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LWB-Generalsekretaer ruft zu einer Kultur des Friedens auf
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FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date
24 Jan 2000 12:29:27
Neujahrsbotschaft: Kirchen gehren zu denen, die den Frieden in die Welt
tragen
Genf, 24. Januar 2000 (lwi) - An der Schwelle zum neuen Jahrtausend
forderte der Generalsekretaer des Lutherischen Weltbundes (LWB), Dr.
Ishmael Noko, alle Christen auf, fuer eine Kultur des Friedens zu beten.
"Das neue Jahrtausend", so Noko, sei "ein Jahrtausend Christi, in dem wir
aufgerufen sind, einer des andern Last zu tragen."
In seiner Neujahrsbotschaft, die auf einem Vers des Galaterbriefes basiert
("Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfuellen."
Gal 6,2), kritisierte Dr. Noko, dass es der "Welt immer noch in
erschreckendem Masse am Geist des Mitgefuehls und am Frieden Gottes"
mangelt. Kriege wuerden unbeschreibliches Elend hervorbringen, unter dem in
erster Linie Schutzlose und Unschuldige, insbesondere Kinder, zu leiden
haetten. Zwar seien mit der Kampagne zum Verbot von Landminen bedeutende
Schritte unternommen worden, aber die Ruestungsspirale haette noch kein
Ende gefunden.
Dr. Noko betonte in seiner Neujahrsbotschaft, dass die Welt am dringendsten
eine Kultur des Friedens benoetige. Dies gelte nicht nur innerhalb und
zwischen Nationen, Gruppen und Gemeinschaften, sondern auch fuer den
Bereich der Wirtschaft. Hier werde Gewalt oft durch Begriffe wie
"wirtschaftliche Liberalisierung, Wettbewerb, Wettbewerbsvorteil und
Strukturanpassung" verschleiert. Dass weltweit "1,6 Milliarden Menschen
immer noch in absoluter Armut dahinvegetieren", sieht Dr. Noko als "eine
direkte Herausforderung an den Dienst und die Aufgabe der Kirchen, Lasten
mitzutragen."
Im neuen Jahrtausend sieht der LWB-Generalsekretaer die grosse Chance, "den
aermsten und am hoechsten verschuldeten Laendern der Erde einen Neuanfang
zu ermoeglichen, um den Teufelskreis der Verschuldung real und dauerhaft zu
durchbrechen". Die Streichung der "untragbaren Schuld" muesse direkt den
Armen zugute kommen. Fuer eine gerechte und nachhaltige Loesung muessten
Mechanismen fuer einen wirksamen Dialog zwischen Zivilgesellschaft und
Regierungen gefunden werden, ebenso wie auch fuer eine faire Verteilung der
Verantwortung zwischen Schuldnern und Glaeubigern.
Mit ihren oekumenischen Initiativen gehoeren die Kirchen zu denen, "die den
Frieden in die Welt tragen", betonte Dr. Noko. Der Lutherische Weltbund
wuerde unter dem noch frischen Eindruck der Bestaetigung der Gemeinsamen
Erklaerung zur Rechtfertigungslehre in das neue Jahr eintreten. Die
Gemeinsame Erklaerung und die zahlreichen anderen oekumenischen Prozesse
zwischen den christlichen Kirchen werden die Grundlage fuer "ein tieferes
Verstaendnis und engere Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und zwischen
den Gemeinschaften und Voelkern der Welt" bilden, so Dr. Noko. Dennoch
muessten die interreligioesen Dialoge und Formen der Zusammenarbeit
verstaerkt werden, um Missverstaendnisse zwischen Religionen abzubauen.
Im Folgenden finden Sie den vollstaendigen Wortlaut des Neujahrsbotschaft:
NEUJAHRSBOTSCHAFT
Dr. Ishmael Noko
Generalsekretaer des Lutherischen Weltbundes
Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfuellen.
(Galater 6,2)
Liebe Schwestern und Brueder in Christus,
in diesem neuen Jahr feiern wir die 2000. Wiederkehr der Geburt unseres
Herrn und Erloesers Jesus Christus. Hierin liegt fuer uns die wahre und
grundlegende Bedeutung des Jahreswechsels, der soeben stattgefunden hat -
eine Bedeutung, die nicht in den Hintergrund gedraengt werden konnte von
den Stroemen von Champagner und den ueberwaeltigenden Feuerwerken, mit
denen in vielen Teilen der Welt das neue Jahr begruesst wurde. Das neue
Jahrtausend, in das wir eintreten, bezieht seinen gesamten Sinn, seine
gesamte Bedeutung aus der Tatsache, dass Jesus Christus - Immanuel - unter
uns geboren ist. Es ist ein Jahrtausend Christi, in dem wir aufgerufen
sind, einer des andern Last zu tragen.
