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ORK - Grussbotschaft an die weltweite muslimische


From "Sheila Mesa" <smm@wcc-coe.org>
Date Fri, 16 Nov 2001 10:13:29 +0100

Gemeinschaft zu Beginn des Ramadan

Okumenischer Rat der Kirchen
Pressemitteilung, PR-01-42
zur Veroffentlichung frei
16. November 2001

Grussbotschaft des Okumenischen Rates der Kirchen an die
weltweite muslimische Gemeinschaft zu Beginn des Ramadan

Der Generalsekretar des Okumenischen Rates der Kirchen (ORK),
Dr. Konrad Raiser, hat ein Schreiben an Fuhrungspersonlichkeiten
der muslimischen Religionsgemeinschaften weltweit gesandt. Der
Brief  wird zu Beginn des Ramadan, des heiligen muslimischen
Fastenmonats verschickt, der in diesem Jahr fast mit der
christlichen Adventszeit zusammenfallt.  

In seinem Schreiben erinnert Raiser an die spirituellen Bande,
die Christen und Muslime vereinen und die im Anschluss an die
tragischen Ereignisse vom 11. September wiederentdeckt werden
mussen.  

"Als Christen lehnen wir die Tendenz ab, der man in westlichen
Landern nicht selten begegnet, Muslime als eine Bedrohung
anzusehen und ein negatives Bild des Islam zu zeichnen, von dem
sich das eigene Bild positiv abhebt", schreibt Raiser.  

Er ruft zu echter Zusammenarbeit und zu gemeinsamen Bemuhungen
auf, um den Opfern Hilfe zu leisten und Menschenrechte sowie
humanitares Volkerrecht zu verteidigen, und fordert eine
"Intensivierung des Dialogs der Religionen und Kulturen".  

Die ORK-Mitgliedskirchen sowie auch okumenische und
konfessionelle Gremien haben eine Kopie des Schreibens an die
muslimischen Fuhrer erhalten. Raiser bittet sie in einem
Begleitbrief, "nach den fur Ihre Situation am besten geeigneten
Wegen zu suchen, um sich in den kommenden Wochen mit muslimischen
Partnern zu Akten der spirituellen Gemeinschaft und des Gebets
fur Frieden und Gerechtigkeit zusammenzufinden".  

"Die Botschaft soll ein Ausdruck unserer Solidaritat mit der
muslimischen Gemeinschaft in dieser schwierigen Zeit sein und
unser Engagement gegenuber dem Geist des Dialogs und des
gegenseitigen Vertrauens manifestieren, der sich uber die
vergangenen Jahrzehnte entwickelt hat", erklart Raiser.  

Nachstehend der Text des Schreibens an die muslimischen Fuhrer:

'Der gesegnete Monat Ramadan und die den Christen heilige
Adventszeit, eine Zeit des Fastens und der Besinnung, in der sich
die Glaubigen auf die Geburt Jesu Christi vorbereiten, fallen in
diesem Jahr zusammen. So werden sie zu einem der vielen Zeichen,
die uns zu denen machen, die einander "am nachsten in Liebe"
sind, und uns im gemeinsamen Gehorsam zu Gott vereinen. In dieser
schwierigen Zeit ist es wichtig, dass wir die spirituellen Bande,
die uns einen, wieder von neuem entdecken.   

Das Fasten soll uns ja an die Gegenwart Gottes erinnern. Die
Glaubigen sind eingeladen, in ihrem personlichen Leben wie
auch als Gemeinschaft in Demut und Liebe zu Gott umzukehren und
bei ihm Vergebung und Starkung zu suchen. Die Fastenzeit ist eine
Zeit der Gnade. Wir empfangen von neuem Gottes Gnade fur uns
selbst wie auch die Gnade, die wir fureinander erbitten. Es ist
eine Zeit der Frommigkeit, der tiefen Hingabe und der
grossherzigen Spenden. Die geduldige Enthaltsamkeit der
Glaubigen, mit der sie zeigen, dass die Menschen andere
Bedurfnisse haben als Nahrung und dass der Leib ihr Diener ist
und nicht ihr Herr, soll uns daran erinnern, dass Haben Teilen
bedeutet. Es ist ein Aufruf, Gerechtigkeit zu uben, denn der
gerechte Umgang mit anderen kann nicht von wahrer Frommigkeit
getrennt werden.  

