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Palaestinensischer Bischof bittet um Unterstuetzung
From
franki@elca.org
Date
13 Oct 2000 06:44:13
im Nahost-Konflikt
LWB ruft zum Engagement der Mitgliedskirchen und ihrer Regierungen auf
Jerusalem/Genf, 13. Oktober 2000 (LWI) - Angesichts der eskalierenden Gewalt
in den andauernden Auseinandersetzungen zwischen Israelis und
PalaestinenserInnen hat Bischof Munib A. Younan von der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien (ELKJ) alle Mitgliedskirchen
des Lutherischen Weltbundes (LWB) um Hilfe und Unterstuetzung gebeten.
"Wir brauchen Ihre Stimme, die uns in diesen Tagen des Schreckens
unterstuetzt und ermutigt", so Bischof Younan in einem Schreiben an
LWB-Generalsekretaer Dr. Ishmael Noko vom 11. Oktober. Er sei sehr besorgt
ueber die juengsten Entwicklungen, insbesondere darueber, dass die Situation
ausser Kontrolle geraten sei. Allein bis zum 11. Oktober seien nahezu 80
Menschen getoetet und mehr als 3.000 verletzt worden, unter ihnen sehr viele
Kinder.
Der lutherische Bischof hat die LWB-Mitgliedskirchen aufgerufen, sich bei
ihren jeweiligen Regierungen fuer eine Intervention in diesem Konflikt
einzusetzen. Younan betonte in seinem Schreiben die Notwendigkeit
internationalen Schutzes gemaess der Vierten Genfer Konvention. "Wir
brauchen eine tragfaehige Loesung auf der Grundlage der zum
israelisch-palaestinensischen Konflikt verabschiedeten UN-Resolutionen", so
Younan.
Er befuerchte, so erklaerte Younan, dass die juengsten Faelle von
Brandanschlaegen auf Moscheen und Synagogen auf einen Wandel von einem
politischen hin zu einem religioesen Problem hindeuten. Allerdings bestehe
keine Notwendigkeit, dass Landstreitigkeiten eine religioese Dimension haben
muessten. "Wir sollten nicht einem Religionskrieg anheimfallen, egal wer
versuchen mag, dies zu provozieren", betonte der palaestinensische Bischof.
Angesichts der eskalierenden Gewalt habe sich der Teufelskreis geschlossen
und es wuerden nur noch die Stimmen des aufgestauten Hasses und der
Aggression gehoert. Vor diesem Hintergrund rief Younan lokale und
internationale christliche, muslimische und juedische
VerantwortungstraegerInnen auf, ihre Stimmen zu erheben, um der Vernunft
Raum zu geben und den Dialog fortzusetzen.
In einem Antwortschreiben hat heute LWB-Generalsekretaer Dr. Ishmael Noko
alle 131 LWB-Mitgliedskirchen ermutigt, sich bei ihren Regierungen und in
ihren Gesellschaften fuer die Fortsetzung der Friedensbemuehungen in
Israel/Palaestina einzusetzen. Weiterhin regte Noko an, mit Bischof Younan
und der ELKJ schriftlich oder in anderer Form Kontakt aufzunehmen, "um sie
in dieser Zeit der Angst und der Bedraengnis Ihrer Gebete und Ihrer
Unterstuetzung zu versichern."
LWB-Generalsekretaer Noko rief alle LWB-Mitgliedskirchen auf, "unbeirrt an
der Vision eines gerechten Friedens in Israel/Palaestina und der Vision
eines Jerusalems der zwei Nationen und drei Religionen festzuhalten, und
weiter dafuer zu beten, dass eine Zeit kommen moege, wo israelische und
palaestinensische Kinder nicht mehr die Buerde der Ungerechtigkeit, des
Hasses, der Gewalt, Unsicherheit und Trennung ererben, die heute auf allen
Menschen in der Region lastet. "
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien hat Gemeinden in Jerusalem,
in palaestinensischen Gebieten und in Jordanien. Sie hat rund 3.000
Mitglieder und ist seit 1974 Mitgliedskirche des Lutherischen Weltbundes
(LWB).