Christus kam, um die Last seines leidenden Volkes zu tragen, um die
Menschen mit Gott zu versoehnen und um der ganzen Schoepfung den Frieden
Gottes zu bringen. Am Beginn des Jahres 2000 jedoch mangelt es der Welt
immer noch in erschreckendem Masse am Geist des Mitgefuehls und am Frieden
Gottes. An so vielen Orten verursachen, vor den Augen der Welt oder auch
unbeachtet, der Krieg und die Werkzeuge des Krieges immer noch
unbeschreibliches menschliches Elend. Die Schutzlosen und die Unschuldigen,
insbesondere die Kinder, sind weiterhin Hauptopfer der Gewalt. In der
Kampagne zur Beendigung des entsetzlichen Landminen-Tragoedie sind
bedeutende Schritte unternommen worden, und indem sie in dieser Kampagne
eine wichtige Rolle uebernahmen, handelten die Kirchen getreu ihrem
christlichen Auftrag, Lasten mitzutragen. Handfeuerwaffen jedoch
verbreiten sich ueberall in der Welt schneller als je zuvor, und die
Atomwaffen sind, obwohl ihnen nun, nach dem Ende des kalten Krieges,
weniger Beachtung geschenkt wird, immer noch eine Bedrohung fuer unsere
Erde.
Selbst in dem Land, wo Christus geboren wurde, sind die Beziehungen
zwischen den Nationen und Voelkern, die Anspruch auf dieses Land erheben,
weiterhin von Gewalt gekennzeichnet. In Jerusalem sind die juengsten
Beispiele von Spannungen zwischen den grossen Religionsgemeinschaften Beleg
fuer die Bruechigkeit des erneuerten politischen Friedensprozesses. Die
Zukunft Jerusalems muss die einer versoehnten Stadt zweier Voelker und
dreier Religionen sein, wenn es einen gerechten Frieden im Nahen Osten und
in der Welt geben soll.
Wie sieht es mit der Gewalt in unseren eigenen Gemeinschaften aus,
insbesondere mit der Gewalt gegen Frauen? Wie mit den von Gewalt
gekennzeichneten Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Nationen? Wie mit den
Konflikten in unseren Gemeinden und Kirchen, und den Feindbildern, die wir
auf einige unserer eigenen Schwestern und Brueder in Christus projiziert
haben? Wie koennen wir sicherstellen, dass, was die Gleichberechtigung der
Frau und die dieser vorausgehende Sensibilisierung, sowie ihre
Verwirklichung in unseren Gesellschaften angeht, groessere und schnellere
Fortschritte erzielt werden? Warum wehren wir uns manchmal immer noch
dagegen, dass die heilende und versoehnende Kraft, die uns Gott in Christus
geschenkt hat, uns in die rechte Beziehung zueinander, wie auch zum Vater,
setzt?
Die Kirchen sind in diesen Konfliktsituationen praesent, sie tragen die
Last derjenigen mit, die Opfer von Gewalt sind - manchmal selbst als Opfer,
manchmal, indem sie im Gebet, in humanitaerer Hilfe und Anwaltschaft ihre
Solidaritaet zum Ausdruck bringen. Die Last, die es mitzutragen gilt,
scheint jedoch immer groesser zu werden. Wie koennen wir, als Einzelne und
als christliche Gemeinschaften, die Buerde derer erleichtern, die am
schwersten bedrueckt sind? Wie kann man den vielen Formen und Werkzeugen
der Gewalt und der Ungerechtigkeit begegnen?
Am dringendsten benoetigt wird, und am intensivsten gebetet werden muss in
diesem neuen Jahr, Jahrzehnt und Jahrhundert um das Erbluehen einer Kultur
des Friedens innerhalb und zwischen Nationen, Gruppen und Gemeinschaften
(sowohl ethnischer als auch religioeser Art) sowie in den Herzen aller
Menschen. Der Friede Gottes und das Wirken des Heiligen Geistes muessen
dabei als Basis fuer einen solch grundlegenden kulturellen Wandlungsprozess
verstanden werden, einen Wandel, der sowohl am Mandat der Vereinten
Nationen, wie auch an den fortgesetzten Fortschritten der oekumenischen
Bewegung abzulesen ist.
Mit ihren oekumenischen Initiativen gehoeren die Kirchen zu denen, die den
Frieden in die Welt tragen. Jeder kleine Schritt, den wir in Richtung der
sichtbaren Einheit des Leibes Christi unternehmen, ist ein weiterer Schritt
der Abkehr von einer Geschichte, in der Differenzen zwischen Kirchen Krieg
und Uneinigkeit nach sich zogen. Der oekumenische Prozess selbst ist ein
Prozess, der innerhalb und zwischen den Kirchen eine Kultur des Friedens
und des Verstehens staerkt und wachsen laesst. Der Lutherische Weltbund
tritt unter dem noch frischen, freudevollen Eindruck der gemeinsam mit der
roemisch-katholischen Kirche erfolgten Bestaetigung der Gemeinsamen
Erklaerung zur Rechtfertigungslehre in das neue Jahr ein. In diesem Jahr
und den kommenden Jahren werden die Gemeinsame Erklaerung und die vielen
anderen oekumenischen Prozesse zwischen den christlichen Kirchen der Welt
mit Gottes Hilfe die Grundlage bilden fuer ein tieferes Verstaendnis und
engere Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und zwischen den Gemeinschaften
und Voelkern der Welt.
