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"Charta Oecumenica" - Deutscher Text
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Date
22 Apr 2001 22:09:27
23. April 2001
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schaeffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz
Der "Rat der Europäischen Bischofskonferenzen" (CCEE)
und die "Konferenz Europäischer Kirchen" (KEK) haben
ein gemeinsames Dokument mit dem Titel "Charta
Oecumenica" unterzeichnet.
Der Adventistische Pressedienst (APD) dokumentiert
den am Sonntag, 22. April 2001 in Strassburg beim
"Millenniumstreffen" der Kirchen veröffentlichten
Text in der offiziellen deutschen Übersetzung:
Originalfassung: Deutsch
Genf/St Gallen, 22. April 2001
CHARTA OECUMENICA
Leitlinien für die wachsende
Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa
"Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem
Heiligen Geist"
Als Konferenz Europäischer Kirchen (1) und als Rat
der Europäischen Bischofskonferenzen sind wir im
Geist der Botschaft der beiden Europäischen
Ökumenischen Versammlungen von Basel 1989 und von
Graz 1997 fest entschlossen, die unter uns
gewachsene Gemeinschaft zu bewahren und
fortzuentwickeln. Wir danken unserem Dreieinigen
Gott, dass er durch seinen Heiligen Geist unsere
Schritte zu einer immer intensiveren Gemeinschaft
führt.
Vielfältige Formen der ökumenischen Zusammenarbeit
haben sich bereits bewährt. In Treue zu dem Gebet
Christi: "Alle sollen eins sein: Wie du,
Vater, in mir bist und ich in dir, sollen auch
sie eins sein, damit die Welt glaube, dass du mich
gesandt hast" (Johannes 17, 21), dürfen wir jedoch
bei dem jetzigen Zustand nicht stehenbleiben. Im
Bewusstsein unserer Schuld und zur Umkehr bereit
müssen wir uns bemühen, die unter uns noch
bestehenden Spaltungen zu überwinden, damit wir
gemeinsam die Botschaft des Evangeliums unter den
Völkern glaubwürdig verkündigen.
Im gemeinsamen Hören auf Gottes Wort in der
Heiligen Schrift und herausgefordert zum Bekenntnis
unseres gemeinsamen Glaubens sowie im
gemeinsamen Handeln gemäss der erkannten Wahrheit
wollen wir Zeugnis geben von der Liebe und Hoffnung
für alle Menschen.
Auf unserem europäischen Kontinent zwischen Atlantik
und Ural, zwischen Nordkap und Mittelmeer, der heute
mehr denn je durch eine plurale Kultur geprägt wird,
wollen wir mit dem Evangelium für die Würde der
menschlichen Person als Gottes Ebenbild eintreten
und als Kirchen gemeinsam dazu beitragen, Völker
und Kulturen zu versöhnen.
In diesem Sinn nehmen wir diese Charta als gemeinsame
Verpflichtung zum Dialog und zur Zusammenarbeit an.
Sie beschreibt grundlegende ökumenische Aufgaben und
leitet daraus eine Reihe von Leitlinien und
Verpflichtungen ab. Sie soll auf allen Ebenen des
kirchlichen Lebens eine ökumenische Kultur des
Dialogs und der Zusammenarbeit fördern und dafür einen
verbindlichen Masstab schaffen. Sie hat jedoch keinen
lehramtlich-dogmatischen oder kirchenrechtlich-
gesetzlichen Charakter. Ihre Verbindlichkeit besteht
vielmehr in der Selbstverpflichtung der europäischen
Kirchen und ökumenischen Organisationen. Diese können
Für ihren Bereich auf der Grundlage dieses Basistextes
eigene Zusätze und gemeinsame Perspektiven formulieren,
die sich konkret mit ihren besonderen
Herausforderungen und den sich daraus ergebenden
Verpflichtungen befassen.
(1) Zur Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) gehören
die meisten orthodoxen, reformatorischen, anglikanischen,
freikirchlichen und altkatholischen Kirchen in Europa.
Im Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CEE) sind
die römisch-katholischen Bischofskonferenzen in Europa
zusammengeschlossen.