Im Folgenden finden Sie sowohl das Schreiben Bischof Munib A. Younans als
auch den Brief von LWB-Generalsekretaer Dr. Ishmael Noko im vollen Wortlaut:
Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien
Bischof Munib A. Younan
P.O. Box 14076
Muristan Road
Jerusalem 81140
Tel.: 972 2 627 6111
Fax: 972 2 6285764
E-Mail: ga_elci@netvision.net.il
Pfr. Dr. Ishmael Noko, Generalsekretaer
Lutherischer Weltbund
Postfach 2100
CH-1211 Genf 2, SCHWEIZ
Fax: 0041-22-7988616
Jerusalem, 11. Oktober 2000
Lieber Ishmael,
Salam und Gnade im Namen unseres Herrn und Erloesers Jesus Christus aus
einem Jerusalem/Palaestina in Unruhe.
Ich danke Ihnen fuer Ihren Anruf und die grosse Sorge ueber die gegenwaertig
so schwierige Lage in unserem Land, die Sie dabei zum Ausdruck brachten. Wir
sind ebenfalls sehr besorgt ueber die juengsten Entwicklungen, insbesondere
darueber, dass die Situation ausser Kontrolle geraten ist. Die folgenden
Gruende haben meine Sorge noch vergroessert:
1. Bis heute, am 11. Oktober 2000, sind etwa 79 Menschen getoetet und ueber
3.000 verletzt worden, 52% davon sind Kinder.
2. Die juengsten Faelle von Brandanschlaegen auf Moscheen und Synagogen
spielen ebenfalls eine Rolle. Ich fuerchte sie sind Zeichen eines Wandels
von einem politischen hin zu einem religioesen Problem. Ich versichere
Ihnen, dass Landstreitigkeiten keine religioese Dimension haben muessen. Wir
sollten nicht einem Religionskrieg anheimfallen, egal wer versuchen mag,
dies zu provozieren. Aber es hat sich gezeigt, und wir alle konnten es am
Fernsehen mitverfolgen, dass juedische Massen in Tiberias und Jaffa Moscheen
niederbrannten, und die israelische Polizei ohne einzugreifen zusah. Sie
schrien "Tod den Arabern!", "Wir wollen keine Araber in Tiberias!" Dies ist
eine gefaehrliche Entwicklung. Andererseits ist auch wahr, dass wuetende
palaestinensische DemonstrantInnen das Josephsgrab in Nablus angriffen und
in Brand setzten. Praesident Arafat wies allerdings den Buergermeister von
Nablus an, dies zu unterbinden, das Grab unter den Schutz der
palaestinensischen Polizei zu stellen und es als Synagoge zu erhalten. Er
ordnete weiterhin an, Massnahmen gegen die Polizisten zu ergreifen, die
keinen Versuch unternommen hatten, den Zwischenfall zu unterbinden.
3. Die juedischen SiedlerInnen entwickeln grosse Aktivitaet. Dies war an
verschiedenen Orten in den palaestinensischen Gebieten zu beobachten. Sie
blockierten Strassen, griffen Doerfer an und beschaedigten Eigentum. Ihre
Angriffe auf und Greueltaten an PalaestinenserInnen werden vom Militaer
unterstuetzt. Eines meiner aelteren Kirchenglieder sagte mir gegenueber,
dies sei die Methode, die 1948 mit dem Ziel angewandt wurde, die
PalaestinenserInnen dazu zu zwingen, ihre Haeuser zu verlassen und zu
emigrieren - ein echter "Transfer". Natuerlich sind unsere Herzen von Angst
erfuellt. Wo ist die internationale Gemeinschaft?
4. Die israelischen AraberInnen von 1948, die in jedem Fall unter
Ungleichheit leiden, werden nun von der israelischen Regierung und radikalen
Gruppen angegriffen. Im Lauf der letzten Woche wurden 12 Personen von der
israelischen Polizei erschossen. Es gab mehrere Uebergriffe auf ihr
Eigentum, ohne dass die Polizei in irgendeiner Form eingegriffen haette. Man
versuchte, die Wohnung des arabischen Knessetmitglieds Azmi Bishara in
Obernazareth in Brand zu stecken. Auch auf den Strassen werden Menschen
angegriffen. Ungluecklicherweise wurden diese Greueltaten von israelischer
Seite nicht verurteilt, und es wurden auch keine Schritte zum Schutz der
Menschen unternommen. Nun fordern die israelischen AraberInnen
internationalen Schutz.
