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Oekumenisches Team beklagt geringe Fortschritte nach Weltsozialgipfel 1995
From
"Frank Imhoff" <franki@elca.org>
Date
30 Jun 2000 05:42:39
Genf 2000: Fuenf Jahre nach Kopenhagen - aendert euer Herz
Genf, 29. Juni 2000 (LWI) - Fuenf Jahre nach dem Weltsozialgipfel in
Kopenhagen habe sich die soziooekonomische Lage der Weltbevoelkerung
nicht verbessert, sondern verschlechtert, so lautet das Urteil eines
Oekumenischen Teams, das am Montag, 26. Juni, in Genf eine muendliche
Erklaerung abgab. Trotz der weltweiten grossen Zunahme des Reichtums
habe sich die Realitaet fuer viele dramatisch verschlechtert. So
haetten wenige in den letzten fuenf Jahren weiterhin uebermaessigen
Reichtum angehaeuft, waehrend viele ihre Grundbeduerfnisse immer noch
nicht befriedigen koennten und staendig um ein Ueberleben in Wuerde
und Hoffnung kaempfen muessten.
Das vom Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) in Zusammenarbeit mit
dem Lutherischen Weltbund (LWB) unterstuetzte und koordinierte
Oekumenische Team nimmt an der zur Zeit in Genf stattfindenden
Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen teil, die
die Umsetzung der Verpflichtungen des Weltgipfels ueber soziale
Entwicklung und weitere Initiativen vor fuenf Jahren in Kopenhagen,
Daenemark, auswertet. Aufgabe des Oekumenischen Teams ist, den
Sondergipfel kritisch zu begleiten und die Position der Kirchen zu
Fragen der sozialen Entwicklung einzubringen. Das Team vertritt
globale Netzwerke des OeRK, Mitgliedskirchen, religioese Gruppen und
Partnerorganisationen.
In einer lebhaften Praesentation am Montag im Oekumenischen Zentrum
in Genf, in der auch das Lied *Change of Heart"(aendert euer Herz)
gesungen wurde, stellte das Team fest, dass heute, fuenf Jahre
nachdem die Regierungen und Staaten der Welt in Kopenhagen
zusammengekommen waren, um die soziooekonomische Lage zu verbessern,
sich die Armut unter dem Joch der Marktideologie verdreifacht habe
und Globalisierung und Fusionen von transnationalen Konzernen zur
Ausbeutung der Armen fuehre.
Das Team, das sich waehrend der Sondertagung der
UN-Generalversammlung vom 26. bis 30. Juni und der Sitzungen der
Zivilgesellschaft mit vielen Fragen und Aspekten der sozialen
Entwicklung befassen wird, ruft zur *Aenderung der Herzen" gegenueber
den Armen und Verschuldeten und denjenigen auf, die als Ware
behandelt werden. Weiterhin fordern die VertreterInnen des
Oekumenischen Teams, die Verpflichtungen des in Kopenhagen 1995
angenommenen Aktionsplans zu testen, um fuer Transparenz und
Rechenschaftspflicht sowie Neuverteilung von Macht und Reichtum zu
garantieren.
In seiner Begruessungsansprache an das Oekumenische Team hat der
Generalsekretaer des LWB, Dr. Ishmael Noko, die staendige
Verpflichtung des Weltbundes zu den in der Erklaerung von Kopenhagen
und den Aktionsprogrammen enthaltenen Zielen bestaetigt. Diese Ziele
wuerden zunehmend in den Projekten und Programmen reflektiert, die
der LWB unterstuetze. Die Verpflichtungen, die so viele Staats- und
Regierungschefs1995 uebernommen haetten, seien zwar zum Grossteil
nicht umgesetzt worden, so Noko, trotzdem sei er ueberzeugt, dass die
Verpflichtungen von Kopenhagen eine unerlaessliche Basis und Norm
darstellten, mit deren Hilfe Regierungen und die Voelkergemeinschaft
zur Rechenschaft gezogen werden muessten.
Noko unterstrich die Hauptanliegen, fuer die sich das Oekumenische
Team engagiere, und hob hervor, dass die Kirchen,
Glaubensgemeinschaften und die Zivilgesellschaft weiterhin eine
soziale Entwicklung anstreben und einfordern wuerden, auch wenn die
Regierungen ihre Verpflichtungen nicht einhielten.