I.
WIR GLAUBEN
"DIE EINE, HEILIGE, KATHOLISCHE UND
APOSTOLISCHE KIRCHE"
"Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu bewahren
durch den Frieden, der euch zusammenhält. E i n Leib
und e i n Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine
gemeinsame Hoffnung gegeben ist; e i n Herr, e i n
Glaube, e i n e Taufe, e i n Gott und Vater aller, der
über allem und durch alles und in allem ist"
(Epheser 4, 3-6)
1. Gemeinsam zur Einheit im Glauben berufen
Mit dem Evangelium Jesu Christi, wie es in der Heiligen
Schrift bezeugt wird und im Ökumenischen
Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (381)
zum Ausdruck kommt, glauben wir an den Dreieinigen
Gott: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Weil
wir mit diesem Credo "die eine, heilige, katholische
und apostolische Kirche" bekennen, besteht unsere
unerlässliche ökumenische Aufgabe darin, diese
Einheit, die immer GGottes Gabe ist, sichtbar werden
zu lassen.
Noch verhindern wesentliche Unterschiede im Glauben die
sichtbare Einheit. Es gibt verschiedene Auffassungen,
vor allem von der Kirche und ihrer Einheit, von den
Sakramenten und den Ämtern. Damit dürfen wir uns nicht
abfinden. Jesus Christus hat uns am Kreuz seine Liebe
und das Geheimnis der Versöhnung geoffenbart; in seiner
Nachfolge wollen wir alles uns Mögliche tun, die noch
bestehenden kirchentrennenden Probleme und Hindernisse
zu überwinden.
Wir verpflichten uns,
- der apostolischen Mahnung des Epheserbriefes zu
folgen und uns beharrlich um ein gemeinsames Verständnis
der Heilsbotschaft Christi im Evangelium zu bemühen;
- in der Kraft des Heiligen Geistes auf die sichtbare
Einheit der Kirche Jesu Christi in dem einen Glauben
hinzuwirken, die ihren Ausdruck in der gegenseitig
anerkannten Taufe und in der eucharistischen Gemeinschaft
findet sowie im gemeinsamen Zeugnis und Dienst.
II.
AUF DEM WEG ZUR SICHTBAREN GEMEINSCHAFT
DER KIRCHEN IN EUROPA
"Daran werden alle erkennen, dass ihr meine
Jünger seid: wenn ihr einander liebt" (Johannes 13, 35)
2. Gemeinsam das Evangelium verkündigen
Die wichtigste Aufgabe der Kirchen in Europa ist es,
gemeinsam das Evangelium durch Wort und Tat für das Heil
aller Menschen zu verkündigen. Angesichts vielfältiger
Orientierungslosigkeit, der Entfremdung von
christlichen Werten, aber auch mannigfacher Suche nach
Sinn sind die Christinnen und Christen besonders
herausgefordert, ihren Glauben zu bezeugen. Dazu bedarf
es des verstärkten Engagements und des
Erfahrungsaustausches in Katechese und Seelsorge in den
Ortsgemeinden. Ebenso wichtig ist es, dass das ganze Volk
Gottes gemeinsam das Evangelium in die gesellschaftliche
Öffentlichkeit hinein vermittelt wie auch durch sozialen
Einsatz und die Wahrnehmung von politischer Verantwortung
Zur Geltung bringt.
Wir verpflichten uns,
- über unsere Initiativen zur Evangelisierung mit den
anderen Kirchen zu sprechen, darüber Vereinbarungen zu
treffen und so schädliche Konkurrenz sowie die Gefahr
neuer Spaltungen zu vermeiden;
- anzuerkennen, dass jeder Mensch seine religiöse und
kirchliche Bindung in freier Gewissensentscheidung wählen
kann. Niemand darf durch moralischen Druck oder materielle
Anreize zur Konversion bewegt werden; ebenso darf niemand
an einer aus freien Stücken erfolgenden Konversion gehindert
werden.
