From the Worldwide Faith News archives www.wfn.org
ORK - Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt
From
"Sheila Mesa" <smm@wcc-coe.org>
Date
Fri, 09 Nov 2001 11:45:23 +0100
Okumenischer Rat der Kirchen
ORK-Feature, Feat-01-19
zur Veroffentlichung frei
9. November 2001
Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt
Interreligioses ORK-Kolloquium auf dem Klimagipfel in
Marrakesch: Austausch zwischen Islam und Christentum zum Thema
Klimawandel
Mirjam Schubert
vgl. ORK-Pressemitteilung, PR-01-39, 26. Oktober 2001
Jeden Tag kundigte der tagliche Veranstaltungskalender ein
besonderes Ereignis auf der Klimakonferenz in Marrakesch fur den
3. November an: das ganztagige interreligiose Kolloquium des
Okumenischen Rates der Kirchen (ORK). Da die siebte
Klimakonferenz, die heute, 9. November, zu Ende geht, in einem
uberwiegend muslimischen Land stattfand, bot sich fur die
ORK-Delegation die Gelegenheit, sowohl christliche als auch
muslimische Perspektiven zum Thema Klimawandel kennen zu lernen.
Uber 75 Delegierte, Vertreter und Vertreterinnen von
Nichtregierungsorganisationen (NROs) und Regierungen sowie
Mitglieder christlicher und muslimischer Glaubensgemeinschaften
aus Marokko nahmen an dem Kolloquium teil.
David Hallman, Koordinator des ORK-Programms zum Klimawandel,
unterstreicht die Bedeutsamkeit des Dialogs zwischen den
Glaubensgemeinschaften: "Besonders wichtig finde ich, dass wir
uns hier gemeinsam Gedanken zu einem Thema machen, das uns alle
betrifft: die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde."
Um den Austausch zwischen den verschiedenen
Glaubensgemeinschaften und Nationalitaten zu erleichtern, sind
wahrend des gesamten Kolloquiums Simultanubersetzer fur
Franzosisch, Arabisch und Englisch vor Ort. Dadurch konnen
alle Teilnehmenden die Sprache nutzen, die ihnen am nachsten
liegt. Fur David Hallman ein Zeichen der Gastfreundschaft und des
Respekts: "Dadurch betont der ORK, dass wir es mit dem Dialog
ernst meinen."
Am Morgen erlauterte zunachst Professor Ahmed El Khamlichi,
Islamwissenschaftler vom koniglich-marrokanischen Palast, die
Positionen des Islams zum Klimawandel. "Der Koran stellt fest,
dass Gott den Menschen erlaubt, alles zu geniessen, was ihre
Bedurfnisse stillt. Sei es Nahrung, Kleidung, Unterkunft,
Transport oder alles andere, was Freude macht. Aber nicht
exzessiv und masslos, sondern ausgewogen." Die Balance zu wahren
ist nach Khamlichi auch fur das Klima von existenzieller
Bedeutung, denn die Erde wurde als ausgewogenes System
geschaffen. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, muss jeder
einzelne Mensch aktiv werden und seinen Beitrag leisten, um
dieses Gleichgewicht wieder herzustellen und zu erhalten. Denn:
"Jede Generation wird nur fur eine bestimmte Zeit leben. Die
Umwelt ist nichts, was jemand jetzt besitzen kann. Vielmehr
gehort die Umwelt und das Klima den nachfolgenden Generationen."
Henri Madelin, Jesuitenpater und Universitatsprofessor aus
Paris, gab Einblicke in die christlichen Ansatze. Er machte
deutlich, dass die christlichen Kirchen in der Vergangenheit sich
zu sehr auf die Rolle des Menschen in der Geschichte
konzentrierten. Der okologische Kontext blieb dabei aussen vor.
"Es ist an der Zeit, dass wir zu einem Konzept zuruckkehren, dass
die Menschheit innerhalb der Biosphare verortet: Weg vom
Anthropozentrismus hin zum biblischen, kosmologischen
Theozentrismus." Eine solche Theologie muss nach Pater Madelin zu
einer Ethik der Verantwortung fuhren, die sowohl individuelles
als auch allgemeines, politisches Handeln beeinflusst.
