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Wahrheit muss siegen und TaeterInnen muessen Schuld bekennen
From
"Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date
Mon, 19 Nov 2001 11:21:43 -0600
Chilenische Kirchenpraesidentin: Wahrheit muss siegen und TaeterInnen
muessen Schuld bekennen
Gloria Rojas zu Besuch beim LWB
Genf, 19. November 2001 (LWI) - Sie ist zierlich, bescheiden,
zurueckhaltend. Auf den ersten Blick verraet nichts, dass Gloria
Rojas eine Aufgabe meistert, die aussergewoehnliche Energie und Kraft
erfordert. Die 48-jaehrige Theologin ist seit Mai vergangenen Jahres
Kirchenpraesidentin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile. Die
Kirche hat zwar nur 3.000 aktive Mitglieder, aber diese leben
verstreut auf ein Gebiet, das sich von Santiago de Chile bis in den
Sueden des suedamerikanischen Landes erstreckt. Die
Kirchenpraesidentin mit Sitz in der Hauptstadt legt Wert darauf,
jeweils mehrere Tage in all ihren Gemeinden mit insgesamt zwoelf
PastorInnen zu verbringen, berichtet sie am 16. November in einem
Gespraech mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) anlaesslich
eines Besuchs des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Genf.
Allein diese Gemeindebesuche kosten viel Zeit. Neben den ueblichen
Aufgaben einer Kirchenpraesidentin, also Bischoefin, steckt sie zudem
mittendrin in einem neuartigen Fortbildungsprogramm fuer lutherische
Fuehrungskraefte in Lateinamerika. Drei Jahre lang besuchen 17
TheologInnen in Chicago, USA, jaehrlich drei Wochen lang Kurse zu den
Themen Mission und Kirchenleitung. Die anderen Teile des
praxisorientierten Programms werden in den jeweiligen Heimatlaendern
absolviert. "Ziel ist, neue Wege der Kirchenleitung und der
pastoralen Arbeit fuer Lateinamerika zu finden", sagt Rojas.
Dies ist die Zukunftsfrage fuer eine Kirche, die 1852 im Sueden
Chiles von deutschen EinwandererInnen gegruendet wurde und die sich
erst gut hundert Jahre spaeter vollstaendig der spanischen Sprache
oeffnete. Heute ist Spanisch die Hauptsprache, waehrend nur noch
einige Gemeinden zweisprachig sind. Rojas selbst spricht nur wenig
deutsch.
Sie bewaeltigt die beruflichen Aufgaben zusammen mit ihren
familiaeren Pflichten in einem Fuenf-Personen-Haushalt. "Ich erfahre
grosse Unterstuetzung durch meinen Mann. Sonst waere ich nicht dort,
wo ich heute bin", unterstreicht sie. Ihr Mann arbeitet als
freiberuflicher Psychologe und Philosoph, die Kinder im Alter von 17,
20 und 21 Jahren befinden sich noch in der Ausbildung.
Gloria Rojas wurde 1953 in Chile geboren und studierte mit einem
LWB-Stipendium in Argentinien Theologie. 1985 wurde sie in ihrer
Kirche ordiniert. Ihr Mandat als Kirchenpraesidentin geht bis 2003,
eine Wiederwahl ist moeglich. Sie ist die erste Kirchenpraesidentin
in Chile und eine unter vier Kirchenleiterinnen in Lateinamerika. Die
anderen drei Theologinnen leiten Kirchen in Peru, Nicaragua und
Puerto Rico.
Rojas Kirche ist gepraegt von der Vergangenheit Chiles nach dem
Militaerputsch gegen Praesident Salvador Allende 1973 und den 17
Jahre dauernden Menschenrechtsverletzungen unter General Augusto
Pinochet. Ein Teil ihrer Kirche erklaerte sich solidarisch mit den
Gefolterten, Ermordeten und Entfuehrten des Regimes. Der groessere
Teil verliess jedoch die Kirche und bildete neu die Lutherische
Kirche in Chile mit heute rund 12.000 Mitgliedern. Inzwischen hat
sich das Verhaeltnis der beiden lutherischen Kirchen des Landes etwas
entspannt, berichtet Rojas. "Wir koennen jetzt ueber die
Vergangenheit miteinander reden."
Mit der heutigen demokratischen Regierung des ueberwiegend
katholischen Landes mit 14 Millionen EinwohnerInnen hat die Kirche
von Praesidentin Rojas kein Problem. Seit dem vergangenen Jahr seien
die protestantischen Kirchen rechtlich auf demselben Stand wie die
katholische Kirche, sagt sie. Ihre Kirche arbeite mit der Regierung
auf sozialem Gebiet und bei ethischen Fragen zusammen und spiele eine
wichtige Rolle in der Gesellschaft.
Eine grosse Last fuer das Land ist die ungeloeste Frage eines
Prozesses gegen Pinochet und seine HelferInnen. Wie koennen
TaeterInnen und Opfer der Pinochet-Aera versoehnt und die
Straflosigkeit bekaempft werden? "Unsere Kirche wird sich weiter fuer
die Gerechtigkeit einsetzen", unterstreicht Rojas. Erst seit der
Verhaftung Pinochets 1998 in London sei eine offene Diskussion ueber
die Grausamkeiten der Diktatur in Chile in Gang gekommen. Fuer Rojas
ist es das Wichtigste, dass die Wahrheit ueber diese dunkle Zeit ans
Licht kommt. "Die Wahrheit muss siegen und die Taeter muessen ihre
Schuld und ihre Fehler bekennen. Ohne diesen Schritt ist Versoehnung
in Chile nicht moeglich", ist Rojas ueberzeugt. (619 Woerter)
(Mit Kirchenpraesidentin Gloria Rojas sprach Ulla Jaenicke, Genf.)
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 133 Mitgliedskirchen, denen rund 60,5 Millionen der
weltweit rund 64,3 Millionen LutheranerInnen in 73 Laendern
angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt
als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen
Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die
mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
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***
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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