 Prozent im Jahre 1975 auf
über 90 Prozent gestiegen und Osttimor ist damit zum
katholischsten Land der Welt geworden. Der 51-jährige Belo,
der klassische Musik liebt und gerne Fussball spielt, bezeichnet
sich gern als "pobre pecador" (armer Sünder) und sagt
bescheiden: "Ich bin kein besonderer Mensch". In einem
Interview mit der einer indonesischen Zeitung gestand der
Bischof vor ein paar Jahren, dass er in seinem Leben noch in
andere Länder in Afrika oder Lateinamerika reisen und einen
Teil seines Lebens für andere Nationen geben möchte. Doch
vorerst will der Bischof, der nach seiner dramatischen Flucht
aus Osttimor gegenwärtig mehrere europäische Menschen
besucht, bald in seine Heimat zurückkehren, "um den
Menschen zu beizustehen, damit sie wieder Hoffnung finden".
Er wolle dazu beitragen, dass Versöhnung und Frieden
gewählt werden und dass der Weg, für den sich das Volk im
Referendum ausgesprochen hat, verwirklicht werden könne.
(Redaktion: Thomas Hanimann)
Kasten:
Der Konflikt in Osttimor
17. Jahrhundert - 1975: Osttimor ist portugiesische (zeitweise
niederländische) Kolonie.
1941-1943: Australische Truppen versuchen, Japaner daran zu
hindern, auf der Insel Stützpunkte zu bauen. 60Œ000
Timoresen verlieren im Guerillakrieg gegen die Japaner ihr
Leben.
Dezember 1975: Abzug der Portugiesen und blutiger
Einmarsch der indonesischen Militärs in Osttimor.
1976: Annexion des Landes durch Indonesien.200Œ000
Menschen fallen seit Beginn der Militärherrschaft den blutigen
Unruhen und Gewalttätigkeiten durch die Armee zum Opfer.
Juni 1998: Bischof Belo trifft den indonesischen Präsidenten
Habibie.
Januar 1999: Habibie verspricht ein Referendum in Osttimor
zuzulassen und bietet gleichzeitig einen Autonomiestatus an.
5. Mai 1999: Vereinbarung zwischen Indonesien und Portugal.
Mit einer Volksbefragung unter UNO-Aufsicht soll die
Bevölkerung Osttimors über ihre Zukunft entscheiden.
30. August 1999: Referendum ergibt 78,5 Prozent stimmten
für Unabhängigkeit. Noch am Abstimmungstag eskalieren die
Gewalttätigkeiten der proindonesischen Milizen.
20. September 1999: Einmarsch der ersten UNO-Truppen.
(APD/th)
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