Im Laufe der Diskussionen und Gesprache zeigte sich, dass die
Positionen der beiden Religionen in der Klimafrage nahe
beieinander liegen. Fur beide steht die Bewahrung der Schopfung
fur kommende Generationen an erster Stelle. Der marrokanische
Delegierte Abdelkader Allali betonte, dass Religionen helfen
konnen, Umwelt- und Klimathemen anzusprechen, indem sie eine
"Sprache des Herzens" benutzen. Diese sollte in den
Klimaverhandlungen ein viel grosseres Gewicht erhalten, forderte
er.
Michael Zammit Cutajar, Exekutivsekretar,
UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), begrusste in einer Ansprache
nachdrucklich die Veranstaltung eines interreligiosen Kolloquiums
durch den ORK. Er betonte: "Nachhaltigkeit ist nicht nur eine
Frage des Zusammenlebens in Harmonie mit der Natur, sondern auch
mit den Menschen."
Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion mit
Regierungsvertretern und -vertreterinnen aus Schweden, Irland,
Argentinien und Marokko, unterstrich Botschafter S.E. Raul
Estrada-Oyuela aus Argentinien noch einmal die Gemeinsamkeiten
der Religionen, wenn es darum geht, die Erde fur kommende
Generationen zu bewahren. Stefan Edman von der schwedischen
Delegation machte deutlich, was er von den Religionen in der
Klimaproblematik erwartet: *Sie konnen uns helfen, das Gefuhl fur
die Heiligkeit der Schopfung wiederzugewinnen, denn die Natur ist
ein Spiegel der Schonheit und Liebe Gottes. Es gilt eine neue
Demut gegenuber der Natur zu entwickeln." Ausserdem sei es die
Aufgabe der Kirchen, sich mit denen armeren Nationen zu
solidarisieren, die bereits unter dem Klimawandel zu leiden
haben. "Die Industrienationen praktizieren hier einen neue Art
von Kolonialismus mit der Stratosphare, dem mussen wir
entgegenwirken."
Lucy Mulenkei aus Kenia stellte die Position der indigenen
Volker dar: "Fur uns ist die Mutter Erde heilig. Land und
unsere Umwelt sind die Basis unserer Existenz, unserer Kultur,
sind unser Stolz, unser Leben. Aber durch den Klimawandel
verandert sich unser Lebensraum. Die heiligen Platze fur
unsere Gottesdienste verschwinden. Die Religionen mussen uns
helfen zu verstehen, was geschieht - und was wir in unseren
Gemeinschaften vor Ort tun konnen."
Das Kolloquium hinterliess bei allen Teilnehmenden einen grossen
Eindruck. Ahmed Sajid, Universitatsdozent aus Marrakesch,
erklarte: "Den kommenden Ramadan will ich nutzen, um den Koran
noch einmal ganz zu lesen. Dabei werde ich mir alle Stellen mit
Bezug zur Umwelt genau anschauen. Ich mochte meinen Beitrag zur
Bewahrung der Schopfung leisten. Das ist ein erster Schritt
dazu."
Als die Ubersetzer und Ubersetzerinnen am Ende des Kolloquiums
ihre Kabinen verlassen, sind auch sie bewegt: "Eure Worte haben
unsere Herzen beruhrt." Fur die Delegation des ORK aber steht
fest: Der Dialog zwischen den Glaubensgemeinschaften zur
Klimaproblematik hat damit erst begonnen.
-------------
Die deutsche Journalistin Mirjam Schubert begleitete das
okumenische Team des ORK wahrend der siebten Klimakonferenz
(COP 7) in Marrakesch, Marokko.
Weitere Informationen erhalten Sie von: Karin Achtelstetter,
Medienbeauftragte
Tel: (++41.22) 791.61.53 Handy: (+41) 79.284.52.12
**********
Der Okumenische Rat der Kirchen (ORK) ist eine Gemeinschaft von
342 Kirchen in uber 100 Landern auf allen Kontinenten und aus
praktisch allen christlichen Traditionen. Die romisch-katholische
Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ORK
zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die
ungefahr alle sieben Jahre zusammentritt. Der ORK wurde 1948 in
Amsterdam (Niederlande) offiziell gegrundet. An der Spitze der
Mitarbeiterschaft steht Generalsekretar Konrad Raiser von der
Evangelischen Kirche in Deutschland.
Okumenischer Rat der Kirchen
ORK-Medienbeauftragte
Tel: (41 22) 791 6153 / 791 6421
Fax: (41 22) 798 1346
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org
Postfach 2100
1211 Genf 2, Schweiz
Browse month . . .
Browse month (sort by Source) . . .
Advanced Search & Browse . . .
WFN Home