3. Aufeinander zugehen
Im Geiste des Evangeliums müssen wir gemeinsam die
Geschichte der christlichen Kirchen aufarbeiten, die durch
viele gute Erfahrungen, aber auch durch Spaltungen,
Verfeindungen und sogar durch kriegerische
Auseinandersetzungen geprägt ist. Menschliche Schuld,
Mangel an Liebe und häufiger Missbrauch von Glaube und
Kirchen für politische Interessen haben die Glaubwürdigkeit
des christlichen Zeugnisses schwer beschädigt.
Ökumene beginnt deshalb für die Christinnen und
Christen mit der Erneuerung der Herzen und der Bereitschaft
zu Busse und Umkehr. In der ökumenischen Bewegung ist
Versöhnung bereits gewachsen.
Wichtig ist es, die geistlichen Gaben der verschiedenen
Christlichen Traditionen zu erkennen, voneinander zu lernen
und sich so beschenken zu lassen. Für die weitere Entfaltung
der Ökumene ist es besonders erforderlich, die Erfahrungen
und Erwartungen der Jugend einzubeziehen und ihre Mitwirkung
nach Kräften zu fördern.
Wir verpflichten uns,
- Selbstgenügsamkeit zu überwinden und Vorurteile zu
beseitigen, die Begegnung miteinander zu suchen und
füreinander da zu sein;
- ökumenische Offenheit und Zusammenarbeit in der
christlichen Erziehung, in der theologischen Aus- und
Fortbildung sowie auch in der Forschung zu fördern.
4. Gemeinsam handeln
Ökumene geschieht bereits in vielfältigen Formen
gemeinsamen Handelns. Viele Christinnen und Christen aus
verschiedenen Kirchen leben und wirken gemeinsam in
Freundschaften, in der Nachbarschaft, im Beruf und in
Ihren Familien. Insbesondere konfessionsverschiedene
Ehen müssen darin unterstützt werden, Ökumene in ihrem
Alltag zu leben.
Wir empfehlen, auf örtlicher, regionaler, nationaler und
Internationaler Ebene bi- und multilaterale ökumenische
Gremien für die Zusammenarbeit einzurichten und zu
unterhalten. Auf der europäischen Ebene ist es nötig,
die Zusammenarbeit zwischen der Konferenz Europäischer
Kirchen und dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen
zu stärken und weitere Europäische Ökumenische
Versammlungen durchzuführen.
Bei Konflikten zwischen den Kirchen sollen Bemühungen
um Vermittlung und Frieden initiiert bzw. unterstützt
werden.
Wir verpflichten uns,
- auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam
zu handeln, wo die Voraussetzungen dafür gegeben sind
und nicht Gründe des Glaubens oder grössere
Zweckmässigkeit dem entgegenstehen;
- die Rechte von Minderheiten zu verteidigen und zu
helfen, Missverständnisse und Vorurteile zwischen
Mehrheits- und Minderheitskirchen in unseren Ländern
abzubauen.
5. Miteinander beten
Die Ökumene lebt davon, dass wir Gottes Wort
gemeinsam hören und den Heiligen Geist in uns und
durch uns wirken lassen. Kraft der dadurch
empfangenen Gnade gibt es heute vielfältige
Bestrebungen, durch Gebete und Gottesdienste die
geistliche Gemeinschaft zwischen den Kirchen zu
vertiefen und für die sichtbare Einheit der Kirche
Christi zu beten. Ein besonders schmerzliches Zeichen
für die Zerrissenheit unter vielen christlichen
Kirchen ist die fehlende eucharistische Gemeinschaft.
In einigen Kirchen bestehen Vorbehalte gegenüber
gemeinsamen ökumenischen Gebeten. Aber weithin prägen
viele ökumenische Gottesdienste, gemeinsame Lieder
und Gebete, insbesondere das Vaterunser, unsere
christliche Spiritualität.
Wir verpflichten uns,
- füreinander und für die christliche Einheit zu
beten;
- die Gottesdienste und die weiteren Formen des
geistlichen Lebens anderer Kirchen kennen und schätzen
zu lernen;
- dem Ziel der eucharistischen Gemeinschaft
entgegenzugehen.