Gleichermassen muessen die interreligioesen Dialoge und Formen der
Zusammenarbeit, die entwickelt wurden, in diesem und den kommenden Jahren
fortgesetzt und verstaerkt werden. Missverstaendnisse zwischen Religionen,
und die Feindbilder, die aus diesen Missverstaendnissen entstehen, wurden
zu oft dazu benutzt, Konflikte und Kontroversen in der Welt zu
rechtfertigen. Es ist noetig, uns selbst einzubringen in die Bemuehungen um
ein besseres gegenseitiges Verstaendnis zwischen den Religionen, damit wir
voneinander erfahren, welche Last uns auferlegt ist, und Moeglichkeiten
finden, diese mitzutragen, damit ein klareres Zeugnis fuer die Frohe
Botschaft gesichert wird und damit verhindert wird, dass der prophezeite
sogenannte "Kampf der Kulturen" durch unser Verhalten Wirklichkeit wird.
Einer solchen Kultur des Friedens muss auch im Bereich der
Wirtschaftsbeziehungen die Moeglichkeit eroeffnet werden, Fuss zu fassen,
wo Gewalt oft verschleiert wird von Begriffen wie wirtschaftliche
Liberalisierung, Wettbewerb, Wettbewerbsvorteil und Strukturanpassung. Die
Folgen, die die Wirtschaftspolitik fuer die Menschen, insbesondere auf
internationaler Ebene, hat, duerfen nicht laenger ignoriert werden, sondern
muessen umfassend und ausdruecklich bei der Ausarbeitung
wirtschaftspolitischer Konzepte einbezogen werden. Nur dann kann das
enorme Potential fuer ein groesseres Wohl der Menschen und die Staerkung
der Menschenwuerde nutzbar gemacht werden, das der Handel in sich birgt.
Solidaritaet und die uns verbindende Liebe duerfen nicht laenger nur ein
Anhaengsel der dominanten Ethik des Wettbewerbs und des Eigeninteresses
sein. Die Tatsache, dass auf der Welt 1,6 Milliarden Menschen immer noch in
absoluter Armut dahinvegetieren, ist ein fundamentales Hindernis fuer die
Errichtung einer Kultur des Friedens und eine direkte Herausforderung an
den Dienst und die Aufgabe der Kirchen, Lasten mitzutragen.
Insbesondere muss der kairos des Jahres 2000 genutzt werden, um den
aermsten und am hoechsten verschuldeten Laendern der Erde einen Neuanfang
zu ermoeglichen, um den Teufelskreis der Verschuldung real und dauerhaft zu
durchbrechen, und um sicherzustellen, dass eine Streichung der untragbaren
Schulden direkt den Armen zugute kommt, die am schwersten an dieser Last zu
tragen haben. Zu einer gerechten und nachhaltigen Loesung der andauernden
Schuldenkrise muessen Mechanismen fuer einen wirksamen Dialog ueber diese
Frage zwischen der Zivilgesellschaft und den Regierungen, ebenso wie auch
fuer eine faire Verteilung der Verantwortung zwischen Schuldnern und
Glaeubigern gefunden werden. Kirchen und einzelne Christen waren auch an
dieser Kampagne massgeblich beteiligt, und ihr fortgesetztes Engagement
fuer diese Sache wird notwendig sein, damit die bemerkenswerten
Fortschritte und der entscheidende Schwung, die bisher erreicht wurden,
auch zu entsprechenden Resultaten fuehren.
Es ist eines der schmerzlichen Geschenke der Globalisierung in unserer
immer mehr "verdrahteten" Welt, dass sie uns allen in so grossem Masse die
Zerbrochenheit der Welt vor Augen fuehrt. Lesen wir den Brief den Paulus an
die Galater und seine Aufforderung, einander beim Tragen unserer Last
beizustehen, genauer, so finden wir uns mit der Herausforderung
konfrontiert, die Struktur unserer zerbrochenen Welt neu zu ueberdenken.
Ich hoffe auf und bete fuer ein 21. Jahrhundert, in dem Maenner und Frauen
guten Willens, Regierungen, Wirtschaftsinstitutionen, Organisationen der
Buergergesellschaft und Religionsgemeinschaften sich fortgesetzt darum
bemuehen, neue und wirksame Verbindungen der Zusammenarbeit und
Solidaritaet zu schaffen. Fuer die Kirchen bete ich darum, dass dieses
Jahrhundert ein Jahrhundert der kleinen aber mutigen Schritte hin auf die
gegenseitige Anerkennung als Kirchen wird, ein Jahrhundert, in dem die
verbleibenden Differenzen in Lehre und Theologie miteinander in Einklang
gebracht werden koennen, da wir durch Christus aus Gottes Gnade schoepfen
und in ihm nach Einheit streben.
Im Januar 2000
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen
weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 128
Mitgliedskirchen, denen rund 58 der 61,5 Millionen Lutheraner und
Lutheranerinnen in 70 Laendern angehoeren. Das LWB-Sekretariat befindet
sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem
Oekumenischen Rat der Kirchen (OERK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in
Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen,
Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und
verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "lwi"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt
werden.
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Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Grtzsch
E-mail: dmg@lutheranworld.org
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