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Festakt im Augsburger Rathaus anlaesslich der Unterzeichnung


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 10 Nov 1999 14:04:24

       der Gemeinsamen Erklaerung

Augsburg (Deutschland)/Genf, 30. Oktober 1999 (lwi) - Auf einem Festakt
der Stadt Augsburg anlaesslich der feierlichen Unterzeichnung der
Gemeinsamen Erklaerung zur Rechtfertigungslehre am 31. Oktober 1999
bezeichnete heute Augsburgs Oberbuergermeister, Dr. Peter Menacher,
Augsburg als "eine Stadt der Oekumene". Im Goldenen Saal des Rathauses
begruesste er vor hunderten hohen Vertretern aus Kirche, Politik und
Gesellschaft ausdreucklich, dass die Gemeinsame Erklaerung in Augsburg
unterzeichnet wird.

Menacher erinnerte an die zahlreichen historischen Daten, die mit
Augsburg und den Auseinandersetzungen zwischen Lutheranern und
Katholiken zusammenhaengen. Er nannte die Gespraeche zwischen Martin
Luther und Kardinal Cajetan (1518), die Praesentation des Augsburger
Bekenntnisses (1530), den Augsburger Religionsfrieden (1555) und
zahlreiche Daten, die eng mit der Augsburger Stadtgeschichte
zusammenhaengen. Als Daten der neueren Stadtgeschichte erwaehnte
Menacher das erste oekumenische Pfingsttreffen nach dem II. Vaticanum
(1971) und den Besuch des Papstes Johannes Paul II. in Augsburg (1987).
Im oekumenischen Gottesdienst in der Ulrichbasilika habe der Papst
gefragt: "Warum noch getrennte Wege gehen dort, wo wir sie schon jetzt
gemeinsam gehen koennen?" erinnerte der Oberbuergermeister.

Johannes Rau, Bundespraesident der Bundesrepublik Deutschland,
begruesste in einem schriftlichen Grusswort an den braunschweigischen
Landesbischof Christian Krause, Praesident des Lutherischen Weltbundes,
die Gemeinsame Erklaerung zur Rechtfertigungslehre. Rau, der wegen
terminlicher Ueberschneidungen der Einladung zur feierlichen
Unterzeichnung nicht folgen konnte, erklaerte, dass nach "langen und
offenbar vertrauensvollen Gespraechen zwischen den Beteiligten ein
Dokument unterzeichnet wird, das oekumenische Hoffnung staerkt und
gemeinsames Denken, Glauben und Handeln voranbringt." Fuer ihn sei dies
wichtiger als die Widerstaende und Einwaende der Kritiker, die er
allerdings ernst nehme, so Rau in seinem Grusswort.

Karl Freller, Staatssekretaer im Bayerischen Staatsministerium fuer
Unterricht und Kultus, ueberbrachte ein Grusswort des Bayerischen
Ministerpraesidenten, Edmund Stoiber. Freller betonte, dass der Staat
aufgrund seiner Verfassung sich zu Religionsfreiheit entschieden habe,
was den Kirchen die grosse Moeglichkeit gebe, letzte Werte zu vermitteln
und die Sinnfrage zu beantworten. Auf diesem Gebiet laege die Kompetenz
der Kirchen, so Freller.

LWB-Praesident Christian Krause brachte in seinem Grusswort seine
Hoffnung zum Ausdruck, dass die Gemeinsame Erklaerung das Verhaeltnis
zwischen Lutheranern und Katholiken weltweit vertiefen wird. Er rief
dazu auf, "ein sichtbares Zeichen zu setzen" und die Trennung der Kirche
zu ueberwinden. Krause erinnerte an den fehlgeschlagenen Versuch, als
Luthers Freund Philipp Melanchthon 1530 in Augsburg das "Augsburgische
Bekenntnis" vorlegte, um eine Versoehnung mit Rom zu erreichen. Mit der
Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklaerung werde nun an genau diesem Ort
eine Bruecke gebaut, wo sie 1530 abgebrochen wurde, sagte Krause.