6. Dialoge fortsetzen
Unsere in Christus begründete Zusammengehörigkeit ist
von fundamentaler Bedeutung gegenüber unseren
unterschiedlichen theologischen und ethischen
Positionen. Anders als die uns geschenkte und
bereichernde Vielfalt haben jedoch Gegensätze in der
Lehre, in ethischen Fragen und in kirchenrechtlichen
Festlegungen auch zu Trennungen zwischen den Kirchen
geführt; oft spielten dabei besondere geschichtliche
Umstände und unterschiedliche kulturelle Prägungen
eine entscheidende Rolle.
Um die ökumenische Gemeinschaft zu vertiefen, sind die
Bemühungen um einen Konsens im Glauben unbedingt
fortzusetzen. Ohne Einheit im Glauben gibt es
keine volle Kirchengemeinschaft. Zum Dialog gibt es
keine Alternative.
Wir verpflichten uns,
- den Dialog zwischen unseren Kirchen auf den
verschiedenen kirchlichen Ebenen gewissenhaft und
intensiv fortzusetzen sowie zu prüfen, was zu den
Dialogergebnissen kirchenamtlich verbindlich erklärt
werden kann und soll;
- bei Kontroversen, besonders wenn bei Fragen des
Glaubens und der Ethik eine Spaltung droht,
das Gespräch zu suchen und diese Fragen gemeinsam
im Licht des Evangeliums zu erörtern.
III.
UNSERE GEMEINSAME VERANTWORTUNG IN
EUROPA
"Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder
Gottes genannt werden" (Matthäus 5, 9)
7. Europa mitgestalten
Durch die Jahrhunderte hindurch hat sich ein religiös und
Kulturell vorwiegend christlich geprägtes Europa
entwickelt. Zugleich ist durch das Versagen der Christen
in Europa und über dessen Grenzen hinaus viel Unheil
angerichtet worden. Wir bekennen die Mitverantwortung
an dieser Schuld und bitten Gott und die Menschen um
Vergebung.
Unser Glaube hilft uns, aus der Vergangenheit zu lernen
und uns dafür einzusetzen, dass der christliche Glaube und
die Nächstenliebe Hoffnung ausstrahlen für Moral und Ethik,
für Bildung und Kultur, für Politik und Wirtschaft in
Europa und in der ganzen Welt.
Die Kirchen fördern eine Einigung des europäischen
Kontinents. Ohne gemeinsame Werte ist die Einheit dauerhaft
nicht zu erreichen. Wir sind überzeugt, dass das
spirituelle Erbe des Christentums eine inspirierende
Kraft zur Bereicherung Europas darstellt. Aufgrund
unseres christlichen Glaubens setzen wir uns für ein
humanes und soziales Europa ein, in dem die
Menschenrechte und Grundwerte des Friedens, der
Gerechtigkeit, der Freiheit, der Toleranz, der Partizipation
und der Solidarität zur Geltung kommen. Wir betonen die
Ehrfurcht vor dem Leben, den Wert von Ehe und
Familie, den vorrangigen Einsatz für die Armen, die
Bereitschaft zur Vergebung und in allem die Barmherzigkeit.
Als Kirchen und als internationale Gemeinschaften
müssen wir der Gefahr entgegentreten, dass Europa sich zu
einem integrierten Westen und einem desintegrierten Osten
entwickelt. Auch das Nord-Süd-Gefälle ist zu beachten.
Zugleich ist jeder Eurozentrismus zu vermeiden und die
Verantwortung Europas für die ganze Menschheit zu
stärken, besonders für die Armen in der ganzen Welt.
Wir verpflichten uns,
- uns über Inhalte und Ziele unserer sozialen
Verantwortung miteinander zu verständigen und die Anliegen
und Visionen der Kirchen gegenüber den säkularen
europäischen Institutionen möglichst gemeinsam zu
vertreten;
- die Grundwerte gegenüber allen Eingriffen zu
verteidigen;
- jedem Versuch zu widerstehen, Religion und Kirche
für ethnische oder nationalistische Zwecke zu missbrauchen.
8. Völker und Kulturen versöhnen
Die Vielfalt der regionalen, nationalen, kulturellen und
Religiösen Traditionen betrachten wir als Reichtum Europas.
