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ORK - Abschied und Neubeginn in der Casa Locarno


From "Sheila Mesa" <smm@wcc-coe.org>
Date Tue, 25 Jun 2002 10:30:00 +0200

Okumenischer Rat der Kirchen
ORK-Feature, Feat-02-07
zur Veroffentlichung frei
25. Juni 2002

"So einen Ort tragt man im Herzen mit"
Abschied und Neubeginn in der Casa Locarno

Rainer Lang 

Wahrend andere uber Zukunftsplane sprechen, fallt es Magdalena
Keller schwer Abschied zu nehmen. Rund 17 Jahre - von 1982 bis
1999 - hat sie die Casa Locarno geleitet. Jetzt wird die
Begegnungsstatte geschlossen und das hoch uber dem
schweizerischen Locarno am Lago Maggiore gelegene Haus, das der
Okumenische Rat der Kirchen (ORK) und das Hilfswerk der
evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) im Jahr 1947 gekauft
haben, verkauft.  
 
Drei Tage lang, vom 24. bis 26. Mai 2002, feierten die
Mitglieder des Vereins Casa Locarno sowie der Mitarbeiterstab,
Gaste und Freunde des Hauses in Locarno-Monti und dem
benachbarten Ascona Abschied mit einem Abend der Begegnung, einem
Festvortrag von ORK-Generalsekretar Dr. Konrad Raiser, einer
festlichen Haus-, Weg- und Tischgemeinschaft sowie einer
Ausstellung unter dem Motto: "Mit Wurde Abschied nehmen, mutig
neue Wege gehen".   

"Casa on the road"

So soll die ursprungliche Idee der Casa, einen Ort der Begegnung
und Versohnung zwischen Menschen, Konfessionen, Nationen und
Religionen anzubieten, nun in der "Casa Locarno on the road"
weiterleben. Ab 2003 wird das Casa-Konzept an verschiedenen
Begegnungs- und Tagungszentren in Mittel- und Osteuropa
fortgesetzt werden.   
 
Er freue sich daruber, so Konrad Raiser, dass der Abschied
zugleich Aufbruch sei. Raiser erinnerte daran, dass die Casa eine
grosse Bedeutung fur viele Menschen uber viele Jahre gehabt habe:
"Es freut mich, dass der Name des ORK mit der Casa verbunden
ist". Hier sei mehr passiert als Erholung. Fern von der Hektik zu
Hause seien sich die Menschen uber Grenzen - sprachliche,
kulturelle und religiose - hinweg begegnet. Um was es in der
Okumene gehe, hatten sie auf elementar-menschliche Weise
erlebt.  

In seinem Festvortrag "Grenzen uberwinden in Europa" blickte
Raiser "auf das fortdauernde Erbe der Geschichte". In den
vergangenen 1000 Jahren habe es nur wenige Grenzen gegeben, die
sich nicht verandert hatten. Eine jedoch, die zwischen dem
ostromischen und westromischen Reich sei zur Grenze zwischen
unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen
Strukturen geworden. Die Uberwindung dieser Grenze sieht Raiser
als die entscheidende okumenische Aufgabe im heutigen Europa. Fur
das Zusammenwachsen von Europa konne die kunftige Casa einen
wichtigen Beitrag leisten. Es gehe dabei unter anderem auch
darum, die Muslime als integralen Bestandteil Europas
anzuerkennen. Eine besondere Rolle komme deshalb der
Verstandigung von Christen und Muslimen zu.   

HEKS-Zentralsekretar Franz Schule stellte das Konzept der "Casa
on the road" vor, die ihren Schwerpunkt in Osteuropa haben soll.
Eine erste Begegnung habe bereits in Polen stattgefunden. Schule
kann sich Begegnungen im Kaukasus vorstellen zwischen orthodoxen
und lutherischen Kirchen sowie Muslimen oder im rumanischen
Grenzgebiet. Aber auch die thematisch orientierten Begegnungen,
wie sie in jungster Zeit in Locarno erprobt wurden - Frauen- oder
Jugend-Casa - sollen weitergefuhrt werden. Die Organisation soll
lokal oder regional erfolgen. "Es ist ein Suchen und ein
Abenteuer", charakterisierte der HEKS-Zentralsekretar den
Neuanfang. "Die Vision ist jetzt, dass ein Netzwerk von kleinen
und grossen Casas in ganz Europa entsteht."  
 
Mit Blick auf die kunfige Aufgabenstellung der Casa, rief Raiser
dazu auf, die neu entstandenen Trager der Okumene mit
einzubinden. Der ORK konne das Dach bilden und der neuen Form der
Begegnung so die Legitimation geben.   

Und obwohl der Abschied von der Casa Locarno schwer fiel, waren
sich alle einig, dass sich im vergangenen halben Jahrhundert in
Europa so viel geandert habe, dass sich die Casa Locarno in ihrer
bisherigen Form uberlebt habe. 

