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Oekumenisches Team besuchte Sierra Leone
From
"Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date
Mon, 21 May 2001 12:21:40 -0500
Sierra Leone: Vergewaltigungen waehrend des Krieges hinterliessen
unausloeschliche Spuren bei jungen Frauen
Oekumenisches Team besuchte Sierra Leone
Freetown (Sierra Leone)/Genf, 19. Mai 2001 (LWI) - Seit neun Jahren
findet das kleine westafrikanische Land Sierra Leone nicht wirklich zum
Frieden. Immer wieder flammt der Buergerkrieg auf, werden Menschen
getoetet, misshandelt, entfuehrt, vertrieben und vergewaltigt. Das an
Bodenschaetzen reiche Land wurde in Armut, in den Ruin gestuerzt.
Die Folgen fuer die rund 4,8 Millionen Bewohner Sierra Leones sind
katastrophal. Schaetzungsweise 150.000 Menschen wurden getoetet, ueber
1,5 Millionen wurden vertreiben oder sind auf der Flucht, Zehntausende
Frauen und Maedchen wurden vergewaltigt.
Der Friedensprozess kommt immer wieder ins Stocken. Das im Juli 1999
zwischen der Regierung und der Revolutionaeren Vereinigten Front
(Revolutionary United Front/RUF) unterzeichnete Friedensabkommen
scheiterte Anfang Mai 2000, die Kaempfer der RUF griffen wieder zu den
Waffen. Im November 2000 unterzeichneten Praesident Ahmed Tejan Kabbah
und die RUF einen weiteren Waffenstillstand, der von einigen Ausnahmen
abgesehen bis heute besteht. Die Rebellen kontrollieren weite Teile des
Landes im Norden und im diamantenreichen Osten, es kommt wiederholt zu
Ueberfaellen auf die Zivilbevoelkerung und auf UN-Soldaten. In Sierra
Leone ist mit rund 6.000 Blauhelm-Soldaten die bisher groesste
UN-Friedenstruppe stationiert.
Aufgrund der unsicheren Lage in dem vom Krieg zerrissenen Land hat das
Parlament von Sierra Leone am 13. Februar beschlossen, die fuer das
Fruehjahr geplanten Wahlen um sechs Monate zu verschieben. Das Mandat
der Regierung wurde bis zum September 2001 verlaengert.
Die Autorin des folgenden Beitrags, Pauline Mumia, Englische
Redakteurin der Lutherischen Welt-Information (LWI), hat mit einem
oekumenischen Solidaritaetsteam fuer Frauen in Sierra Leone das
westafrikanische Land besucht.
"Ich werde vergeben, aber die Narben meines Schmerzes werden fuer immer
bleiben"
Als wir Aminata Mamadou (Name geaendert, Anm. d Red.) treffen, spielt
sie mit ihrer kleinen Tochter Fatou. Mutter und Tochter leben in einem
Ausbildungszentrum in Freetown, das von der Sektion Sierra Leone des
panafrikanischen Forums fuer afrikanische Frauen im Bildungswesen (FAWE)
unterhalten wird. Dieses Zentrum bietet neben einer normalen
Schulausbildung Ausbildungsprogramme fuer vom Krieg geschaedigte junge
Frauen und Maedchen an. Mamadou ist eine von Tausenden, vielleicht sogar
Zehntausenden jungen Frauen und Maedchen, bei denen der Buergerkrieg in
Sierra Leone seit 1991 unausloeschliche Spuren hinterlassen hat.
Der 6. Januar 1999 ist fuer Mamadou fuer immer ins Gedaechtnis
gemeisselt, an diesem Tag nahmen die Truppen des Armed Forces
Revolutionary Council (AFRC) und der Revolutionary United Front (RUF)
Freetwon, die Hauptstadt Sierra Leones, ein.
Mamadou besuchte damals eine Sekundarschule und verbrachte zu diesem
Zeitpunkt ihre Schulferien bei einer Tante in Freetown. Sie wusch
Waesche in einem Bach, als die Rebellen in den oestlichen Teil der Stadt
eindrangen. Es herrschte grosse Panik. Mamadou kannte die Stadt nicht
sehr gut, sie folgte der fliehenden Menschenmenge und versuchte, sich zu
verstecken. Die Rebellen jagten die verschreckten Menschen aus den
Haeusern und schlugen sie zusammen. "Sie sagten, sie wuerden uns
mitnehmen, aber alte Frauen und Muetter mit Kleinkindern waren davon
ausgeschlossen. Wir beobachteten, wie sie drei Babys, die sie den
Muettern entrissen hatten, in Latrinengruben warfen. Vor unseren Augen
brachten sie die alten Frauen um und befahlen uns anderen, ihnen zu
folgen."
Das war jedoch erst der Anfang des Alptraums des jungen Maedchens. "In
dieser Nacht vergewaltigte mich einer von ihnen und erklaerte, dass ich
nun seine Frau sei." Mamadou gehoerte von nun an zu einer
Rebellengruppe, die umherstreifte, pluenderte und toetete. Als die
Rebellengruppe in die Naehe von Lunsar, 72 km nordoestlich von Freetown,
kam, begann Mamadou nach ihrem Vater zu suchen. Doch die BewohnerInnen
des Wohnortes ihres Vaters hatten bereits fluchtartig die Stadt
verlassen, als sie vom Vorruecken der Rebellen hoerten. "Damals war ich
ein schwangeres Maedchen, das an Blutarmut litt", erinnert sich
Mamadou.