Angesichts zahlreicher Konflikte ist es Aufgabe der Kirchen,
miteinander den Dienst der Versöhnung auch für Völker und
Kulturen wahrzunehmen. Wir wissen, dass der Friede zwischen
den Kirchen dafür eine ebenso wichtige Voraussetzung ist.
Unsere gemeinsamen Bemühungen richten sich auf die
Beurteilung und Lösung politischer und sozialer Fragen im
Geist des Evangeliums. Weil wir die Person und Würde jedes
Menschen als Ebenbild Gottes werten, treten wir für
die absolute Gleichwertigkeit aller Menschen ein.
Als Kirchen wollen wir gemeinsam den Prozess der
Demokratisierung in Europa fördern. Wir engagieren uns für
eine Friedensordnung auf der Grundlage gewaltfreier
Konfliktlösungen. Wir verurteilen jede Form von Gewalt
Gegen Menschen, besonders gegen Frauen und Kinder.
Zur Versöhnung gehört es, die soziale Gerechtigkeit in
und unter allen Völkern zu fördern, vor allem die Kluft
zwischen Arm und Reich sowie die Arbeitslosigkeit zu
überwinden. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass
Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge und Asylsuchende
in Europa menschenwürdig aufgenommen werden.
Wir verpflichten uns,
- jeder Form von Nationalismus entgegenzutreten, die
zur Unterdrückung anderer Völker und nationaler
Minderheiten führt und uns für gewaltfreie Lösungen
einzusetzen;
- die Stellung und Gleichberechtigung der Frauen in
allen Lebensbereichen zu stärken sowie die gerechte
Gemeinschaft von Frauen und Männern in Kirche und
Gesellschaft zu fördern.
9. Die Schöpfung bewahren
Im Glauben an die Liebe Gottes, des Schöpfers, erkennen
wir dankbar das Geschenk der Schöpfung, den Wert und
die Schönheit der Natur. Aber wir sehen mit Schrecken,
dass die Güter der Erde ohne Rücksicht auf ihren
Eigenwert, ohne Beachtung ihrer Begrenztheit und ohne
Rücksicht auf das Wohl zukünftiger Generationen
ausgebeutet werden.
Wir wollen uns gemeinsam für nachhaltige
Lebensbedingungen für die gesamte Schöpfung einsetzen.
In Verantwortung vor Gott müssen wir gemeinsam
Kriterien dafür geltend machen und weiter entwickeln,
was die Menschen zwar wissenschaftlich und technologisch
machen können, aber ethisch nicht machen dürfen. In
jedem Fall muss die einmalige Würde jedes Menschen
den Vorrang vor dem technisch Machbaren haben.
Wir empfehlen, einen ökumenischen Tag des Gebetes für
die Bewahrung der Schöpfung in den europäischen
Kirchen einzuführen.
Wir verpflichten uns,
- einen Lebensstil weiter zu entwickeln, bei dem
wir gegen die Herrschaft von ökonomischen Zwängen
und von Konsumzwängen auf verantwortbare und
nachhaltige Lebensqualität Wert legen;
- die kirchlichen Umweltorganisationen und
ökumenischen Netzwerke bei ihrer Verantwortung für
die Bewahrung der Schöpfung zu unterstützen.
10. Gemeinschaft mit dem Judentum vertiefen
Eine einzigartige Gemeinschaft verbindet uns mit dem
Volk Israel, mit dem Gott einen ewigen Bund
geschlossen hat. Im Glauben wissen wir, dass unsere
jüdischen Schwestern und Brüder "von Gott geliebt sind,
und das um der Väter willen. Denn unwiderruflich sind
Gnade und Berufung, die Gott gewährt" (Röm. 11, 28-29).
Sie haben "die Sohnschaft, die Herrlichkeit, die
Bundesordnungen, ihnen ist das Gesetz gegeben, der
Gottesdienst und die Verheissungen, sie haben die Väter,
und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus"
(Röm. 9, 4-5).
Wir beklagen und verurteilen alle Manifestationen des
Antisemitismus, wie Hassausbrüche und Verfolgungen.
