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Warten auf Nahrung im suedlichen Aethiopien
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FRANK.IMHOFF@ecunet.org
Date
05 May 2000 06:05:08
Nach schleppendem Start ist langfristige Hilfe noetig
Ein Feature von Paul Jeffrey
Borena (Aethiopien)/Genf, 4. Mai 2000 (lwi) - Waehrend die Welt dabei
ist, Nahrungsmittel fuer Millionen von hungrigen Aethiopiern
zusammenzuscharren, kann Atani Dalayo kaum auf seinen Beinen stehen. Er
weiss, dass er es nie schaffen wird, bis Dubuluch zu gehen, einem
kleinen, 3 km entfernten Dorf. So sitzt er in seiner einfachen
Grashuette und starrt in die kalte Asche des Feuers, das seit Tagen kein
Essen mehr gewaermt hat.
Dalayo ist Viehhirte und weidet seine Rinder und Ziegen in der
unfruchtbaren Landschaft Suedaethiopiens, das von saisonbedingten
Niederschlaegen abhaengig ist. Aber es hat seit Jahren nicht mehr
geregnet. Deshalb hat er sein Vieh allmaehlich verkauft und den Ertrag
fuer den Unterhalt seiner Familie verwendet. Heute hat Dalayo nichts
mehr. Die letzten fuenf Tiere seiner Herde verendeten, nachdem er mit
anderen Viehzuechtern vor einigen Wochen hierher kam. Hunderte von
Tierskeletten liegen in der heissen Sonne um ihr Lager. Die Haut der vor
kurzem verendeten Tiere ist noch intakt, aber ihre Besitzer haben nicht
einmal mehr die Energie, die Kadaver zu haeuten und die Haut zu
verkaufen.
Die Landschaft um Dubuluch hat sich auch sonst veraendert. Ein neuer
Friedhof wurde oestlich des Dorfes errichtet, wo die Familienmitglieder
begraben sind, die verhungerten. Jedes dieser 100 frischen Graeber ist
mit einem Steinhaufen bedeckt.
Dalayo, dessen ausgemergelter Koerper mit einem Schal bekleidet ist,
sagt, seine Frau und Kinder seien zu der nahegelegenen Stadt gegangen,
um etwas gesammeltes Brennholz zu verkaufen. Die Frage, wie er sich
fuehlt, beantwortet er mit kaum hoerbarer Stimme, dass es ihm gut gehe,
und er nicht krank sei, nur hungrig. Er beklagt sich nicht. Er wartet
einfach.
Wird dieser Mann noch am Leben sein, wenn die Nothilfe aus dem Ausland
kommt? Das ist eine Frage, die ueberall am duerregeplagten Horn von
Afrika gestellt wird, wo etwa 16 Millionen Menschen der Gefahr des
Hungertodes ausgesetzt sind. Die Haelfte davon lebt in Aethiopien.
Die Voelkergemeinschaft hat ihre Hilfe zugesagt; jedoch fuer viele Opfer
scheint der Zeitunterschied zwischen den Zusagen und den eintreffenden
Lebensmitteltransporten uebermaessig lang.
ACT-Appell um USD 32 Millionen fuer Aethiopien
"Das waere ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wenn wir Tausende
von Menschen sterben liessen, weil es nicht genuegend Lebensmittel hier
gibt," erklaerte Christian Balslev-Olesen, Generalsekretaer von
DanChurchAid, der kuerzlich Duerreopfer in der Region von Borena
besuchte.
"Aethiopien hat die Infrastruktur, ein gutes Ueberwachungssystem,
erfahrene Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und auf Ortsebene eine
sehr organisierte Gesellschaft. Es gibt fuer die Voelkergemeinschaft
keine Entschuldigung, die Menschen hier sterben zu lassen," sagte er.
DanChurchAid ist Mitglied von ACT (Action by Churches Together - Kirchen
helfen gemeinsam), einer weltweiten Verbindung von Kirchen und
Hilfsorganisationen, die sich fuer Nothilfe einsetzt. Anfang April hat
ACT, beim Lutherischen Weltbund (LWB) und beim Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) in Genf angesiedelt, an seine Mitglieder appelliert,
Nothilfe in Form von Nahrungsmitteln, Saatgut und Werkzeugen im Werte
von 32 Millionen USD fuer Aethiopien zu spenden.
Balslev-Olesen kam Mitte April nach Aethiopien, um die internationale
Hilfsaktion zu unterstuetzen. ACT, das sich vor allem aus
protestantischen und orthodoxen Kirchen und Organisationen
zusammensetzt, plant einen gemeinsam Hilfeaufruf mit Caritas
Internationalis (in Rom angesiedelt) dem wichtigsten Nothilfe- und
Entwicklungsnetzwerk der roemisch-katholischen Kirche, fuer die in
Aethiopien taetige Joint Relief Partnership (JRP - Gemeinsame
Hilfsaktion). JRP ist ein Gremium, das sich aus mehreren religioesen
Organisationen zusammensetzt und seit der Hungersnot von 1984/1985,
Nothilfe auf Landesebene koordinierte.