Die furchtbaren Anschlage vom 11. September sind von den
massgeblichen Stellen in der gesamten islamischen Gemeinschaft
und in den Kirchen verurteilt worden. Allerorten haben Muslime
auf den Grundsatz des Korans hingewiesen, dass keiner des anderen
Last tragen durfe. Und viele unserer muslimischen Freunde haben
einander und uns alle an das Gebot des Korans erinnert, dass wir
uns nicht vom Hass anderer verleiten lassen durfen, Unrecht zu
tun und vom Pfad der Gerechtigkeit abzuweichen. Muslime und
Christen stehen nachdrucklich fur Gerechtigkeit ein und haben
davor gewarnt, der Versuchung blinder Rache und unterschiedsloser
Vergeltung zu erliegen. Kirchen in den USA und ausserhalb haben
sich in Demut dem Ruf den Apostels geoffnet, Boses nicht mit
Bosem zu vergelten. Viele Christen haben erklart, dass die
Antwort auf den Terrorismus nicht die Spirale der Gewalt
ankurbeln darf. Jede Tat, durch die Leben zerstort wird, sei es
durch Terror oder Krieg, widerspricht dem Willen Gottes.  

Die jungsten tragischen Ereignisse haben die Verwundbarkeit
aller Staaten und die Zerbrechlichkeit der Weltordnung sichtbar
gemacht. Eine Welt, in der mehr und mehr Menschen und sogar ganze
Nationen in ausserster Armut gehalten werden, wahrend andere
immense Reichtumer anhaufen, kann nicht stabil sein. Die Tendenz,
anderen - notfalls mit Gewalt - seinen Willen aufzuzwingen, die
in der Politik machtiger Staaten manifest wird, ruft in
schwacheren Staaten Ressentiments hervor. Die Sprache der
Drohung und die Logik des Krieges sind der Nahrboden fur Gewalt.
Solange die Schreie derer nicht gehort oder beachtet werden, die
durch unaufhorliches Unrecht, durch die systematische
Vorenthaltung ihrer Rechte als Personen und als Volker und durch
die Arroganz einer auf militarischer Starke beruhenden Macht
erniedrigt werden, lasst sich der Terrorismus nicht uberwinden.
Der einzige Weg aus diesem Dilemma besteht darin,  das Unrecht
wieder gutzumachen, das Gewalt zwischen Staaten und innerhalb von
Staaten schurt.  

Die Gewalt des Terrorismus - in allen seinen Ausdrucksformen -
ist verabscheuungswurdig, insbesondere fur die, die glauben, dass
das Leben ein Geschenk Gottes und deshalb unendlich kostbar ist.
Jeder Versuch, von welcher Seite auch immer, andere
einzuschuchtern und unterschiedslos Tod und Verwundung uber
sie zu bringen, muss weltweit und generell verurteilt werden. Die
Reaktion auf solche Akte darf jedoch nicht die Stigmatisierung
von Muslimen, Arabern oder anderen ethnischen Gruppen sein. Die
Kirchen sind aufgerufen, die Stimmen von Feindseligkeit,
Rassismus und Intoleranz mit ihren Worten der Bruderlichkeit und
des Mitgefuhls zu ubertonen. Die Stimme des Glaubens, die in den
zahlreichen Gesten der Freundschaft und der Solidaritat zum
Ausdruck kommt, muss lauter sein als die von Fanatismus, Angst
und Nihilismus gespeisten Reden.   

Als Christen lehnen wir die Tendenz  ab, der man in vielen
westlichen Landern nicht selten begegnet, Muslime als eine
Bedrohung anzusehen und ein negatives Bild des Islam zu zeichnen,
von dem sich das eigene Bild positiv abhebt. Die Christen leben
unter dem gottlichen Gebot, kein falsches Zeugnis wider ihre
Nachsten zu reden. Die Begegnung der Christen mit dem Islam
und mit Muslimen erfordert intellektuelle Aufrichtigkeit und
Integritat. Sie mussen ihren muslimischen Nachbarn im Geist der
Liebe gegenubertreten, empfanglich sein fur ihre tiefsten
Glaubensuberzeugungen und erkennen, was Gott unter ihnen getan
hat und tut. Erst dann erlangt der Dialog zwischen Muslimen und
Christen, in dem  der Okumenische Rat der Kirchen mit Uberzeugung
engagiert bleibt, seine wahre Bedeutung. Vielfach wird heute der
Ruf nach einer Intensivierung des Dialogs der Religionen und
Kulturen laut. Solch ein Dialog kann allerdings nur dann Fruchte
tragen, wenn er auf Vertrauen aufgebaut ist, auf absolutem
Respekt der Identitat und der Integritat des Anderen, der
Bereitschaft, den Anderen aus seiner Sicht zu verstehen und das
eigene Selbstverstandnis sowie die eigene Geschichte und 
Gegenwart zu hinterfragen.  