5. Kirchen und palaestinensische ChristInnen werden ebenfalls zu Opfern der
gegenwaertigen Situation. In der ELKJ zum Beispiel konnten wir kuerzlich
unsere Gemeindewahlen nicht abhalten, auch unsere Synode konnte nicht tagen,
aufgrund der von Zusammenstoessen, Grenzschliessungen und Willkuermassnahmen
der israelischen Regierung gepraegten Situation. Die Bewegungsfreiheit der
PalaestinenserInnen wurde eingeschraenkt. Schulen waren ueber eine Woche
lang geschlossen. Die Menschen muessen wegen dieser Situation und der
voelligen Isolierung der palaestinensischen Gebiete Einkommensverluste
hinnehmen. Wir erwarten daher, dass die Schulen erheblich weniger
Schulgebuehren einnehmen werden. Dies wird sich mit Sicherheit auf unseren
bereits jetzt beeintraechtigten Haushalt auswirken und eventuell die
Schliessung einiger unserer Einrichtungen zur Folge haben, was eine weitere
Auswanderung der christlichen Bevoelkerung foerdern wird.
6. Wir wissen, dass es auf beiden Seiten Menschen guten Willens mit wachem
Gewissen gibt, die einen gerechten Frieden fordern. Ungluecklicherweise
werden ihre Stimmen nicht gehoert. Nur die Stimme des aufgestauten Hasses
und der Aggression wird noch gehoert. Der Teufelskreis hat sich geschlossen.
Aus diesem Grund glauben wir, dass lokal und international christliche,
muslimische und juedische VerantwortungstraegerInnen ihre Stimmen erheben,
der Vernunft Raum geben und den Dialog fortsetzen sollten, damit eine
tragfaehige Loesung gefunden wird.
In Anbetracht all dieser Fakten appelliere ich an Sie, an alle
Mitgliedskirchen des LWB, rasche Massnahmen zu ergreifen, um uns zu
unterstuetzen. Was wir jetzt brauchen, sind greifbare Massnahmen, die sich
vor Ort auswirken:
* WIR BRAUCHEN INTERNATIONALEN SCHUTZ GEMAESS DER VIERTEN GENFER KONVENTION
UND DIE INTERVENTION IHRER REGIERUNGEN.
* WIR BRAUCHEN EINE TRAGFAEHIGE LOESUNG AUF DER GRUNDLAGE DER ZUM
ISRAELISCH-PALAESTINENSISCHEN KONFLIKT VERABSCHIEDETEN UN-RESOLUTIONEN.
* WIR BRAUCHEN SOFORTIGE MASSNAHMEN, DIE DEN GREUELTATEN UND KONFRONTATIONEN
EIN ENDE SETZEN.
* WIR BRAUCHEN FINANZIELLE UNTERSTUETZUNG, DIE UNS DIE FORTFUEHRUNG UNSERER
SENDUNG, UNSERES ZEUGNISSES UND UNSERER EXISTENZ IN DIESEM TEIL DER WELT
ERMOEGLICHT.
* WIR BRAUCHEN IHRE GEBETE UND IHRE UNTERSTUETZUNG FUER EINEN DAUERHAFTEN
UND UMFASSENDEN GERECHTEN FRIEDEN.
* WIR BRAUCHEN IHRE STIMME, DIE UNS IN DIESEN TAGEN DES SCHRECKENS
UNTERSTUETZT UND ERMUTIGT.
Ich danke fuer Ihre Gebete.
Ihr Bruder in Christus
Bischof Munib A. Younan
Lutherischer Bischof in Jerusalem
Brief von LWB-Generalsekretaer Dr. Ishmael Noko an die LWB-Mitgliedskirchen
An die LWB-Mitgliedskirchen
13. Oktober 2000
Liebe Schwestern und Brueder in Christus,
mit Sicherheit haben Sie alle die Berichte ueber die tragischen Ereignisse,
die sich momentan in Israel/Palaestina und sogar inmitten der heiligen
Staetten in Jerusalem selbst zutragen, erhalten. Wir alle sind schockiert
ueber die erneuten Gewalttaetigkeiten, ueber die Todesopfer, die Verletzten
und die Zerstoerung. Dies hat uns bewusst werden lassen, wie gefaehrdet der
Friedensprozess ist, und auch, welch entscheidende Bedeutung er hat. Wir
wurden zudem daran erinnert, dass Gerechtigkeit und Versoehnung die
grundlegende Basis sein muessen, wenn ein tragfaehiger Frieden geschaffen
werden soll in dem ruhelosen Land, wo Christus geboren wurde.
