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Gen-Forschung nach ethischen Prinzipien


From APD <APD_Info_Schweiz@compuserve.com>
Date 23 Jul 2000 00:52:20

23. Juli 2000
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schaeffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz

Gen-Forschung nach ethischen Prinzipien

Silver Spring, Maryland/USA.   Der Verwaltungsausschuss der 
adventistischen Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) in 
Silver Spring, Maryland/USA, hat "Eine  Stellungnahme der 
Siebenten-Tags-Adventisten zur menschlichen Gentherapie" 
verabschiedet. Darin heisst es, dass Christen eine 
moralische Verantwortung hätten, die potentiellen Möglichkeiten 
der Gentherapie "zu erkennen, ihre biologischen und genetischen 
Gefahren zu verstehen und ihren Missbrauch zu vermeiden". 

Bei Entscheidungen auf diesem Gebiet sollten Adventisten sich 
von "biblischen Grundsätzen" leiten lassen. Dazu gehörten 
"Leiden zu lindern und Leben zu erhalten". Sollte die Gentherapie 
in der Lage sein, Erbkrankheiten zu vermeiden und die 
Gesundheit 
wiederherzustellen, könnte sie genutzt werden. Allerdings seien 
dabei die Risiken eines genetischen Eingriffs sorgfältig 
abzuwägen. Da der Mensch zu Gottes Ebenbild geschaffen sei, 
gelte es bei jedem Eingriff in das menschliche Erbgut, "grösste 
Vorsicht" walten zu lassen. Weil Gott grossen Wert auf die 
Freiheit des Menschen lege, seien alle genetischen Veränderungen 
abzulehnen, "welche die Fähigkeiten eines Individuums 
begrenzen, seine Beteiligung in der Gesellschaft einschränken und 
seine Selbständigkeit oder persönliche Freiheit untergraben". Da 
Gott die Menschen mit Intelligenz und Kreativität ausgestattet 
habe, erwarte er von ihnen Verantwortung gegenüber seiner 
Schöpfung und wachsendes Verständnis der Lebensprinzipien 
einschliesslich ihrer eigenen Körperfunktionen. Deshalb seien die 
von ethischen Prinzipien geleitete Forschung und die Prüfung der 
menschlichen Gentherapie zu begrüssen.			

Vollständiger Wortlaut der Stellungnahme:

Eine Stellungnahme der Siebenten-Tags-Adventisten zur
menschlichen Gentherapie

Einführung

	Jüngste Fortschritte in Medizin und genetischer 
Technologie machen es möglich, durch Veränderung des 
Erbmaterials in den Zellen des Betroffenen menschliche 
Krankheiten zu behandeln. Obwohl die Methoden des 
aufkommenden Bereichs der genetischen Medizin sich noch in der 
Entwicklung befinden, weisen das Tempo der klinischen Versuche 
und die jüngsten Fortschritte darauf  hin, dass die Gentherapie 
sich zu einer geläufigen und vielseitig verwendbaren Möglichkeit 
in 
der Medizin entwickeln wird. Diese Aussicht unterstreicht die 
Notwendigkeit für Christen, die moralischen Grundsätze ihres 
Glaubens zu erkennen und zum Massstab für die Anwendung der 
menschlichen Gentherapie zu machen.

Allgemeine Beschreibung

	Die Gentherapie verwendet DNS (Desoxyribonukleinsäure) 
oder RNS (Ribonukleinsäure), also chemische Substanzen, aus 
welchen die Erbmasse besteht, um vererbte Fehler sowie 
erworbene Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Die 
therapeutische Erbmasse kann als Ersatz defekter Gene in den 
Zellen der Patienten verwendet werden oder dient dem Ziel, 
zusätzliche genetische Informationen zu liefern, um die Funktion 
normaler Gene zu regulieren. Das DNS kann praktisch von Tieren, 
Pflanzen, Mikroben und Viren stammen oder aber synthetisch 
produziert werden. Die Wirkung des eingeführten Materials kann 
vorübergehend oder dauernd sein. Oft können die Ergebnisse 
einer Gentherapie auf keinem anderen Weg erreicht werden. 
Anfänglich zog man nur ziemlich ungewöhnliche Erbkrankheiten 
für eine Gentherapie in Betracht. Anschliessend richtete sich die 
Aufmerksamkeit auf die Gentherapie alltäglicher Leiden, wie 
Krebs, Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Diabetes usw.