Mit dem Hilfeaufruf von ACT/Caritas sollen Programme der JRP
unterstuetzt werden, zu der auch die Aethiopische Evangelische Kirche
Mekane Yesus (AeEKMY), der LWB und die Aethiopische Orthodoxe Kirche
gehoeren, die alle Mitglieder der Allianz sind. Die Katholische Kirche
in Aethiopien und Catholic Relief Services (CRS), das Entwicklungs- und
Nothilfegremium der Katholischen Bischofskonferenz in den Vereinigten
Staaten, sind ebenfalls Mitglieder der JRP.
Anfang diesen Jahres kuendigte JRP die Plaene ihrer Mitglieder an,
Nahrungsmittelhilfe an 10 Prozent der 8 Millionen AethiopierInnen zu
geben, von denen man annimmt, dass sie im Jahr 2000 Hunger leiden
werden. Infolge der sich verschlechternden Duerresituation, sind laut
offiziellen Mitteilungen voraussichtlich weitere 2,6 Millionen Menschen
gefaehrdet und benoetigen Hilfe. Kirchliche Organisationen beginnen mit
den Vorbereitungen, um ihre Hilfe noch zu erweitern.
Obwohl die JRP-Mitglieder und andere der ACT- und Caritas-Netzwerke
schon seit Monaten Alarm schlagen und vor einer bevorstehenden
Hungersnot warnten, hat anscheinend ein Grossteil der Welt davon nichts
bemerkt bis zum 3. April, als die British Broadcasting Corporation (BBC)
dramatische Videobilder von verhungernden Kindern in der Naehe der Stadt
Gode in der Somali-Region in Ostaethiopien zeigte. Der emotionsgeladene
Film wurde bei einem Verteilzentrum fuer Nahrungsmittel aufgenommen, das
von der Ogaden Welfare Society, einer lokalen aethiopischen
Organisation, gefuehrt wird und teilweise von Christian Aid, einem
ACT-Mitglied aus Grossbritannien unterstuetzt wird.
Einige Tage nach der BBC-Sendung begab sich die uebrige Welt dorthin.
Bis zum 20. April hatten sich 250 auslaendische KorrespondentInnen bei
der Regierung um Akkreditierung gebeten, um nach Gode zu kommen. Die
Ogaden Welfare Society wurde von Vertretern der Spendenorganisationen
ueberrannt, die Mittel fuer die hungernden Kinder zur Verfuegung stellen
wollen.
Waehrend die Situation in Gode und anderen nahegelegenen Doerfern auf
jeden Fall kritisch ist, zeigen die Szenen im Fernsehen nicht alles.
"Dieses Gebiet Aethiopiens ist schwer von der Duerre betroffen worden,
ist aber nicht repraesentativ fuer das ganze Land," teilte Anne
Bousquet, die CRS-Landesvertreterin in Aethiopien nach einem Besuch am
15. April mit. Sie machte jedoch darauf aufmerksam "dass viele Gebiete
ein grosses Risiko darstellen, d.h., wenn Hilfe nicht rechtzeitig
eintrifft, werden wir noch viel mehr Godes erleben."
VertreterInnen von Hilfsorganisationen stimmen darin ueberein, dass
jetzt Borena an der Reihe ist. Dort wird sich die Duerre in eine
ausgewachsene Hungersnot verwandeln. In Teilen der Region sind bereits
mehr als 90 Prozent der Rinder und 65 Prozent der Schafe verendet.
Viele Bauern verwenden duerreresistente Kamele, um ihre Felder zu
pfluegen, da ihre Zugochsen verendet oder zur Arbeit zu schwach sind. Da
viele Viehzuechter die ihnen noch bleibenden Tiere verkaufen, um
Nahrungsmittel zu beschaffen, sind die Viehpreise gesunken. Eine Kuh,
die im Februar 1999 noch 400 aethiopische Birr (USD 50) kostete, kostete
im Februar dieses Jahres nur 100 Birr (USD 12). Jetzt ist es schwer,
ueberhaupt einen Kaeufer zu finden, gleich welchen Preis man bietet.
"Niemand moechte die mageren Rinder kaufen," sagte Gollo Huke, Direktor
fuer integrale Entwicklung der AeEKMY-Suedsynode.
Sollte es wieder zu normalen Niederschlaegen kommen, meinen die
MitarbeiterInnen der Hilfswerke, so werden viele Familien in diesem
Gebiet fuenf bis sieben Jahre brauchen, um ihre Herden aufzustocken.
