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LWB-Praesident Krause besuchte Ungarn und Rumaenien
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FRANK.IMHOFF@ecunet.org
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25 May 2000 15:38:15
Lutherische Minderheitenkirche haben "Perspektive der Hoffnung"
Genf, 25. Mai 2000 (LWI) - Als "Bruecke zu Europa" bezeichnete der
Praesident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Landesbischof Dr.
Christian Krause, die lutherischen Minderheitskirchen Ungarns und
Rumaeniens. Der Braunschweiger Landesbischof besuchte vom 3. bis 11. Mai
die lutherische Kirche in Ungarn sowie die ungarisch- und
deutschsprachigen Lutheraner in Rumaenien. Den lutherischen
Minderheitenkirchen werde eine "grosse Wertschaetzung" entgegengebracht,
betonte Krause nach seiner Reise. Neben dem Besuch der lutherischen
Kirchen und Gemeinden standen auch Gespraeche mit Politikern sowie
Begegnungen mit roemisch-katholischen, reformierten und orthodoxen
Kirchenvertretern auf dem Programm. Vor allem seine politischen
Gespraechspartner haetten immer wieder betont, so Krause, dass die
Kirchen fuer die Integration Ungarns und Rumaeniens in die Europaeische
Union wichtig seien und dass der christliche Glaube von entscheidender
Bedeutung fuer Europa sei.
Waehrend seines Besuches der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn
vom 3. bis 7. Mai erinnerte Krause in Gespraechen mit kirchlichen und
politischen Vertretern an die Oeffnung der Grenzen Ungarns fuer
ausreisewillige DDR-Buerger im Sommer 1989. Dies habe den Zusammenbruch
der DDR beschleunigt. "Wir Deutschen werden den Beitrag Ungarns zur
friedlichen Wende in Europa nicht vergessen", betonte Krause.
Der ungarische Bischof Bela Harmati bezeichnete die Mitgliederzahl
seiner Kirche als "praktisch stabil". Die Evangelisch-Lutherische Kirche
in Ungarn ist mit 430.000 Mitgliedern die groesste lutherische Kirche in
Zentralosteuropa, 1947 gehoerte sie zu den LWB-Gruendungsmitgliedern.
Bischof Harmati beobachtet in Ungarn einen "Hunger nach Transzendenz",
jedoch kein ausgepraegtes Interesse an der Kirche. 6,6 Millionen der
10,3 Millionen Einwohner des Landes gehoeren der roemisch-katholischen
Kirche an. Interesse an Glaubensfragen und Kirche beobachtet der Bischof
allerdings bei Einzelnen, die etwa ihre Kinder auf kirchliche Schulen
schickten und auf diese Weise wieder Kontakt zur Kirche bekaemen. Die
lutherische Kirche unterhaelt seit Anfang der neunziger Jahre wieder
zwei Gymnasien in Budapest.
LWB-Praesident Krause erinnerte bei seinem Besuch an die Vollversammlung
des Lutherischen Weltbundes 1984 in Budapest, die erstmals in einem Land
des damaligen Ostblocks habe stattfinden koennen. Damals war der
ungarische lutherische Bischof Zoltan Kaldy zum Praesidenten des
Weltbundes gewaehlt worden, der jedoch 1987 starb. Bereits 1523 fasste
die Reformation in Ungarn Fuss, sechs Jahre nach Martin Luthers
Thesenanschlag.
Waehrend seines Ungarnbesuches traf der LWB-Praesident auch mit dem
ungarischen Ministerpraesidenten Victor Orban (Budapest) zusammen. Orban
zeigte sich ueberrascht, dass in der westlichen Welt das Christentum an
Bedeutung verliere. Krause bestaetigte, dass der christliche Glaube
"keine oeffentliche Selbstverstaendlichkeit" mehr sei. So gebe es in der
Politik immer wieder Bestrebungen, den Gottesbezug aus der Praeambel des
Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu streichen. Zudem wuerden
Politiker bei Uebernahme ihrer Aufgaben auf die Anrufung Gottes im
Amtseid verzichten. Victor Orban betonte, er sei in Ungarn der erste
Ministerpraesident gewesen, der den Eid mit "so wahr mir Gott helfe"
bekraeftigt habe. Orban unterstrich, dass die Kirchen in
Zentralosteuropa nach dem Zusammenbruch des Kommunismus eine "hohe
Bedeutung" fuer das zusammenwachsende Europa haetten. Ueberdies halte er
es fuer "richtig und wichtig", dass den Kirchen enteigneter Besitz
wieder zurueckgegeben werde.
