From the Worldwide Faith News archives www.wfn.org
Argentinische Lutheraner und Katholiken feiern
From
FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org
Date
22 Nov 1999 07:06:29
Reply-to: FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org
die historische Erklärung
Botschaft der Rechtfertigung ist aktuell und hat Kraft zur Veränderung
Buenos Aires (Argentinien)/Genf, 22. November 1999 (lwi) - Die Gemeinsame Erkl
rung zur Rechtfertigungslehre ist "nicht eine vorübergehende Aktion" der
katholischen und lutherischen Diplomatie, sondern beinhaltet die
Verpflichtung, "dass das Evangelium in ihnen leuchten wird". Diese Einsch
tzung traf Pfr. Angel Furlan, Präsident der Vereinigten
Evangelisch-Lutherischen Kirche Argentiniens, am 3. November 1999 bei einer
kumenischen Feier in der Kirche der lutherischen Gemeinde "El Redentor" in
Buenos Aires anlässlich der Unterzeichnung der Erklärung in Augsburg. Für ihn
ist die Rechtfertigung "nicht nur eine nach aussen gerichtete Botschaft,
sondern auch eine Glaubensaussage, die nach innen weist, bis in den Kern
unseres Lebens als Kirchen".
Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre wurde am 31. Oktober 1999
vom Lutherischen Weltbund, zu dessen Mitgliedern auch die beiden
argentinischen Kirchen, die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche und die
Evangelische Kirche am La Plata, gehören, und der römisch-katholischen Kirche
feierlich in Augsburg bestätigt. Dieses Dokument schreibt einen "Konsens in
Grundwahrheiten" hinsichtlich der Rechtfertigungslehre fest und erklärt, dass
die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts betreffs der Rechtfertigungslehre
die Dialogpartner heute nicht mehr treffen.
Pfr. Angel Furlan betonte in seiner Predigt, die Diskussion über die
Rechtfertigung befasse sich nicht mit einem Thema, das von der heutigen
Lebenswirklichkeit weit entfernt sei bzw. einem anderen Jahrhundert angehöre.
Ganz im Gegenteil führe das Fehlen einer grundlegenden Gewissheit, auf der die
Menschen ihr Leben aufbauen könnten, auch heute zu Verzweiflung und
Nihilismus.
Die Botschaft von der Rechtfertigung bedeute für uns, so Pfr. Furlan, dass
"wir uns nicht auf unsere eigene Kraft, unser Gewissen, unsere Erfahrungen
oder Fähigkeiten verlassen müssen, sondern dass wir auf etwas vertrauen k
nnen, das ausserhalb von uns selbst ist, auf die Verheissung und die Wahrheit
Gottes, der uns nicht im Stich lassen kann".
Für den lutherischen Pastor hat die Rechtfertigungsgewissheit in dreifacher
Hinsicht verwandelnden Charakter. Sie verwandelt Menschen, ihre Prioritäten,
ihre Werte und die Verpflichtungen, die sie eingehen. Sie verwandelt auch die
Stellung, die Menschen in der Welt einnehmen, denn sie gibt ihnen die Kraft,
sich für andere hinzugeben. Und schliesslich erhebt sie sich gegen die
Rechtfertigungen, die die Welt für sich und ihr System findet.
Der Erzbischof von Buenos Aires, Monsignore Jorge Bergoglio, hob in seiner
Predigt die Bedeutung der göttlichen Gnade für das Leben der Gläubigen hervor.
"Unserer unbeholfenen, unvollkommenen, egozentrischen Suche nach Gott geht
Gottes Zuwendung zu uns voraus. Denn darin besteht die Liebe: er hat uns
zuerst geliebt."
Christ sei derjenige, der sich inmitten von Leid und Ohnmacht Jesus Christus
ffne, in dem die Gnade Gottes alle Sünden und Grenzen des Menschen überwinde,
bekräftigte der Erzbischof. "Wir wollen vorwärts gehen auf unserem Weg - in
der Gewissheit, dass er uns entgegenkommt; wir dürfen keine Mühe scheuen, uns
ihm zu öffnen, damit wir zu einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit
gelangen", schloss er.