Vor seiner Ankunft in Genf hat sich das Oekumenische Team an einer
Reihe von Sitzungen zur Vorbereitung der UN-Sondertagung fuer soziale
Entwicklung beteiligt, die kurz mit *Genf 2000" bezeichnet wird. Das
Team plant, Expertenstimmen aus den verschiedenen Regionen in die
UN-Debatte einzubringen.
Im Folgenden finden Sie den vollstaendigen Text der muendlichen
Erklaerung des Oekumenischen Teams vom 26. Juni 2000 in Genf:
JETZT IST DIE ZEIT
Muendliche Erklaerung am 26. Juni 2000
vor dem Plenarausschuss der Sondertagung der UN-Generalversammlung
ueber die Umsetzung der Ergebnisse des Weltgipfels fuer soziale
Entwicklung und weitere Initiativen, Genf
Ich (Judy Williams, Grenada) spreche zu Ihnen im Namen des
Oekumenischen Teams, das vom Oekumenischen Rat der Kirchen
koordiniert wird. In Partnerschaft mit vielen anderen haben wir die
Reise von Kopenhagen 1995 nach Genf 2000 unternommen. Wir befinden
uns heute an einem kritischen Punkt des Umsetzungsprozesses der von
den Regierungen der Welt in Kopenhagen eingegangenen Verpflichtungen.
Aus unserer Glaubensperspektive heraus sind die Beseitigung der
Armut, Vollbeschaeftigung und soziale Integration von entscheidender
Bedeutung. Zu unserer Erlassjahr-Vision gehoeren bestandfaehige,
gerechte und partizipatorische Gemeinschaften und eine
interdependente Welt, in der wir Verantwortung fuereinander teilen.
Wir kommen nach Genf 2000 mit einem Gefuehl grosser Enttaeuschung.
Die bisherigen Bemuehungen um eine Umsetzung der Kopenhagener
Erklaerung und des Aktionsprogramms haben die Situation von Millionen
von Menschen auf der Welt weder umgekehrt noch wesentlich verbessert.
Trotz der weltweiten grossen Zunahme des Reichtums hat sich die
Realitaet fuer viele dramatisch verschlechtert. In den letzten fuenf
Jahren haben die wenigen weiterhin uebermaessigen Reichtum
angehaeuft, waehrend viele ihre Grundbeduerfnisse immer noch nicht
befriedigen koennen und staendig um ein Ueberleben in Wuerde und
Hoffnung kaempfen muessen.
Wir halten die Abwesenheit einer betraechtlichen Zahl von Regierungs-
und Staatschefs auf dieser Sondersitzung fuer beunruhigend. Ist das
ein Zeichen dafuer, dass die Regierungen ihre Verantwortung
aufgegeben haben? Macht es das Ausmass deutlich, in dem die Kraefte
der Globalisierung die Macht von Regierungen usurpiert haben, im
Interesse ihre Staatsbuergerinnen und Staatsbuerger zu handeln? Sind
Regierungen Geiseln der Marktkraefte und dazu gezwungen worden, die
soziale Entwicklung aus ihren zentralen grundsatzpolitischen
Programmen zu streichen?
Weltweit rufen Menschen ihre Regierungen und politischen
Fuehrungskraefte auf, sich zu erheben und *Nein" zu sagen - nein zu
der Aufzwingung der Globalisierung, die es den Maerkten erlaubt,
ueber Leben und Tod so vieler Menschen zu entscheiden; nein zur
Privatisierung von Waren und Dienstleistungen, die fuer die Erhaltung
des Lebens notwendig sind; nein zur Illusion *freier" Maerkte, die zu
einer Konzentration des Reichtums und zum Abbau der oeffentlichen
Rechenschaftspflicht und der sozialen Verantwortung fuehren.
Massgebliche Stimmen in der internationalen Gemeinschaft stellen ein
Marktsystem in Frage, das die Kluft zwischen Arm und Reich
vergroessert, die Demokratie laehmt, die kulturelle Vielfalt
untergraebt und die Artenvielfalt sowie die natuerlichen Ressourcen
bedroht, von denen das Leben so, wie wir es kennen und lieben,
abhaengig ist. Die Menschen kennen den wichtigen Unterschied zwischen
einem Wachstum, das gerechte und bestandfaehige Gemeinschaften
foerdert, und einem Wachstum, das soziale Ungleichheit und
Umweltzerstoerung verschlimmert.