Die Frage nach den christlichen Werten wird nach Einschaetzung von
LWB-Praesident Krause in den Laendern Zentralosteuropas intensiver
gestellt als in Westeuropa. Dies gelte auch fuer Politiker, bilanzierte
Krause seine Reisen, die ihn in den letzten drei Jahren u.a. nach
Tschechien, Slowenien, in die Slowakei, Anfang April 2000 nach Polen und
jetzt nach Ungarn und Rumaenien fuehrten. Die Menschen wuessten noch, so
der LWB-Praesident, "wie kostbar das Evangelium ist".
Auf die gute Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche verwies der
ungarische Staatssekretaer fuer Kirchenfragen, Zsolt Semjen. Durch ihre
Schulen und das diakonische Engagement haetten sich insbesondere die
Lutheraner "gesellschaftlichen Respekt" erworben. Das Staatssekretariat
fuer Kirchenfragen sei nach der Wende in Ungarn kein Kontrollorgan mehr,
sondern eine Verbindungsstelle zu den Kirchen, die deren Autonomie
respektiere. Semjen betonte, dass die Beziehungen zwischen Staat und
Kirche vertraglich geregelt seien und die Kirchen entsprechend ihrer
Mitgliederzahl ein Prozent der Einkommensteuer erhielten. Die Rueckgabe
der kirchlichen Immobilien werde bis 2011 abgeschlossen sein.
Der Staatssekretaer stellte die Bedeutung der Kirchen fuer Europa
heraus. "Man kann kein Europaeer sein, ohne die Bibel zu kennen", so
Semjen woertlich. LWB-Praesident Krause wies darauf hin, dass sich
Europa nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch als Kulturgemeinschaft
begreifen muesse. Von einer allgemeinen Wertedebatte halte er jedoch
nichts. "Werte ohne Wurzeln tragen nicht", so Krause. Deshalb sei es im
Blick auf die Neugestaltung Europas wichtig, "dass Werte gelten, die im
Christentum wurzeln". Die Christen seien der erste "global player"
gewesen. Sie muessten sich dafuer einsetzen, dass einer "Globalisierung
der Macht" eine "Solidaritaet mit den Schwachen", verbunden mit dem
Einsatz fuer Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schoepfung,
entgegengesetzt werde.
Landesbischof Krause traf auch mit Kardinal Laszlo Paskai, Erzbischof
von Budapest, zusammen. Beide wuerdigten die Gemeinsame Erklaerung zur
Rechtfertigungslehre, die am 31. Oktober 1999 vom Lutherischen Weltbund
und der roemisch-katholischen Kirche feierlich bestaetigt wurde, als
"historisches Ereignis", das die Beziehungen zwischen Lutheranern und
Katholiken auf eine neue Ebene stelle. Kardinal Paskai sieht in der
Verstaendigung ueber die Rechtfertigungslehre - an diesem Thema
entzuendete sich die Reformation Luthers - ein "Dokument der
Versoehnung". Krause trat dafuer ein, dass der Gemeinsamen Erklaerung
bald weitere Schritte folgen. Unter anderem forderte er die katholische
Kirche auf, auch evangelische Christen an der katholischen
Eucharistiefeier zuzulassen. Umgekehrt sei es laengst Praxis, dass
Katholiken am evangelischen Abendmahl teilnehmen koennten. Die gastweise
wechselseitige Teilnahme am Abendmahl ist nach Krauses Worten ein erster
Schritt auf dem Weg zur vollen Abendmahlsgemeinschaft, er sei schon
jetzt moeglich. Der LWB-Praesident zeigte sich ueberzeugt, dass die
Zukunft des Christentums eine oekumenische sei.
In Rumaenien besuchte Krause u.a. die ungarischsprachige lutherische
Kirche, die rund 35.000 Mitglieder zaehlt und in Klausenburg ihre
Zentrale hat. Die Synodal-Presbyteriale Evangelisch-Lutherische Kirche
Augsburgischen Bekenntnisses in Rumaenien wurde 1921 gegruendet und war
zunaechst Teil der lutherischen Kirche in Ungarn. Nach dem Zweiten
Weltkrieg wurde sie selbstaendig. Ihr Bischof, Arpad Mozes, bekraeftigte
gegenueber Krause, dass die Mitglieder seiner Kirche im Lande bleiben
wollten. "Wir sehen unsere Zukunft in Rumaenien", so Mozes woertlich.
Inzwischen habe die rumaenische Regierung die Kirchen gebeten, die
Aufnahme des Landes in die Europaeische Union zu unterstuetzen. Dazu
sei, so Bischof Mozes, seine Kirche auch "grundsaetzlich" bereit.
Allerdings erwarte man die Rueckgabe enteigneten kirchlichen Besitzes
rascher und in groesserem Umfang als der Staat bislang dazu bereit sei.