An der Feier, die mit einem herzlichen und begeisterten Applaus der rund 400
Teilnehmenden endete, nahmen ebenfalls Kardinal Juan Carlos Aramburu und der
Präsident der Evangelischen Kirche am La Plata, Pfr. Juan Pedro Schaad, teil.
Auch Gläubige und leitende Persönlichkeiten anderer christlicher Konfessionen
waren anwesend.
Die lokale Rezeption der Gemeinsamen Erklärung steht im Zeichen der langj
hrigen brüderlichen Beziehungen zwischen Katholiken und Lutheranern. Einer der
Meilensteine in der Entwicklung dieser Beziehungen war die gegenseitige
Anerkennung des Sakraments der Taufe, die im Jahre 1987 von den Kirchen
offiziell angenommen wurde. Darüber hinaus haben die Kirchen Diskussionen über
ihr Verständnis vom Sakrament der Eucharistie geführt und seelsorgerliche
Richtlinien für den Umgang mit konfessionellen Mischehen erlassen. Neben
diesen Dialogen unterhalten viele katholische und lutherische Gemeinden
brüderliche Beziehungen miteinander und führen auf Ortsebene gemeinsame
Projekte durch.
Bereits am 27. Oktober 1999 fand in der Bibliothek des Sitzes der
Argentinischen Bischofskonferenz in Buenos Aires eine
Informationsveranstaltung zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre
mit kirchenleitenden Persönlichkeiten und Theologen der katholischen und
lutherischen Kirchen in Argentinien statt. Vor Vertretern der Presse und des
gesellschaftlichen und kulturellen Lebens Argentiniens wurden die Konsequenzen
der Gemeinsamen Erklärung für Leben und Mission der Kirche in der Gesellschaft
und die Bedeutung des Dialogs erörtert.
Pfr. Juan Pedro Schaad, der Präsident der Evangelischen Kirche am La Plata,
hob auf dieser Veranstaltung hervor, dass die Herausforderung nach dem jetzt
erreichten Konsens darin besteht, "eine Sprache zu finden, die unserer
heutigen Zeit angemessen ist", um die Botschaft der Rechtfertigungslehre
auszudrücken. "Die Verkündigung, dass Gott die Menschen weit über das Mass
dessen hinaus, was sie in ihrem Leben selbst erreichen könnten, annimmt und
rechtfertigt", sagte er, "befreit uns von der schweren Last des Wettbewerbs",
der "dazu führt, dass wir einen individualistischen Lebensplan entwerfen, in
dem die Dimension der Solidarität verloren geht".
"Die grossen Unsicherheiten, unter denen grosse Teile unserer Gesellschaft
leiden, die vom heute vorherrschenden sozioökonomischen Modell ausgeschlossen
und aufgegeben werden, machen es notwendig, dass unsere Kirchen eine klare und
überzeugende Antwort geben", bekräftigte Pfr. Schaad. In diesem Zusammenhang
befreit uns die Rechtfertigungslehre auch als Kirchen, die wir
jahrhundertelang ein Gegenzeugnis abgelegt haben. Rechtfertigung bedeutet für
Schaad, dass "Gott uns trotz unserer Unzulänglichkeit, unserer Hartherzigkeit
und unseres Stolzes mit tiefer Barmherzigkeit anschaut". Aber gleichzeitig
verpflichte sie uns "zur gemeinsamen Feier des Wortes und zum Zeugnis von der
Liebe Gottes, die sich für das Leben überall dort, wo es bedroht ist,
einsetzt", so Schaad.
Die Gemeinsame Erklärung stellt "ein überaus wertvolles Modell" dar, "das zum
Nachdenken und Gespräch anregt", bekräftigte der katholische Priester und
Theologe Dr. Víctor M. Fernández in seinem Vortrag. Katholiken und Lutheraner
seien gemeinsam einen "wunderbaren Weg" gegangen, der es ihnen erlaubt habe,
"die alten Überzeugungen von einer anderen Perspektive aus neu zu betrachten".