Aus dem Dialog, den Christen und Muslimen in vielen Teilen der
Welt tagtaglich fuhren, sowie aus ihrem Zusammenwirken haben wir
gelernt, dass unsere Religionsgemeinschaften nicht zwei
monolithische Blocke sind, die einander gegenuberstehen oder
miteinander rivalisieren. Wir haben gelernt, dass eventuelle
Spannungen und Konflikte, nicht blutige Grenzen zwischen Muslimen
und Christen ziehen und auch nicht ziehen durfen. Wir wissen,
dass Religion Ausdruck der tiefsten Gefuhle und Empfindungen von
Einzelnen und Gemeinschaften ist und deren weit in die Geschichte
zuruckreichenden Erinnerungen speichert und dass sie haufig
absolute Loyalitat einfordert. All dies rechtfertigt aber keine
unkritischen Reaktionen, die Menschen in Konflikt miteinander
bringen anstatt sie ihre Krafte ungeachtet ihrer religiosen
Zugehorigkeit zusammenlegen zu lassen, um gemeinsame
Prinzipien der Gerechtigkeit und Versohnung zur Anwendung zu
bringen. Islam und Christentum mussen befreit werden von der
Last, die Gruppeninteressen und parteiische Glaubensauslegungen
darstellen. Vielmehr mussen ihre Glaubensuberzeugungen
Ausgangspunkt sein fur ein kritisches Engagement angesichts
menschlicher Schwache und des Versagens der sozialen,
wirtschaftlichen und politischen Ordnung.     

Es ist an der Zeit, Zeichen fur eine echte Zusammenarbeit zu
setzen, insbesondere durch das Engagement in gemeinsamen
Bemuhungen, den Opfern Hilfe zu leisten und Menschenrechte
sowie humanitares Volkerrecht zu verteidigen. Diese Art von
Zusammenarbeit ist besonders wichtig zu einem Zeitpunkt, da die
humanitare Arbeit unter Beschrankungen und Verdachtigungen zu
leiden hat und fur politische und Propagandazwecke gebraucht
wird, und zwar in einem Masse, dass sie sogar mit
Kriegshandlungen verknupft wird. Es ist an der Zeit, unsere
Begegnung zu vertiefen und unseren Schmerz, unsere
wechselseitigen Erwartungen und unsere Hoffnungen miteinander zu
teilen.  

Liebe Freunde, 
Das Gebet um Gottes Frieden steht im Mittelpunkt der
muslimischen und der christlichen Spiritualitat. Zu Beginn des
Fastenmonats Ramadan mochten wir Sie mit einem Wort des Friedens
und der Freundschaft grussen.   

Moge Ihr Fasten und unseres dem Herrn gefallen.'  

Weitere Informationen erhalten Sie von:  Bob Scott, Team fur
Information und Offentlichkeitsarbeit, Tel.: (+41.22) 791.61.66

*********
Der Okumenische Rat der Kirchen (ORK) ist eine Gemeinschaft von
342 Kirchen in uber 100 Landern auf allen Kontinenten und aus
praktisch allen christlichen Traditionen. Die romisch-katholische
Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ORK
zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die
ungefahr alle sieben Jahre zusammentritt. Der ORK wurde 1948 in
Amsterdam (Niederlande) offiziell gegrundet. An der Spitze der
Mitarbeiterschaft steht Generalsekretar Konrad Raiser von der
Evangelischen Kirche in Deutschland.

Okumenischer Rat der Kirchen
ORK-Medienbeauftragte 
Tel: (41 22) 791 6153 / 791 6421
Fax: (41 22) 798 1346
E-Mail: ka@wcc-coe.org 
Internet: www.wcc-coe.org 

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