Wenig spaeter gelang Mamadou die Flucht aus dem Hauptquartier der
Rebellen in der Nordprovinz, Makeni. Mit viel Glueck erreichte sie
Freetown und fand mit Hilfe einer Freundin einen Arzt, der sie betreute,
bis sie ihr Baby zur Welt brachte.
"Zu Anfang, als ich das Baby sah, war ich sehr wuetend, aber jetzt bin
ich es nicht mehr. Es bedeutet mir jetzt sehr viel. Taeglich bete ich zu
Gott, er moege fuer uns beide sorgen."
Mamadou spricht von Vergebung. "Ich werde Fatou nie erzaehlen, unter
welchen Umstaenden sie gezeugt wurde. Sollte ihr Vater jemals auftauchen
und Anspruch auf das Kind erheben, wuerde ich ihn zu ihr lassen, ihm
vergeben und mit ihm sprechen, aber nicht mehr als das." Mamadou ist
sich dessen bewusst, dass sie dieser Mann in vielen Situationen vor dem
Tod bewahrt hat. "Aber es bleibt eine Tatsache, dass er mich wieder und
wieder vergewaltigte."
Die junge Mutter ist dankbar, dass das Ausbildungszentrum der FAWE in
Freetown jungen Frauen wie ihr die Chance bietet, ein neues Leben
aufzubauen. Die 1995 eingerichtete Sektion Sierra Leone der FAWE ist
eine von 31 vergleichbaren Einrichtungen, die zum panafrikanischen Forum
fuer afrikanische Frauen im Bildungswesen (FAWE) gehoeren.
FAWE wurde 1992 gegruendet, ihm gehoeren afrikanische Ministerinnen,
die fuer das nationale Ausbildungssystem verantwortlich sind,
Stellvertretende Vizekanzlerinnen von Universitaeten und andere
hochrangige Entscheidungstraegerinnen im afrikanischen Bildungswesen an.
Auf Landesebene versucht FAWE durch seine Laendersektionen Einfluss auf
die Politik zu nehmen, um auf Ausbildungsprobleme von Maedchen und
Frauen in den betreffenden Laendern aufmerksam zu machen.
Mit Hunderttausenden Binnenfluechtlingen in Sierra Leone und den
Nachbarlaendern, viele von ihnen leben in Guinea, hat Mamadou die
Sehnsucht gemeinsam nach einem dauerhaften Frieden in ihrem Land. Trotz
aller Probleme ist sie zuversichtlich. Sie hat eine Ausbildung zur
Schneiderin absolviert und hofft nun, fuer sich und ihre Tochter Fatou
sorgen zu koennen.
Wie Beatrice Olu Parkinson, eine Beraterin im FAWE-Zentrum, berichtet,
sind die meisten Maedchen im Ausbildungszentrum waehrend des Krieges von
Rebellen entfuehrt und vergewaltigt worden. Die Traumaberatung fuer
waehrend des Krieges missbrauchte und vergewaltigte Frauen und Maedchen
muesse integraler Teil der Hilfe fuer die Kriegsopfer sein, so
Parkinson. Sie erinnert an die Anfangsbemuehungen des Zentrums, "schwer
verletzte" Maedchen wie Mamadou zu erreichen. "Versteckt euch nicht,
kommt, euer Geheimnis ist bei uns gut aufgehoben" war ihr Werbeslogan.
Die Beratung der Opfer ist ein langsamer und schmerzlicher Prozess, so
Parkinson. "Es kann bis zu Monaten, ja sogar bis zu einem Jahr dauern,
bevor eine solche Person sich endlich oeffnet." Die FAWE-Beraterin
wiederholt den grossen Wunsch vieler EinwohnerInnen Sierra Leones, der
Buergerkrieg in ihrem Land moege zu Ende gehen. Trotzdem ist sie
ueberzeugt, dass die Wiederherstellung des Lebens der Menschen ein
staendiges Anliegen sein sollte. "Als Frauen muessen wir etwas tun, um
die Wuerde unserer Geschlechtsgenossinnen wieder herzustellen", betont
sie.
Fuer Mamadou und andere junge Frauen und Maedchen im Ausbildungszentrum
eroeffnen Beratung und Ausbildung neue Zukunftschancen. Aber die junge
Mutter Mamadou wird "niemals vergessen", was ihr Schreckliches angetan
wurde, als sie bei den Rebellen war. "Ich werde vergeben, aber die
Narben meines Schmerzes werden fuer immer bleiben", sagt Mamadou zum
Abschied.
(Dem oekumenischen Solidaritaetsteam fuer Frauen in Sierra Leone, das
im November Sierra Leone besuchte, gehoerten an: Aruna Gnanadason und
Karin Ulmer (Oekumenischer Rat der Kirchen), Basttu Jambawai
(Gesamtafrikanische Kirchenkonferenz), Pauline Mumia (Lutherischer
Weltbund), Jane Wolfe (Praesidentin, World YWCA/Weltbund Christlicher
Vereine Junger Frauen) und Helene Yinda (World YWCA). (1156 Woerter)
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
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Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
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