Da jeder "bereit war, die Dinge ausgehend von dem Glaubensschatz des anderen
zu überdenken, war es allen möglich, Aspekte der eigenen Wahrheit neu zu
entdecken, die von den Umständen verdeckt worden waren". Obwohl der erreichte
Konsens "weder Einheitlichkeit noch vällige Übereinstimmung bedeutet", sei er
"eine unerlässliche und grundlegende Voraussetzung, um eine Annäherung zu erm
glichen".
Der lutherische Pfarrer Dr. Ricardo Pietrantonio betonte, dass die sichtbare
Einheit "das höchste Ziel des Dialogs zwischen der römisch-katholischen Kirche
und der lutherischen Gemeinschaft auf internationaler Ebene" war und ist. Als
einziges lateinamerikanisches Mitglied der internationalen lutherisch/r
misch-katholischen Kommission für die Einheit und somit privilegierter Zeuge
des Prozesses, der zur Gemeinsamen Erklärung geführt hat, gab Dr. Pietrantonio
einen historischen Überblick über diesen "konstruktiven Dialog", der im
Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil begann.
Im 16. Jahrhundert gelangte Martin Luther durch seine Betonung der
unverdienten Rechtfertigung des Sünders durch Gott zu der Überzeugung, dass
das ganze System des Ablasshandels, durch das die Gläubigen den Erlass ihrer
zeitlichen Strafen für ihre Sünden kaufen konnten und mit dem die r
misch-katholische Kirche unter anderem den Bau der Peterskirche finanzierte,
verwerflich sei. Seine Weigerung, den guten Werken Heilskraft beizumessen,
sahen einige als Einladung zu einem "ausschweifenden Leben" an. Die sich an
diesen Streit anschliessenden Verurteilungen beruhten auf Gegenseitigkeit.
Fast fünf Jahrhunderte später erkennen beide Konfessionen an, dass sie mit
Hilfe neuer Bibelstudien und moderner theologischer Arbeitsmethoden zu neuen
Einsichten gelangt sind, die es ihnen erlauben, eine gemeinsame Auslegung der
Rechtfertigungslehre zu formulieren. Beide Dialogpartner halten einen Konsens
in grundlegenden Lehraussagen fest, der aber nicht alles umfasst, was beide
Kirchen in dieser Hinsicht lehren. Infolgedessen heben die Kirchen, zumindest
was die Rechtfertigungslehre betrifft, die gegenseitigen Lehrverurteilungen
des 16. Jahrhunderts auf.
Katholiken und Lutheraner verpflichten sich in der Gemeinsamen offiziellen
Feststellung, mit deren Unterzeichnung die Gemeinsame Erklärung zur
Rechtfertigungslehre am 31. Oktober in Augsburg bestätigt wurde, zu einer
Fortführung des Dialogs, um zu voller Kirchengemeinschaft zu gelangen. Ziel
ist dabei eine Einheit in Verschiedenheit, in der verbleibende Unterschiede
miteinander versöhnt werden können und keine trennende Kraft mehr haben.
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen
weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegründet, zählt er inzwischen 128
Mitgliedskirchen, denen rund 58 der 61,5 Millionen Lutheraner und
Lutheranerinnen in 70 Ländern angehören. Das LWB-Sekretariat befindet sich in
Genf (Schweiz). Das ermöglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen
Rat der Kirchen (ÖRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der
LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen
Interesses, z. B. ökumenische Beziehungen, Theologie, humanitäre Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und
Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des Lutherischen
Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veröffentlichtes Material gibt, falls dies
nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder
seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "lwi" gekennzeichneten Beiträge können
kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.
* * *
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Grötzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-798-8616
E-mail: dmg@lutheranworld.org
Browse month . . .
Browse month (sort by Source) . . .
Advanced Search & Browse . . .
WFN Home