Das bestatigt auch Susann Kunzler, die gegenwartige Leiterin der
Casa. So seien die Gaste aus dem Westen nach der Wende in Europa
1989/90 mehr und mehr ausgeblieben. Franz Schule erinnerte daran,
dass die Casa als Antwort auf die Notsituation nach dem Zweiten
Weltkrieg, auf das auch menschliche kaputte Europa gegrundet
worden sei. Daraus ist ein Ort der Okumenischen Begegnung
entstanden - zwischen Ost und West.  

Erlebte Geschichte 

In der Casa habe der Verlauf der Geschichte immer ihren direkten
Niederschlag gefunden, betont Elisabeth Werner, die von 1961 bis
1982 die Casa leitete. Die Nachwirkungen des Krieges seien noch
lange zu spuren gewesen. Sie erinnert sich noch gut daran, wie
sie nachtelang am Bett eines kranken Gastes wachte, der das
Konzentrationslager uberlebt hatte. Mitgelitten hat auch
Magdalena Keller, als sie erlebt hat, wie schwierig und
schmerzlich die Begegnungen zwischen Ost- und Westdeutschen in
der Casa nach dem Fall der Mauer gewesen seien.   

Das alles hat sich in den Gastebuchern niedergeschlagen, in
denen sich viele prominente Namen finden, wie der Theologe Karl
Barth oder der ehemalige deutsche Bundesprasident Gustav
Heinemann.   

Peter Novak aus Tschechien steht im Garten der Casa und schaut
wehmutig ins Tal hinunter. Hoch oben uber dem Lago Maggiore liegt
die Casa Locarno, ein stattliches Haus, von dem man eine
herrliche Aussicht auf Locarno und das gegenuberliegende Seeufer
hat. Die Schonheit des Tessin zieht ihn wieder in ihren Bann. Der
29jahrige hat vor vier Jahren ein halbes Jahr als Volontar - als
Freiwilliger - in der Casa gearbeitet. Dem Krankenpfleger, der
damals uber die hussitische Kirchenzeitung von der Casa erfahren
hat, gefallt die Landschaft. Auf die Frage, was ihm damals am
besten gefallen habe, antwortet er nur: "Es war einfach schon."
Und er war begeistert, dass er so viele Menschen aus
verschiedenen Landern kennen lernte.  

Freundschaften sind bestehen geblieben, auch die zur
Hauswirtschafterin der Casa, Hannedore Steger, der gerade die
Arbeit mit jungen Menschen sehr viel Spass macht. Besonders auf
der sprachlichen Ebene sei es oft schwierig gewesen, Wege der
Verstandigung zu finden, sagt sie.  
  
In den vergangenen Jahren sind die meisten Gaste aus Osteuropa
gekommen - aus Tschechien, Ungarn, Slowakei, Rumanien oder
Estland. Aus diesen Landern sind auch die gegenwartigen Volontare
und Volontarinnen. Die Pfarrerstochter Susanna Sold zum Beispiel
kommt aus Rumanien. Die Eltern der 23jahrigen waren ein Jahr
zuvor dagewesen.  
  
Volontare, das waren fruher die sogenannten "Casa-Kinder". Eines
von ihnen war Mieke Korenhof in den Jahren 1962/63. Die geburtige
Hollanderin ist heute als Theologin in Deutschland tatig. In
einer Zeit, in der man noch nicht so viel reisen konnte, habe man
an keinem anderen Ort so viele Menschen in so kurzer Zeit aus
unterschiedlichsten Landern und religiosen Umgebungen
kennenlernen konnen, erinnert sie sich. In der Casa habe sie das
Zusammenwachsen, die Okumene erlebt; viele Freundschaften sind
entstanden. "So einen Ort tragt man im Herzen mit", sagt sie 40
Jahre spater.  
____________________

Rainer Lang ist Kommunikationsreferent fur ACT International
(Kirchen helfen gemeinsam)

Fotos zu diesen Features finden Sie auf unserer Webseite:
http://www.photooikoumene.org/events/events.html 

Weitere Informationen erhalten Sie vom Buro der
ORK-Medienbeauftragten,      
Tel.:  (+41.22) 791.61.53    

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Der Okumenische Rat der Kirchen (ORK) ist eine Gemeinschaft von
342 Kirchen in uber 100 Landern auf allen Kontinenten und aus
praktisch allen christlichen Traditionen. Die romisch-katholische
Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ORK
zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die
ungefahr alle sieben Jahre zusammentritt. Der ORK wurde 1948 in
Amsterdam (Niederlande) offiziell gegrundet. An der Spitze der
Mitarbeiterschaft steht Generalsekretar Konrad Raiser von der
Evangelischen Kirche in Deutschland.

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