Auch Kardinal Edward Idris Cassidy, Praesident des Paepstlichen Rates
zur Foerderung der Einheit der Christen, hob in seinem Dankwort hervor,
dass Augsburg fuer die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklaerung der
richtige Ort sei, da Augsburgs Geschichte eng mit der Reformation
verbunden sei. Nachdem vor fast 500 Jahren hier die Spaltung der Kirche
nicht verhindert werden konnte, sei es "nur logisch die Konsequenz",
Augsburg fuer die Unterzeichnung zu waehlen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl
Lehmann, betonte in seinem Vortrag ueber die Bedeutung der Gemeinsamen
Erklaerung, dass man sich grundlegend einig sei, dass beide Kirchen
gemeinsame Aussagen zur Lehre von der Rechtfertigung getroffen haetten.
Dadurch haetten die Lehrverurteilungen, die sich auf die Rechtfertigung
beziehen, "ihre kirchentrennende Wirkung" verloren. Lehmann warnte aber
zugleich vor uebersteigerten Hoffnungen. Gerade im Hinblick auf die
Rechtfertigung sei die Verstaendigung besonders schwierig gewesen, weil
die Lehrgegensaetze schon frueh "besonders plakativ" zur Geltung
gebracht wurden und die Zuspitzungen trotz vieler Bemuehungen nicht
"ploetzlich wie vom Winde verweht sind". Die Unterzeichnung in Augsburg
sei eine "unentbehrliche Zwischenstation", dennoch gebe es viele offene
Fragen. Fuer Lehmann muss die Art der Uebereinstimmung noch naher
spezifiziert werden. "Ein erreichtes Konsens-Stadium ist noch nicht
Einheit", sagte er im Augsburger Rathaus. Weiterhin spreche die
Gemeinsame Erklaerung nicht von "Konsens in den Grundwahrheiten",
sondern nur von einem "Konsens in Grundwahrheiten", was einschliesse,
dass in anderen Grundwahrheiten noch kein Konsens gefunden sei, so
Lehmann. Allerdings erwarte er von der Gemeinsamen Erklaerung einen
"kraeftigen Schub" gerade betreffs offener Themen im Bereich der
Sakramente, der Kirche und der Aemterfrage.

Prof. Dr. Joachim Track, Vorsitzender des Programmausschusses fuer
Theologie und Studien des LWB, hob in seinen Ausfuehrungen zur Bedeutung
der Gemeinsamen Erklaerung hervor, dass trotz bleibender Unterschiede
ein "neues oekumenisches Bewusstsein, eine neue Offenheit der Kirchen
fuer einander" enstanden sei. Track sagte, dass die Verstaendigung in
der Rechtfertigungslehre ein Grund zur Freude sei, weil es schon jetzt
die Beziehung zwischen roemisch-katholischer Kirche und den lutherischen
Kirchen veraendert. Die Gemeinsame Erklaerung sei ein "entscheidender
Schritt zur gegenseitigen Anerkennung als Kirchen, zur Wahrnehmung der
gemeinsamen Verantwortung der christlichen Kirchen fuer Zeugnis und
Dienst in der Welt", so Track. Von grosser Tragweite ist fuer Track,
dass nun feststeht, dass der Dialog von "gleichberechtigten Partnern"
gefuehrt wurde. Auch dass nach der "Antwortnote der Katholischen Kirche"
der Prozess nicht abgebrochen worden sei, habe Vertrauen wachsen lassen,
ohne das Oekumene nicht moeglich sei. Fuer Track ist der Diskurs um die
Gemeinsame Erklaerung noch nicht beendet. Um "der Oekumene willen" muss
er weitergefuehrt werden, gerade dort, wo Kritik "nicht einem
eingefahrenen Vorurteil" folgt. Ziel des Dialogs ist fuer Track nicht
"die Konversion des anderen zu meiner Konfession", sondern "versoehnte
Verschiedenheit". Fuer den Umgang miteinander wuenscht er sich
allerdings, dass in Zukunft die lutherischen Kirchen und die
roemisch-katholische Kirche vor wichtigen Entscheidungen einander
konsultieren.

