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Team wird zweiten Wahlgang in Haiti nicht beobachten


From "Frank Imhoff" <franki@elca.org>
Date 06 Jul 2000 07:52:46

Internationales oekumenisches Team wird zweiten Wahlgang in Haiti
nicht beobachten

Port-au-Prince, (Haiti)/Genf, 6. Juli 2000 (LWI) - Das international
zusammengesetzte oekumenische Team von WahlbeobachterInnen, das in
Haiti die Abstimmung vom Mai begleitete, wird bei dem fuer Sonntag,
9. Juli 2000, angesetzten zweiten Wahlgang nicht mehr aktiv sein.

Mitglieder des oekumenischen Teams, das vom Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und dem Lutherischen Weltbund (LWB) gemeinsam entsandt
wurde, teilten mit, dass sie den zweiten Wahlgang nicht beobachten
werden, nachdem sie bei den am 21. Mai 2000 abgehaltenen Kommunal-
und Parlamentswahlen Unregelmaessigkeiten und Spannungen festgestellt
hatten. Die 13 aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz stammenden
Mitglieder des Teams moechten jedoch fuer den Fall, dass sich die
Situation aendern sollte, "die Tuere offen lassen".

Die internationale Gemeinschaft sowie religioese Gruppen und die
Zivilgesellschaft in Haiti selbst hatten die Ergebnisse des ersten
Wahlgangs im Mai in diesem karibischen Land, zu dessen Gewinner die
Partei des ehemaligen Praesidenten Jean-Bertrand Aristide erklaert
worden war, weithin abgelehnt und als unfair bezeichnet.

In einer Erklaerung vom 24. Juni stellten 17 Organisationen, u.a. der
Bund protestantischer Kirchen in Haiti, die roemisch-katholische
Bischofskonferenz, die nationale Handelskammer und der
Unternehmerverband, fest, dass sie ein solches Ergebnis, das weder
dem Wahlgesetz noch allgemein anerkannten Normen entspreche, nicht
akzeptieren koennten. Die Oppositionsparteien erklaerten, dass sie
sich am zweiten Wahlgang nicht beteiligen werden. Frankreich, die
Vereinigten Staaten von Amerika und die Organisation amerikanischer
Staaten (OAS) haben den Wahlhergang ebenfalls scharf kritisiert und
die Gueltigkeit des Abstimmungsergebnisses der ersten Runde in Frage
gestellt.

Es ist bisher noch nicht klar, ob die Wahlbeobachtungsmission der
OAS, in die das Team von OeRK und LWB eingebunden war, auch den
zweiten Wahlgang ueberwachen wird.

Es folgt der vollstaendige Text der von den oekumenischen
BeobachterInnen zum Wahlhergang am 21. Mai abgegebenen Erklaerung:

ERKLAERUNG DER OEKUMENISCHEN WAHLBEOBACHTERINNEN

Eine Gruppe von dreizehn BeobachterInnen aus der Schweiz, Frankreich,
Deutschland und den Vereinigten Staaten ist nach Haiti gereist, um
dort den Verlauf der Wahlen zu ueberwachen.

Ihre Praesenz bringt zum Ausdruck, dass sich die weltweite
Gemeinschaft christlicher Kirchen fuer die haitianische Bevoelkerung
interessiert und mit ihr solidarisch ist im Blick auf den wichtigen
Schritt im Demokratisierungsprozess, der mit diesen Wahlen getan
wird.

Aus praktischen Erwaegungen wurden diese WahlbeobachterInnen im
Rahmen der Beobachtungsmission der Organisation amerikanischer
Staaten (OAS) in den Departements Ouest, Artibonite, Centre, Sud,
Nord Est und Grand'Anse eingesetzt und die Zusammenarbeit mit den
RegionalvertreterInnen der OAS gestaltete sich sehr positiv. Fuer die
vorliegende Erklaerung haben jedoch nur die dreizehn unterzeichnenden
oekumenischen BeobachterInnen die Verantwortung.

Wir haben die offensichtliche Entschlossenheit der haitianischen
WaehlerInnen bewundert, sich trotz der komplizierten Situation und
der materiellen und technischen Schwierigkeiten, die eine strikte
Einhaltung der Wahlgesetze praktisch unmoeglich machten, an den
Wahlen zu beteiligen.

Wir nahmen auch die Anwesenheit vieler nationaler BeobachterInnen und
offizieller VertreterInnen verschiedener Parteien in den Wahllokalen
zur Kenntnis. Wir weisen besonders auf die verantwortungsvolle und
buergerschaftliche Haltung des oft unzureichend ausgebildeten
Personals in einer Mehrheit der von uns ueberwachten Wahllokale hin.
Das Engagement dieser Menschen ermoeglichte einen zufriedenstellenden
Ablauf der Wahlen in diesen Lokalen.

In einigen Wahllokalen haben wir jedoch gewisse Unregelmaessigkeiten
beobachtet: es wurde Druck auf WaehlerInnen ausgeuebt,
Einschuechterungsversuche wurden unternommen, und die Geheimhaltung
der Stimmabgabe wurde nicht gewaehrleistet. Das Auszaehlen der
Stimmen geschah unter besonders schwierigen Bedingungen (lange Dauer,
schlechte Beleuchtung, raeumliche Enge, Ermuedung der Auszaehlenden,
Abwesenheit oder Ausschluss offizieller VertreterInnen) und es wurden
Unregelmaessigkeiten festgestellt, besonders hinsichtlich der
Protokolle (Unvollstaendigkeit, fehlende Unterschrift, nicht vor Ort
abgefasst).

Der Transport der Ergebnisse in die Bezirkswahlbueros wurde von uns
nicht ueberwacht, das gleiche gilt weitgehend fuer die Aufstellung
der Ergebnisse, die allgemein nicht innerhalb der gesetzlichen Frist
von 48 Stunden abgeschlossen wurde.

Von der Phase der Aufstellung der Wahlergebnisse an wurde die
Beobachtung stark erschwert, da die meisten von uns besuchten
Bezirkswahlbueros sehr unorganisiert arbeiteten.

Am Tag nach den Wahlen verschlechterte sich das Klima an
verschiedenen Orten, und die Spannungen nahmen erheblich zu
(Festnahmen von KandidatInnen, Demonstrationen, Gewaltakte,
Polizeimassnahmen).

Unter diesen Bedingungen erscheint es uns verfrueht, das Ausmass und
die Folgen der beobachteten Unregelmaessigkeiten bewerten zu wollen;
eine genaue Ueberpruefung nach Departements, unter Einbeziehung aller
Wahllokale, ist unerlaesslich.

Der vorlaeufige Wahlrat, die staatlichen Behoerden, die Parteien, die
Buergergesellschaft, alle Akteure im Wahlprozess und die
VertreterInnen der internationalen Gemeinschaft haben die Pflicht, in
ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich sicherzustellen, dass die
Achtung aller Regeln der Demokratie gewaehrleistet ist.

Der Wille aller WaehlerInnen muss geachtet werden.

Port-au-Prince, 27. Mai 2000

Fuer weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Karin Achtelstetter, Media Relations Officer, OERK
E-Mail: ka@wcc-coe.org; 
Tel: +41.22.791 6153, Funktel: +41.79.284 5212

*       *       *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 131 Mitgliedskirchen, denen knapp 59,5 der weltweit 63,1
Millionen LutheranerInnen in 72 Laendern angehoeren. Das
LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine
enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und
anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z.
B. oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions-
und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die
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***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Grötzsch
E-mail: dmg@lutheranworld.org
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