	Das technische Hindernis, welches der nutzvollen 
Anwendung der Gentherapie entgegenstand, war das Fehlen 
machbarer Wege, um die Gene in eine grosse Anzahl 
entsprechender Zellen einzuführen. In den meisten klinischen 
Versuchen verwendet man Viren als "Überträger" oder 
"Hilfsmittel", um das neue DNS zu befördern, weil Viren 
ausserordentlich wirksam sind, Zellen mit ihren eigenen Genen zu 
infizieren. Typischerweise werden einem Überträgervirus 
diejenigen Gene, die sich in den Wirtszellen vermehren oder sie 
schädigen würden, entfernt und durch die therapeutischen Gene 
ersetzt. Adenoviren (kalte Viren), Retroviren (mit HIV verwandt), 
Adeno-beigeordnete Viren (kleine Viren von denen man nicht 
weiss, ob sie Krankheiten verursachen), Herpesviren und andere 
wurden in verschiedenen Fällen verwendet. Alle Virusarten 
besitzen Eigenschaften, die ihre Verwendbarkeit einschränken, 
und oft ist ihre Anwendung mit einem medizinischen Risiko 
verbunden. Man kann auch andere Methoden entwickeln, die 
keine Viren erfordern, um Gene in Zellen einzuführen, jedoch sind 
nicht-virale Methoden im allgemeinen weniger wirksam.

Somatische (Körperliche) Gentherapie

	Die Kategorien der Gentherapie werden durch die 
Vererbbarkeit der Veränderungen, die sie verursachen, bestimmt. 
Somatische Gentherapie verändert die Gene irgendwelcher 
Körperzellen  ausser den Keimzellen. Viele verschiedene Organe 
wurden als Ziele vorgeschlagen - Knochenmark, Leber, Muskel, 
Haut, Lunge, Blutgefässe, Herz, Gehirn. Die somatische Therapie 
vermeidet jedoch bewusst, genetische Veränderungen zu 
verursachen, die auf die Nachkommen des Patienten übertragen 
werden könnten. Demzufolge hat diese Art der Therapie dasselbe 
Ziel wie die herkömmliche Medizin - das Leben des Patienten zu 
retten oder sein Leiden zu lindern.

	Die somatische Gentherapie wird in zwei Unterklassen 
geteilt je nachdem, wie die neuen Gene in die Zelle eingeführt 
werden. In vielen Situationen werden zuerst Zellen vom Patienten 
entfernt und dann im Labor behandelt, ein Verfahren, das man oft 
als ex vivo Gentherapie bezeichnet. Nach ihrer genetischen 
Veränderung werden die Zellen dem Patienten in der Hoffnung 
wieder zurückgeführt, dass sie sich in dem Zielgewebe in 
ausreichender Anzahl ansiedeln, um die erwünschte Wirkung zu 
vollbringen. Da ex vivo Verfahren  individuell für jeden Einzelnen 
gestaltet werden müssen, sind sie arbeitsintensiv und teuer. Zur 
Zeit arbeitet man an dem Ziel, genetische Veränderung in vivo zu 
vollbringen, indem man therapeutische Gene direkt dem 
Patienten 
einbringt. Zur Zeit ist keine verfügbare Überbringungsmethode in 
der Lage, die angestrebten Zielzellen erfolgreich aufzufinden und 
ihnen  ihre Genfracht einzuverleiben, um die gewünschte Wirkung 
zu erreichen.

	Obwohl viele klinische Versuche somatischer Therapie 
durchgeführt wurden, waren nur wenige eindeutig erfolgreich. Die 
Techniken, um therapeutische Gene in Körperzellen einzuführen, 
sind immer noch primitiv, ineffizient und potentiell gefährlich. Der 
Tod eines jungen Patienten in einem klinischen Versuch Ende 
1999 veranschaulicht, dass ein ausreichendes Mass von Sicherheit 
noch nicht erreicht wurde.

Keimlinien-Gentherapie

	Im Gegensatz zur somatischen Gentherapie verursacht die 
Keimlinien-Gentherapie genetische Veränderungen, die sich auf 
die Fortpflanzungszellen [= Keimzellen] auswirken. Als Folge 
davon kann die Veränderung von den Nachkommen des Gen-
behandelten Patienten geerbt werden. Demzufolge versucht die 
Keimlinientherapie nicht nur den Zustand des Patienten zu 
verbessern, sondern auch den seiner Nachkommen und damit 
zukünftiger Generationen. In dieser Hinsicht stellt sie ein 
grundsätzlich neues Ziel ärztlicher Eingriffe dar. Sie bietet den 
möglichen Vorteil, die Ursache eines krankmachenden Zustandes 
zu beseitigen, anstatt einzelne Individuen in jeder nachfolgenden 
Generation zu behandeln.

	Die Gentechnik verlangt die präzise manuelle Einführung 
des DNS in ein befruchtetes Ei oder in die Zellen eines Embryos in 
einer sehr frühen Stufe der Entwicklung. Bis zum jetzigen 
Zeitpunkt wurden Keimlinienveränderungen nur bei Tieren 
erfolgreich durchgeführt. Zusätzlich zu den Gefahren einer 
Gesundheitsschädigung, die allen fortgeschrittenen 
Fortpflanzungstechniken gemeinsam sind¹, ist die 
Keimlinientherapie mit einem hohen Todesrisiko des Embryos 
oder 
Fötus, mit Fehlgeburt oder Totgeburt, abnormen körperlichen 
Entwicklungen sowie genetischen Defekten verbunden. 
Abgesehen von den grundlegenden Fragen der Sicherheit,  wirft 
die Keimlinientherapie schwerwiegende ethische Fragen auf. Dazu 
gehören das Problem der  Zustimmung nach Aufklärung von 
ungeborenen Individuen, die Beurteilung der langfristigen 
Konsequenzen genetischer Veränderungen, die mögliche 
Verminderung der menschlichen Verschiedenartigkeit durch 
systematische Entfernung besonderer Eigenschaften, auferlegte 
genetische Vorausbestimmung durch die Entscheidung des 
ursprünglichen Patienten und der Gentherapeuten, die mögliche 
Aussicht der Verwendung von Keimlinientherapie in 
eugenetischen 
Programmen, und die problematische Frage der Verwendung, um 
kosmetische Verbesserungen zu produzieren. Aufgrund ungelöster 
Sicherheits- und ethischer Fragen wird die Keimlinientherapie 
weitgehend missbilligt oder sogar verboten.