Dr. Konrad Raiser, Generalsekretaer des Oekumenischen Rates der Kirchen,
sagte in einem Grusswort, dass die Trennung der Kirchen in Deutschland
begonnen habe und nun besonders erfreulich sei, dass der erste Schritt
"zur sichtbaren Heilung" auch in Deutschland stattfinde. Ebenso wichtig
sei, so Raiser, dass die Unterzeichnung vor den kritischen Augen der
Oeffentlichkeit erfolgt. Viele derer, die zu Erben der Spaltung der
Kirche wurden, koennten nun an den Fruechten der Bemuehungen um
Verstaendigung teilhaben. Ein hoffnungsvolles Vorhaben sei fuer ihn der
im Jahr 2003 geplante oekumenische Kirchentag in Berlin, sagte Raiser.

Dr. Viktor Josef Dammertz, Bischof von Augsburg, hob in seinem Grusswort
hervor, das es durch die Bestaetigung der Gemeinsamen Erklaerung "keine
Sieger und Verlierer" gebe. Fuer ihn sind "wir als Christen der
verschiedenen Konfessionen gemeinsam auf dem Weg, die immer groessere
Wahrheit Gottes zu entdecken". Die Gemeinsame Erklaerung sei fuer ihn
"ein unuebersehbares Zeichen der Hoffnung", erklaerte Dammertz.
Allerdings seien beide Dialogpartner nicht am Ziel der Oekumene
angelangt, haetten jedoch "eine wichtige Etappe erreicht", die nun zum
"neuen hoffnungsvollen Ausgangspunkt fuer weitere Streckenabschnitte auf
dem gemeinsamen Pilgerweg der Oekumene" wird.

Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, D.
Hermann von Loewenich, betonte, dass er sich ueber die Unterzeichnung
der Gemeinsamen Erklaerung am 31.10.1999 auch deswegen freue, da er an
diesem Tag aus dem Amt als Landesbischof scheide. Angesichts der
Bevoelkerungsstruktur des Freistaates Bayern, Deutschland, war das
Miteinander der beiden grossen Kirchen "seit fast fuenfhundert Jahren
ein Thema", so von Loewenich. Fuer die Evangelischen in Bayern sei es
ein Gewinn, mit der katholischen Kirche in vielen Fragen, die Staat und
Gesellschaft betreffen, kooperieren zu koennen. Die Kritik zahlreicher
evangelischer Theologen in Deutschland an der Gemeinsamen Erklaerung
bezeichnete von Loewenich als "bitter", im "persoenlichen Gespraech
hatte sich sicher manches klaeren lassen". Fuer ihn ist das Ziel
Kirchengemeinschaft fest im Blick. Mit dem Modell des "differenzierten
Konsenses" sei ein Modell entwickelt worden und theologische
Unterschiede braeuchten "unsere Kirchen nicht bis in die Wurzeln
trennen", sagte von Loewenich.

Ausdruecklich dankte Landesbischof von Loewenich seinem Anfang Oktober
verstorbenen Amtsvorgaenger, Landesbischof  i.R. Johannes Hanselmann,
der sich schon als Praesident des Lutherischen Weltbundes fuer die
Versoehnung der Kirchen eingesetzt hatte. Von Loewenich hob hervor, dass
Hanselmann "einer der Vaeter" der Gemeinsamen Erklaerung sei, nicht
zuletzt haette seine Initiative nach intensivem Dialog mit Kardinal
Ratzinger zur Gemeinsamen offiziellen Feststellung gefuehrt.

Bitte beachten Sie: Sowohl die Pressekonferenz vom Freitag, 29.10.1999
als auch die feierliche Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklaerung zur
Rechtfertigungslehre am Sonntag, 31.10.1999 koennen per
Real-Audio-Player im Internet abgerufen werden. Das Material ist die
naechsten vier Wochen verfuegbar. Die WebSeite des LWB lautet:
www.lutheranworld.org.Weiterhin koennen aktuelle Fotos und Texte ueber
die WebSeiten: www.rechtfertigung.de und www.justification.org abgerufen
werden.

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 128 Mitgliedskirchen, denen rund 58 der 61,5 Millionen
Lutheraner und Lutheranerinnen in 70 Laendern angehoeren. Das
LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine
enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und
anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte,
Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und
Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "lwi"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.

***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
E-mail: dmg@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/


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