Jetzt ist die Zeit, dass Menschen, Regierungen und die Vereinten
Nationen eine klare Erlassjahr-Vision einfordern und mutig deren
Verwirklichung in Angriff nehmen - die Vision einer weltweiten
Gemeinschaft, deren Interdependenz nicht auf Handel und Maerkte
reduziert ist. Das erfordert eine veraenderte Einstellung, die
anerkennt, dass echte Werte nicht in Geld ausgedrueckt werden koennen
und dass das Leben in seinen vielen Formen nicht in eine Ware
umgewandelt werden kann. Die Wirtschaft sollte dem Wohlergehen der
Menschen dienen, und nicht die Menschen im Dienst der Wirtschaft
stehen. Diese ethisch-moralische Vision unterstreicht das Recht aller
Menschen - und vor allem der Ausgegrenzten -, an den wirtschaftlichen
Gegebenheiten teilzuhaben, die sich auf ihr Leben auswirken. Das
hoechste Ziel aller wirtschaftlichen Taetigkeit besteht darin,
bestandfaehige und gerechte Gemeinschaften zu foerdern. Der Aufbau
solcher Gemeinschaften erfordert nichts weniger als grossen
moralischen Mut und nachdrueckliches politisches Handeln.
Die Dringlichkeit der Situation und die Erlassjahr-Vision von
bestandfaehigen und gerechten Gemeinschaften veranlassen uns dazu,
noch einmal zu grundlegenden Veraenderungen aufzurufen. Wir fordern
neue Finanzinstitutionen und -systeme, die die Belange der
Entwicklungslaender beruecksichtigen und sicherstellen, dass diese
die Ausrichtung von internationalen Finanzinstitutionen und
Handelssystemen mitbestimmen koennen. Wir fordern eine staerkere
Fuehrungsrolle der Vereinten Nationen durch den Wirtschafts- und
Sozialrat (ECOSOC) bei der Definition von Politik und
Rechenschaftspflicht von internationalen Waehrungs-, Finanz- und
Handelseinrichtungen und bei der Ueberwachung ihrer Praktiken. Wir
unterstuetzen die Erhebung von Steuern auf Devisengeschaefte. Wir
bekraeftigen erneut die Notwendigkeit verbindlicher Verhaltenskodizes
fuer transnationale Konzerne sowie Finanz- und
Investitionseinrichtungen, um zu gewaehrleisten, dass diese fuer die
sozialen und oekologischen Folgen ihrer Taetigkeiten
rechenschaftspflichtig und verantwortlich gemacht werden. Die
Regierungen muessen die rechtmaessige Rolle von
Nichtregierungsorganisationen und Buergerbewegungen bei der Planung,
Foerderung und Ueberwachung der sozialen Entwicklung voll
unterstuetzen. Und schliesslich wiederholen wir unseren
grundsaetzlichen Widerstand gegen Vorschlaege fuer eine verstaerkte
HIPC-Initiative (Vorschlag zur Entlastung hoch verschuldeter armer
Laender). Der Schuldenerlass ist ein Gebot des Erlassjahres. Die
Regierungen der Welt muessen politische Massnahmen ergreifen, um die
Schuld zu erlassen - und zwar jetzt.
Jetzt ist die Zeit, dass Regierungen ihre grundlegende Verantwortung
fuer die soziale Entwicklung anerkennen und politische Massnahmen
ergreifen, um die in Kopenhagen eingegangenen Verpflichtungen zu
erfuellen. Jetzt ist die Zeit, dass die in Genf 2000 vertretenen
Regierungen ihre Einstellung aendern, sich zu wahrhaft globaler
Solidaritaet verpflichten und sich mutig und entschlossen den
dringenden sozialen Problemen unserer Zeit zuwenden. Jetzt ist die
Zeit, dass die Vereinten Nationen ihre rechtmaessige Rolle beim
Aufbau einer Welt einfordern und erhalten, in der soziale
Gerechtigkeit und die soziale Entwicklung aller Menschen
gewaehrleistet ist. Jetzt ist die Zeit fuer eine Oekonomie des Lebens
und eine Politik der Hoffnung. Diejenigen, die von Ihrem Handeln
abhaengig sind, koennen nicht laenger warten.
Oekumenisches Team
Genf
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist ein Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 131 Mitgliedskirchen, denen knapp 59,5 der weltweit 63,1
Millionen LutheranerInnen in 72 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt
als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen
Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die
mit "lwi" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
Quellenangabe abgedruckt werden.
***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
E-mail: dmg@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/
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