Biblische Grundsätze

	Während sich die Gentherapie noch in den 
Kinderschuhen befindet, ist es unsere moralische Verantwortung 
als bewusste Christen, ihre potentielle Möglichkeiten der Lösung 
menschlicher Bedürfnisse zu erkennen, ihre biologischen und 
genetischen Gefahren zu verstehen und ihren Missbrauch zu 
vermeiden. Entscheidungen auf diesem komplexen und sich 
entfaltendem Gebiet sollten in Übereinstimmung mit den folgenden 
biblischen Grundsätzen sein:

	1.	Leiden zu lindern und Leben zu erhalten. Die 
Bibel beschreibt Gott als unendlich besorgt um die Gesundheit, das 
Wohlgehen und die Wiederherstellung seiner Geschöpfe (Spr 3:1-
8; Ps 103:2,3; Mt 10:29-31; 11:4, 5; Apg 10:38; Jo 10:10). Gott 
beauftragt uns ausdrücklich seinen heilenden Dienst 
weiterzuführen (Mt 10:1; Lk 9:2). Insofern die Gentherapie in der 
Lage ist, Erbkrankheiten zu vermeiden und die Gesundheit 
wiederherzustellen, sollte sie als ein Mittel willkommen geheissen 
werden, Gottes Initiative zur Linderung vermeidbaren Leides zu 
unterstützen.

	2.	Sicherheit, Schutz vor Schädigung. Die 
Heilige Schrift beauftragt uns, die Schwachen in der Gesellschaft 
zu beschützen (5 Mo 10:17-19; Ps 9:9; Jes 1:16, 17; Mt 25:31-46; 
Lk 4:18, 19). Wo eine Krankheit oder genetische Fehler nicht 
lebensgefährlich sind, sollte ein genetischer Eingriff nur dann in 
Betracht gezogen werden, wenn ein hohes Niveau an Sicherheit 
erreicht wird und das Leben auf allen Stufen der Entwicklung 
geschützt ist. Auch in lebensgefährlichen Situationen müssen die 
Risiken eines genetischen Eingriffs für eine voraussichtliche 
Heilung sorgfältig abgewogen werden.

	3.	Würdigung des göttlichen Ebenbildes. Die 
zu Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen (1 Mo 1:26,27) 
unterscheiden sich in Art und Stufe von allen anderen irdischen 
Geschöpfen und erhielten von Gott besondere Fähigkeiten wie 
Verstand, geistliche Werte zu erkennen und moralische 
Entscheidungen zu treffen (1 Kön 3:9; Da 2:20-23; Phil 4:8,9; Ps 8: 3-8; 
Pred 3:10, 11 Elb). Bei jedem Eingriff in das menschliche Erbgut, 
der diese Eigenschaften dauerhaft verändert,  muss grösste Vorsicht 
walten.

	4.	Schutz der menschlichen Selbständigkeit. Gott 
legt einen grossen Wert auf die Freiheit des Menschen (5 Mo 30:15-
20; 1 Mo 4:7). Genetische Veränderungen, welche die Fähigkeiten 
eines Individuums begrenzen, seine Beteiligung in der 
Gesellschaft 
einschränken, seine Selbständigkeit oder persönliche Freiheit 
untergraben würden, müssen abgelehnt werden.

	5.	Verständnis für Gottes Schöpfung. Da Gott die 
Menschen mit Intelligenz und Kreativität ausgestattet hat, 
erwartet er von ihnen Verantwortung gegenüber seiner Schöpfung 
(1 Mo 1:28), wachsendes Verständnis der Lebensprinzipien, 
einschliesslich ihrer eigenen Körperfunktionen (Mt 6:26-29; 
1 Kor 14:20; Ps 8:3-9; 139:1-6; 13-16). Ethische Forschung und 
Prüfung kann unsere Achtung gegenüber Gottes Weisheit und 
Güte nur steigern.

¹ Siehe Stellungnahme der Generalkonferenz "Unterstützende 
Massnahmen bei der menschlichen Befruchtung",   26. Juli 1994.

Die Stellungnahme wurde am 4. April 2000 von dem 
Verwaltungsausschuss der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) 
der Siebenten-Tags-Adventisten in Silver Spring, Maryland/USA, 
verabschiedet. 


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