Mozes erlaeuterte, dass seine Kirche im Osten Siebenbuergens, in Sfintu
Gheorge, mit Unterstuetzung des LWB ein neues Gotteshaus fuer die mehr
als 1.000 Mitglieder zaehlende Gemeinde habe bauen koennen. Allerdings
brauche man kuenftig auch Grundschulen, um die religioese und
sprachliche Identitaet bewahren zu koennen. Bischof Mozes wies auch auf
die Verschlechterung des oekumenischen Klimas in Rumaenien nach dem
politischen Umbruch 1989 hin. So werde die orthodoxe Kirche, zu der die
Bevoelkerungsmehrheit gehoere, derart massiv durch den Staat
unterstuetzt, dass sie allein in Siebenbuergen in den letzten zehn
Jahren 1.300 neue Kirchen habe bauen koennen.
Waehrend eines Gottesdienstes in Sfintu Gheorge bezeichnete
LWB-Praesident Krause die ungarischsprachigen Lutheraner als eine
"mutige Kirche", die in schwierigen Verhaeltnissen auszuharren bereit
gewesen sei und das "Leiden fuer den Glauben" auf sich genommen haette.
Vom 9. bis 11. Mai besuchte LWB-Praesident Krause die Evangelische
Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumaenien. Trotz des dramatischen
Mitgliederverlusts in Folge der Auswanderung sieht Krause eine
"Perspektive der Hoffnung" fuer die deutschsprachige lutherische Kirche
in Siebenbuergen, die er als "Minderheit mit Zukunft" bezeichnete. Nach
Angaben ihres Bischofs Christoph Klein zaehlt die Kirche gegenwaertig
noch 16.000 Mitglieder. Vor der politischen Wende im Jahr 1989 seien es
mehr als 100.000 gewesen. Nach Gemeindebesuchen und Gespraechen mit
PfarrerInnen zeigte sich Krause ueberzeugt, dass die Lutheraner
Siebenbuergens die immer noch zu spuerende Bitterkeit und Traurigkeit
ueber die Entwicklung der letzten zehn Jahre ueberwinden werden. Es
werde eine neue Theologengeneration heranwachsen, die mit Zuversicht in
die Zukunft schaue, so Krause.
Grund fuer diesen Optimismus gibt die Tatsache, dass heute allein in
Sibiu (Hermannstadt) rund 2.000 Kinder den evangelischen
Religionsunterricht besuchen, obwohl die Gemeinde der Stadt nur noch
1.700 Mitglieder hat. Nach einem weiteren Mitgliederrueckgang in den
naechsten fuenf Jahren wird jedoch mit einem Anstieg der Zahl der
Glaeubigen gerechnet. Im Blick auf die kuenftige Nutzung und die
Erhaltung der historischen evangelischen Kirchenburgen in Siebenbuergen
regte Krause an, geistliche Gemeinschaften und Kommunitaeten
anzusiedeln. Auf diese Weise koennten neue geistliche Gemeinschaften
entstehen, die die missionarisch-diakonischen Aufgaben der Kirche
unterstuetzen.
"Wir werden eine Kirche deutscher Tradition bleiben", erlaeuterte
Bischof Klein die Ueberlegungen der Evangelischen Kirche Augsburgischen
Bekenntnisses in Rumaenien, "weil dies unsere Herkunft ist." Durch die
wachsende Oeffnung gegenueber dem Umfeld werde sich die Kirche aber
veraendern. Schon heute sei es ueblich, im Gottesdienst und etwa bei
Taufen und Trauungen zweisprachig zu arbeiten. Bis 1992 habe die
lutherische Kirche ihren Unterhalt aus eigenen Kraeften bestreiten
koennen, was heute nicht mehr moeglich sei. Die Versorgung der Gemeinden
mit PfarrerInnen bezeichnete Klein als gut. Seit 1995 wuerden pro Jahr
durchschnittlich zwei TheologInnen ordiniert, so dass die pastorale
Versorgung aus eigenen Kraeften gesichert sei.
Bischof Klein wuerdigte die Unterstuetzung seiner Kirche durch den
Lutherischen Weltbund. Der LWB habe die Beziehungen zum Ausland
ermoeglicht und durch Stipendien und Bauprojekte vielfaeltige
Unterstuetzung geleistet. So habe der LWB in den letzten Monaten die
lutherische Kirche mit 55.000 US-Dollar unterstuetzt, um Opfern der
Hochwasser-Katastrophe zu helfen. Im Auftrag der
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig ueberreichte
Krause 20.000 Mark fuer Nothilfemassnahmen der Siebenbuerger Kirche.
(Dieser Artikel basiert auf Angaben von Udo Hahn, Pressesprecher des
Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes.)
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 128 Mitgliedskirchen, denen knapp 59,5 der weltweit 63,1
Millionen Lutheraner und Lutheranerinnen in 70 Laendern angehoeren. Das
LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine
enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und
anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte,
Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und
Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "lwi"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.
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Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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