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Ein Schutzpanzer gegen Schlaege - Kunsttherapie fuer Kinder in Chile
From
"Frank Imhoff" <franki@elca.org>
Date
Fri, 31 May 2002 13:27:05 -0500
Projekt der lutherischen Gemeinde in San Bernardo ist landesweit
einmalig
Santiago de Chile (Chile)/Genf, 31. Mai 2002 (LWI) - Cisar bastelt
konzentriert an einem Hund aus Pappmachi. Der 14-Jaehrige ist neu
in der Gruppe und sagt keinen Ton. Cisar ist in seiner Entwicklung
leicht zurueckgeblieben. Seit seiner fruehen Kindheit schlief er im
Bett der Mutter und musste immer wieder miterleben, wie der Vater
die Mutter vergewaltigte.
Manuels Schildkroete ist fast fertig. Einen Schutzpanzer braeuchte
auch der zehn Jahre alte Junge. Denn er wird von seinem Vater
regelmaessig geschlagen und in den Hof ausgesperrt. Solche und
aehnliche Erfahrungen haben alle Kinder gemacht, die jeden
Donnerstag zur Kunsttherapie kommen, die die lutherische Gemeinde
von San Bernardo, einer Kleinstadt in der Naehe der chilenischen
Hauptstadt Santiago de Chile, organisiert.
Der Kunstkurs fuer die Kinder findet in einem
Frauenberatungszentrum der Gemeinde statt. Hier finden Frauen, die
Gewalt in der Familie ausgesetzt sind, psychologische Betreuung und
juristische Beratung. In San Bernardo ist das Zentrum die einzige
Anlaufstelle fuer Frauen, nachdem die Stadtverwaltung ihre
Beratungsstelle geschlossen hat.
Damit die Kinder dieser Frauen ihre traumatischen Erlebnisse
verarbeiten koennen, bietet das Zentrum ihnen einmal in der Woche
einen Therapienachmittag mit einer Kinderpsychologin und einem
Lehrer fuer bildende Kunst. Die Kinder lernen nicht nur, Tiere aus
Pappmache' zu basteln. "Fuer die Dauer des Nachmittags sind wir
Mutter und Vater fuer die Kinder", erklaert die Kinderpsychologin
und Direktorin des Zentrums Begoqa Macaya Aretxabala. Sie zeigten
den Kindern, dass Mann und Frau freundlich und humorvoll
miteinander und mit den Kindern umgehen koennten, sagt Macaya.
Im Gespraech fragt die Psychologin die Kinder, was sie spaeter
machen wuerden, wenn ihre Kinder sich schlecht benehmen. Alle, ohne
Ausnahme, sagen, sie wuerden sie schlagen. Bisher aber sind die
Kinder Opfer, nicht Taeter. Ihre Verzweiflung zeigt sich in den
Lebewesen, die sie basteln, eine gekruemmte Taenzerin, die die
Haende wie zu einem Schrei erhebt. Eine Katze, die sich aengstlich
duckt. "Es ist wichtig fuer diese Kinder, dass sie ihrer Angst,
ihrer Verzweiflung, ihrer Einsamkeit mit solchen Figuren Ausdruck
verleihen koennen", sagt Kunstlehrer Javier Martmnez Herrera.
Das Zentrum von San Bernardo ist das einzige in ganz Chile, das
Kunsttherapie fuer Kinder anbietet. Viele chilenische
KinderpsychologInnen beobachten dieses Projekt mit Misstrauen.
"Manche Kollegen denken, wir sind verrueckt. Einige wenige halten
es fuer eine gute Idee, aber nicht zu finanzieren", berichtet
Begoqa Macaya. Auch in San Bernardo ist die Arbeit mit den Kindern
finanziell nur bis Ende Juni gesichert.
Kurz vor Ende des Therapienachmittags liest Kunstlehrer Martmnez
aus dem Kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupiry vor. Die
Kinder lauschen andaechtig. Ein Mann - fuer die Dauer des Kurses
ihr symbolischer Vater - liest ihnen in aller Ruhe Geschichten vor,
das haben diese Kinder zu Hause noch nicht erlebt. (459 Woerter)
(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Alexandra Jaenicke, die
gegenwaertig in der Oeffentlichkeitsarbeit der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile in Argentinien
mitarbeitet.)
* * *
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