Für den christlichen Antijudaismus bitten wir Gott
um Vergebung und unsere jüdischen Geschwister
um Versöhnung.
Es ist dringend nötig, in Verkündigung und Unterricht,
in Lehre und Leben unserer Kirchen die tiefe Verbindung
des christlichen Glaubens zum Judentum bewusst zu machen
und die christlich-jüdische Zusammenarbeit zu
unterstützen.
Wir verpflichten uns
- allen Formen von Antisemitismus und Antijudaismus
in Kirche und Gesellschaft entgegenzutreten;
- auf allen Ebenen den Dialog mit unseren jüdischen
Geschwistern zu suchen und zu intensivieren.
11. Beziehungen zum Islam pflegen
Seit Jahrhunderten leben Muslime in Europa. Sie bilden in
Manchen europäischen Ländern starke Minderheiten. Dabei
gab und gibt es viele gute Kontakte und Nachbarschaft
zwischen Muslimen und Christen, aber auch massive
Vorbehalte und Vorurteile auf beiden Seiten. Diese
beruhen auf leidvollen Erfahrungen in der Geschichte
und in der jüngsten Vergangenheit.
Die Begegnung zwischen Christen und Muslimen sowie
Den christlich-islamischen Dialog wollen wir auf allen
Ebenen intensivieren. Insbesondere empfehlen wir,
miteinander über den Glauben an den einen Gott
zu sprechen und das Verständnis der Menschenrechte zu
klären.
Wir verpflichten uns,
- den Muslimen mit Wertschätzung zu begegnen;
- bei gemeinsamen Anliegen mit Muslimen
zusammenzuarbeiten.
12. Begegnung mit anderen Religionen und
Weltanschauungen
Die Pluralität von religiösen und weltanschaulichen
Überzeugungen und Lebensformen ist ein Merkmal der
Kultur Europas geworden. Östliche Religionen und
neue religiöse Gemeinschaften breiten sich
aus und finden auch das Interesse vieler Christinnen
und Christen. Auch gibt es immer mehr Menschen, die
den christlichen Glauben ablehnen, sich ihm gegenüber
gleichgültig verhalten oder anderen Weltanschauungen
folgen.
Wir wollen kritische Anfragen an uns ernst nehmen und
uns gemeinsam um eine faire Auseinandersetzung bemühen.
Dabei ist zu unterscheiden, mit welchen
Gemeinschaften Dialoge und Begegnungen gesucht
werden sollen und vor welchen aus christlicher Sicht
zu warnen ist.
Wir verpflichten uns,
- die Religions- und Gewissensfreiheit von Menschen und
Gemeinschaften anzuerkennen und dafür einzutreten,
dass sie individuell und gemeinschaftlich, privat und
öffentlich ihre Religion der Weltanschauung im Rahmen
des geltenden Rechtes praktizieren dürfen;
- für das Gespräch mit allen Menschen guten Willens offen
zu sein, gemeinsame Anliegen mit ihnen zu verfolgen und
ihnen den christlichen Glauben zu bezeugen.
***************
Jesus Christus ist als Herr der einen Kirche unsere grösste
Hoffnung auf Versöhnung und Frieden.
In seinem Namen wollen wir den gemeinsamen Weg in
Europa weitergehen. Wir bitten Gott um den Beistand seines
Heiligen Geistes.
"Der Gott der Hoffnung erfülle uns mit aller Freude
und mit allem Frieden im Glauben, damit wir reich werden an
Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes" (Röm. 15,13)
Als Präsidenten der Konferenz Europäischer Kirchen und
des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen empfehlen
wir diese Charta Oecumenica als Basistext allen Kirchen
und Bischofskonferenzen von Europa zur Annahme und
Umsetzung in ihrem jeweiligen Kontext.
Mit dieser Empfehlung unterschreiben wir die Charta
Oecumenica im Rahmen der Europäischen Ökumenischen
Begegnung am ersten Sonntag nach den gemeinsamen
Ostern im Jahre 2001.
Strassburg, den 22. April 2001
Metropolit Jéremie
Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen
Kardinal Vlk
Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen
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