Auch fuer die Tiere, die bis jetzt ueberlebt haben, wird der starke
Stress verhindern, dass sie in naher Zukunft Junge bekommen. Das hat zur
Folge, dass es keine Milch gibt, ein wichtiges Nahrungsmittel der
Bevoelkerung, vor allem der Kinder.
Eine Umfrage von AeEKMY-MitarbeiterInnen im Februar und Maerz 2000
ergab, dass mehr als ein Drittel der Kleinkinder in der Region
unterernaehrt ist. In mehreren Doerfern, waren die Schulen geschlossen,
da die Kinder keine Kraft zum Lernen hatten.
Stein Villumstad, Beigeordneter Generalsekretaer fuer
Strategien und Menschenrechte von Norwegian Church Aid, auch ein
ACT-Mitglied, sagte, es sei wichtig fuer die Hilfsorganisationen, den
Menschen in Borena Viehfutter sowie Nahrungsmittel zur Verfuegung zu
stellen.
"Es ist relativ leicht, Nahrungsmittel zur Verfuegung zu stellen, aber
mit den langfristigen Auswirkungen der Duerre umzugehen, ist viel
schwieriger und es ist auch viel schwieriger Mittel dafuer zu bekommen,"
sagte Villumstad. Er behauptet, dass nur 15 bis 20 Prozent der
Nothilfeprogramme "Nahrungsmittel fuer Arbeit" nennenswerte Auswirkungen
auf die langfristige Herstellungs- und Ueberlebensstrategien unter den
Viehzuechtern haben werden. "Es wird nicht genuegen, wenn
Hilfsorganisationen Nahrungsmittel fuer ein paar Monate zur Verfuegung
stellen. Wir muessen den Menschen helfen, damit sie auf lange Sicht
besser mit der Duerre fertig werden."
Der Krieg zwischen Eritrea und Aethiopien
Ein weiteres Problem bei den Bemuehungen, eine schwere Hungersnot von
Aethiopien abzuwenden, ist der gegenwaertige Krieg zwischen diesem Land
und dem Nachbarland Eritrea. Wie der Direktor der Abteilung fuer
Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB), Rudolf Hinz, der an
den Gespraechen Mitte April unter Beteiligung anderer ACT-Mitglieder
teilnahm, sagte, waere eine friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen
den beiden Laendern ein grosser Schritt fuer die Gewaehrleistung
finanzieller und materieller Verpflichtungen potentieller Spender.
Hinz sagte in einem Interview mit den lwi, dass der Krieg zwischen den
beiden afrikanischen Laendern zu den Diskussionsthemen der Sitzungen
einer Delegation des ACT-Exekutivausschusses mit anderen Partnern
gehoere. Ziel der Gespraeche sei, dem dringenden Bedarf an
Nahrungsmitteln und aerztlicher Hilfe zu entsprechen, um ein
Massensterben zu vermeiden.
Vor kurzem appellierte der LWB-Generalsekretaer, Dr. Ishmael Noko, an
Aethiopien und Eritrea, "ueber das Gebot der Politik hinaus zum Gebot
der menschlichen Not zu gehen und sowohl den Willen als auch einen Weg
zu finden, diesen Krieg zu beenden."
In einem Schreiben Anfang April an den Praesidenten Eritreas, Isaias
Afewerki, bzw. an den Ministerpraesidenten von Aethiopien, Meles Zenawi,
betonte Noko die sei langem bestehende Verpflichtung des LWB zur
Partnerschaft im Bereich humanitaerer Hilfe und Entwicklung in beiden
Laendern. Er sagte, dass die drohende Krise "den leidenden Menschen Leid
auf Leid zufuegt", die bereits die Konsequenzen des anscheinend schwer
beizulegenden Konfliktes zwischen den beiden Nationen ertragen muessen.
Noko, der die Sorge des LWB ueber die Langsamkeit der
Voelkergemeinschaft beim Katastropheneinsatz ansprach, betonte, dass der
humanitaere Imperativ, der einen ausreichenden und zeitgerechten Einsatz
fuer die Hungersnot in der Region verlange, "auch die Beendigung dieses
Krieges verlangt". Er fuegte hinzu, dass man die Verwendung enormer
Ressourcen fuer den gegenwaertigen Konflikt und Tod und Schmerz, den
dieser verursacht, nicht uebersehen koenne.
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 128 Mitgliedskirchen, denen knapp 59,5 der weltweit 63,1
Millionen Lutheraner und Lutheranerinnen in 70 Laendern angehoeren. Das
LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine
enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und
anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte,
Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und
Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "lwi"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.
***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Gr”tzsch
E-mail: dmg@lutheranworld.org
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