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LWB warnt vor Militaerschlag gegen den Irak
From
"Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date
Tue, 03 Sep 2002 09:07:59 -0500
LWB-Generalsekretaer Noko fordert britische Regierung auf,
kritische Stimmen zu beruecksichtigen
Genf, 2. September 2002 (LWI) - Vor einer militaerischen
Intervention gegen den Irak hat der Generalsekretaer des
Lutherischen Weltbundes, Pfr. Dr. Ishmael Noko, in einem Schreiben
an die britische Regierung gewarnt. Der zur Diskussion stehende
Militaerschlag werde in keiner Weise zur Schaffung eines gerechten
Friedens im Nahen Osten beitragen. Er werde "vielmehr wachsenden
Hass, Misstrauen und Rachedurst zur Folge haben", betonte Noko in
seinem Schreiben an den Vorsitzenden des britischen Unterhauses,
Robin Cook.
Angesichts der grossen und weiter zunehmenden Besorgnis innerhalb
der Mitgliedskirchen des LWB forderte Noko die britische Regierung
auf, die oeffentliche Meinung des Landes sowie der internationalen
Gemeinschaft bei einer etwaigen Entscheidung ueber eine
Militaerintervention im Irak zu beruecksichtigen. Die erheblichen
und ernsten Vorbehalte sowie offene Ablehnung eines solchen
Schrittes in weiten Teilen der internationalen Gemeinschaft
sollten den BefuerworterInnen eines Militaerangriffs auf den Irak
Anlass geben, ihre Haltung zu ueberdenken.
Er hoffe, so Noko, dass der politische Einfluss Grossbritanniens
und dessen militaerische Macht nicht zur Destabilisierung des
Nahen Ostens und der Welt insgesamt zum Tragen kommen, sondern
zugunsten eines tragfaehigen und gerechten Friedens eingesetzt
werden. "Blinde Vergeltung, politische Vorteile oder
wirtschaftliche Interessen duerfen nicht die Oberhand gewinnen
ueber die Bindung der Voelker des Vereinigten Koenigreichs und der
Vereinigten Staaten von Amerika an die Prinzipien des Friedens und
der Gerechtigkeit, die ausser Zweifel steht."
Seiner Ansicht nach sollten die Rechtfertigung und moeglichen
Konsequenzen eines militaerischen Schlages gegen den Irak in den
Laendern, deren Streitkraefte zum Einsatz kommen koennten, sowie
im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der ein solches
militaerisches Vorgehen billigen muesse, ausreichend diskutiert
werden.
Nach Medienberichten verlautete seitens der britischen Regierung,
dass ein Militaereinsatz gegen den Irak nicht direkt bevorstehe,
das Parlament jedoch aus der Sommerpause einberufen werde um die
Frage zu eroertern, falls es zu einer Entscheidung ueber einen
Angriff kommen sollte. (310 Woerter)
Es folgt das Schreiben in seinem vollen Wortlaut:
Herrn Minister Robin Cook, MP
Vorsitzender des Unterhauses
London
30. August 2002
Sehr geehrter Herr Minister Cook,
Erlauben Sie mir, Ihnen die Gruesse des Lutherischen Weltbundes zu
uebermitteln, in dem 133 Mitgliedskirchen aus 73 Laendern weltweit
zusammengeschlossen sind, denen mehr als 61,7 Millionen Menschen
angehoeren.
Waehrend Ihrer Amtszeit als Aussenminister, als die Regierung und
das Volk des Vereinigten Koenigreichs sich bereiterklaerten, in
Sierra Leone friedenschaffend und -erhaltend einzugreifen, brachte
ich in einem Schreiben an Premierminister Blair die entschiedene
Unterstuetzung und Wertschaetzung des LWB fuer diese Entscheidung
zum Ausdruck. Die damals vom Vereinigten Koenigreich unternommenen
Schritte sind auch heute noch lebenswichtig fuer die Bevoelkerung
Sierra Leones.
Heute wende ich mich an Sie im Zusammenhang mit einer Frage, die
beim LWB grosse und weiter zunehmende Besorgnis hervorruft - eine
moegliche externe militaerische Intervention im Irak. Einerseits
wird in manchen Kreisen immer aggressiver von Krieg gesprochen und
mit militaerischen Massnahmen gedroht, andererseits wird
gleichzeitig immer deutlicher, wie wenig internationale
Unterstuetzung es fuer ein solches Vorgehen gibt.