Sie alle beten, wie ich weiss, fuer ein Ende der Gewalt und fuer alle, die
geliebte Menschen verloren haben, die verletzt wurden, deren Sicherheit
zerstoert wurde und deren Hoffnung und guter Wille durch diese Ereignisse
verdunkelt wurden. Als Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes sind
unsere Gedanken und Gebete insbesondere bei unseren Schwestern und Bruedern
in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien. Sie sind "lebendige
Steine" inmitten eines Hagels von Steinwuerfen und toedlichen Kugeln.
Diesem Schreiben liegt eine Botschaft von unserem Bruder Munib Younan, dem
Bischof der ELKJ, bei, in der er das Ausmass der Krise und die dringenden
Noete der Voelker in der Region beschreibt. Er ruft auf zu Solidaritaet und
Unterstuetzung, zu Gebet und Partnerschaft, zur Staerkung der Stimme
derjenigen, die nicht gehoert werden, und zur religionsuebergreifenden
Zusammenarbeit gegen die "Instrumentalisierung" religioeser Vielfalt fuer
politische oder andere Zwecke. Es besteht kein Zweifel, dass sein Appell,
der kurz vor der juengsten tragischen Eskalation der Gewalt in Ramallah
geschrieben wurde, inzwischen noch um ein Vielfaches an Dringlichkeit
gewonnen hat.
Ich empfehle Ihnen allen Bischof Younans Schreiben, bitte nehmen Sie es in
Ihre Gebete auf und erwaegen Sie, in welcher Form Sie reagieren wollen. Ich
bitte Sie dringend, fuer unsere Brueder und Schwestern in der Region, alle
Opfer der Gewalt und alle, die fuer den Frieden arbeiten, zu beten. Ich
bitte Sie ebenso dringend, mit Bischof Younan und der ELKJ schriftlich oder
in anderer Form Kontakt aufzunehmen, um sie in dieser Zeit der Angst und der
Bedraengnis Ihrer Gebete und Ihrer Unterstuetzung zu versichern. Bitte
draengen Sie auch Ihre Regierung und Ihre Gesellschaft, sich fuer die
Fortsetzung der Friedensbemuehungen in Israel/Palaestina einzusetzen.
Schliesslich bitte ich Sie, unbeirrt an der Vision eines gerechten Friedens
in Israel/Palaestina und der Vision eines Jerusalems der zwei Nationen und
drei Religionen festzuhalten, und weiter dafuer zu beten, dass eine Zeit
kommen moege, wo israelische und palaestinensische Kinder nicht mehr die
Buerde der Ungerechtigkeit, des Hasses, der Gewalt, Unsicherheit und
Trennung ererben, die heute auf allen Menschen in der Region lastet.
Moegen auch die Unversoehnlichkeit, der Ehrgeiz, der Stolz, die Intoleranz,
die Diskriminierung und Ungerechtigkeit der Menschen scheinbar die
Hoffnungen auf Frieden in Israel/Palaestina zunichte gemacht haben, so wird
sich Gottes Gerechtigkeit doch durchsetzen und sein Geist auch die
verhaertetsten Herzen zur Versoehnung fuehren, die tiefste Trauer troesten.
Bereits im Voraus danke ich Ihnen fuer Ihr unablaessiges Gebet und Bemuehen
um Frieden.
Ihr
Ishmael Noko
Generalsekretaer
Anlage
Cc: LWB-Praesident
Nationale Komitees
Ratsmitglieder
Kabinett
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen
weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 131
Mitgliedskirchen, denen knapp 59,5 der weltweit 63,1 Millionen
LutheranerInnen in 72 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine
enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen
weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner
Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische
Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und
verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt
werden.
***
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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Tel.: +41-22-791-6353
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