Die gleichen Nationen, die einen Angriff auf den Irak mit dem
Ziel, das gegenwaertige Regime zu stuerzen, unterstuetzen - oder
deren Unterstuetzung als wahrscheinlich gilt - waren in der
Vergangenheit diejenigen, die das Regime entschlossen
unterstuetzten. Als Saddam Hussein im Krieg gegen den Iran
chemische Waffen gegen die iranische Bevoelkerung einsetzte,
gewaehrten ihm sowohl die Regierung von Praesident Reagan in den
Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Regierung von
Premierministerin Thatcher weiterhin ihre Unterstuetzung. Dass der
Irak ueber solche Waffen verfuegt und sie einsetzt scheint also
bei der Neubewertung der irakischen Fuehrung als Unrechtsregime,
das mit militaerischer Gewalt beendet werden sollte, nicht der
entscheidende Faktor gewesen zu sein.
Es ist im Blick auf die brutalen Angriffe der Regierung Saddam
Husseins auf ihre Nachbarn und gar ihr eigenes Volk notwendig und
richtig, dass die internationale Gemeinschaft darauf besteht, dass
der Irak die Waffeninspekteure der Vereinten Nationen akzeptiert.
Dass jedoch einige derselben Stimmen, die darauf bestehen, dass
der Irak den Entscheidungen des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen Folge leistet, gleichzeitig keine Notwendigkeit sehen,
eine Entscheidung ueber den Einsatz militaerischer Mittel
ebenfalls dem Sicherheitsrat vorzulegen, ist zutiefst
besorgniserregend. Wenn die Herrschaft des Voelkerrechts von den
Nationen der Welt respektiert werden soll, muss diese fuer alle
gleichermassen bindend sein und es darf keiner Nation, egal wie
maechtig sie sein mag, von ihren Verbuendeten und Freunden erlaubt
werden, diese unparteiische Herrschaft ausser Kraft zu setzen.
Ich wende mich daher an Sie als Vorsitzenden des Unterhauses und
hochrangiges Mitglied der Regierung ihrer Majestaet mit der Bitte,
dass die politische Fuehrung des Vereinigten Koenigreichs bei
jeglicher Entscheidung ueber eine militaerische Intervention im
Irak die Vielfalt der Meinungen innerhalb der britischen
Oeffentlichkeit wie auch in der internationalen Gemeinschaft
beruecksichtigt. Die schweren Bedenken gegenueber einer
Militaeraktion in weiten Kreisen der internationalen Gemeinschaft
und die klare Ablehnung unter einigen bedeutenden Akteuren sollten
denjenigen, die einen Militaerschlag gegen den Irak unterstuetzen,
Anlass geben, ihre Haltung zu ueberdenken.
Der zur Diskussion stehende Militaerschlag wird in keiner Weise
zur Schaffung eines gerechten Friedens im Nahen Osten beitragen.
Er wird vielmehr wachsenden Hass, Misstrauen und Rachedurst zur
Folge haben. Ich hoffe, dass der politische Einfluss Ihres Landes
und seine militaerische Macht nicht zur Destabilisierung des Nahen
Ostens und der Welt insgesamt zum Tragen kommen, sondern zugunsten
eines tragfaehigen und gerechten Friedens eingesetzt werden.
Blinde Vergeltung, politische Vorteile oder wirtschaftliche
Interessen duerfen nicht die Oberhand gewinnen ueber die Bindung
der Voelker des Vereinigten Koenigreichs und der Vereinigten
Staaten von Amerika an die Prinzipien des Friedens und der
Gerechtigkeit, die ausser Zweifel steht.
Ich bin der Ueberzeugung, dass die Rechtfertigung und die
moeglichen Konsequenzen des zur Diskussion stehenden Krieges in
den entsprechenden demokratischen Foren der Laender, deren
Streitkraefte eventuell zum Einsatz kommen koennten, sowie im
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der jegliche Militaeraktion
zuerst legitimieren muss, umfassend diskutiert werden sollten. In
Ihrer Funktion als Vorsitzender des Unterhauses haben Sie meiner
Meinung nach eine wichtige Aufgabe bei der Sicherung der
demokratischen Transparenz einer jeglichen Entscheidung zu diesen
Fragen.
Moege Ihnen fuer die schwere Verantwortung, die Sie tragen,
Beistand und Kraft zuteil werden.
Hochachtungsvoll
Ishmael Noko
Generalsekretaer
(671 Woerter)
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 133 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 73 Laendern
angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
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Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
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humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
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