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Nirgendwo auf der Welt darf es zur Konfrontation der Religionen kommen


From "Frank Imhoff" <franki@elca.org>
Date Thu, 12 Sep 2002 02:37:55 -0500

LWB-Praesident Krause: Unter dem gemeinsamen lutherischen
Bekenntnis waechst eine weltweite verbindliche Gemeinschaft

LWB-Ratstagung in Wittenberg (Deutschland), 10.-17. September 2002

PRESSEMITTEILUNG NR: 04

Lutherstadt Wittenberg (Deutschland)/Genf, 10. September 2002
(LWI) - Der Praesident des Lutherischen Weltbundes (LWB),
Landesbischof i. R. Dr. Christian Krause, hat die
LWB-Mitgliedskirchen heute in seiner Ansprache vor dem Rat des LWB
dazu aufgerufen, alles zu unternehmen, "um es nirgendwo auf der
Welt zur Konfrontation der Religionen kommen zu lassen". Es muesse
verhindert werden, so Krause, dass die Terroranschlaege vom 11.
September 2001 auf das World Trade Center in New York (USA) und
das Pentagon in Washington D. C. (USA) sowie die vornehmlich von
den USA und ihren Verbuendeten ergriffenen Gegenmassnahmen zu
einem "vermeintlichen Machtkampf der Religionen" umgedeutet
wuerden.

In seiner Ansprache vor den Mitgliedern des LWB-Rates, der vom 10.
bis 17. September in der Lutherstadt Wittenberg (Deutschland)
tagt, betonte der LWB-Praesident, dass die Terroranschlaege vom
11. September nicht nur die USA, sondern die ganze Welt getroffen
und bis ins Mark erschuettert haetten. Der LWB habe nach den
Anschlaegen seiner amerikanischen Mitgliedskirche, der
Evangelisch-Lutheriscen Kirche in Amerika (ELKA), und durch sie
dem amerikanischen Volk "unsere Trauer, unsere Mitbetroffenheit
und unsere Solidaritaet zum Ausdruck gebracht" und er wiederhole
dies "hier und heute namens des LWB nachdruecklich", so Krause.

Dankbar habe der LWB vor einem Jahr zur Kenntnis genommen, dass
der Leitende Bischof der ELKA, bis Ende Oktober 2001 leitete
Bischof H. George Anderson die amerikanische Kirche, dazu
aufgerufen habe, sich nicht vom Gedanken der Rache und der
Vergeltung leiten zu lassen. "Aber das Trauma sitzt tief", betonte
der LWB-Praesident. Waehrend seines Besuches bei der ELKA im Maerz
diesen Jahres sei er ueberrascht gewesen, mit welch
flaechendeckender Intensitaet die Medien nur dieses eine Thema
kannten. In einer Rede vor der amerikanischen lutherischen
Bischofskonferenz habe er dazu aufgerufen, der Markierung von
Feindbildern in einer "Achse des Boesen" eine "Achse der Hoffnung"
im Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes entgegenzusetzen.
Hierzu gehoere auch, offensiv das Gespraech mit anderen
Religionen, vor allem mit dem Islam zu suchen.

Waehrend seiner Besuchsreise nach Indonesien im April diesen
Jahres habe ihn besonders beeindruckt, wie in dem Land mit den
meisten MuslimInnen die lutherischen Kirchen in der Gemeinschaft
mit anderen christlichen Kirchen auch nach etlichen Konflikten mit
fundamentalistischen Gruppen das Gespraech mit islamischen
Fuehrern suchen und finden. Bei aller eindeutigen Verurteilung und
Bekaempfung des Terrorismus und bei aller eindeutigen Solidaritaet
mit den Opfern gelte, so der LWB-Praesident, "dass die
Propagierung pauschaler, primaer arabisch-islamischer Feindbilder
und in diese Richtung gehende Kriegsdrohungen dem Frieden
entgegenwirken, fuer den sich auch unsere Kirchen einsetzen".

LWB steht in Solidaritaet an der Seite der palaestinensischen
lutherischen Kirche

Krause betonte, dass es die erdrueckende Entwicklung von Terror
und Gegenterror, Gewalt und Gegengewalt im Mittleren Osten
entgegen aller Hoffnung und Planung nicht zugelassen hae, die
LWB-Ratstagung in Jerusalem durchzufuehren. Die Ratstagung in die
Lutherstadt Wittenberg zu verlegen, sei eine "verantwortliche,
aber nicht minder bittere Entscheidung" gewesen. VertreterInnen
des LWB haetten Anfang Juni offizielle Gespraeche mit dem
palaestinensischen Praesidenten Jassir Arafat und mit dem
israelischen Aussenminister Schimon Peres ueber die Situation in
der Region und speziell ueber die Sicherheit und kuenftigen
Arbeitsmoeglichkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in
Jordanien (ELKJ) und ihrer Einrichtungen gefuehrt. Krause
versicherte der ELKJ und ihrem Bischof Munib A. Younan, "dass die
Gemeinschaft unserer Kirchen solidarisch an ihrer Seite steht."
Die ELKJ gehoert mit rund 3.000 Mitgliedern in Jerusalem,
Jordanien und Palaestina seit 1974 zum LWB.

In seiner Ansprache dankte LWB-Praesident Krause kirchlichen und
politischen EntscheidungstraegerInnen in Deutschland, insbesondere
in Sachsen-Anhalt fuer die dem LWB spontan entgegengebrachte
Gastfreundschaft und die Moeglichkeit, die LWB-Ratstagung in
Lutherstadt Wittenberg abzuhalten. Dies sei umso bemerkenswerter,
als der LWB am Ort keine Mitgliedskirche habe. Die Lutherstadt
Wittenberg sei durch ihre Wirkungsgeschichte allemal fuer
LutheranerInnen "ein Stueck geistige und geistliche Heimat",
erklaerte der LWB-Praesident.

Lutherisches Bekenntnis hat oekumenische Dimension

Diese Situation ergebe sich aus dem Augsburger Reichstag von 1555,
der eine regionale Aufteilung der Bekenntniszugehoerigkeit zur
Folge hatte, indem der Herrscher auch fuer die Untertanen in
seinem Herrschaftsbereich das Bekenntnis festlegte. Noch im 19.
Jahrhundert habe das preussische Koenigshaus in den von ihm
beherrschten Gebieten reformierte und lutherische Gemeinden zu
einer unierten Kirche zusammengefasst. Bis auf die Pommersche
Evangelische Kirche seien diese bisher weder dem LWB noch einem
anderen konfessionellen Weltbund beigetreten.

Diese regionale Bestimmung der Bekenntniszugehoerigkeit habe in
Deutschland dazu gefuehrt, dass bei eine Umzug in eine andere
Landeskirche, gleichsam ueber die Bekenntniszugehoerigkeit
entschieden werde, betonte Krause. Ein solches Grundmuster
relativiere fuer viele die Bedeutung der konfessionellen
Identitaet sowohl fuer die eigene Person, wie fuer die eigene
Kirche und Gemeinde wie auch fuer die weltweiten oekumenischen
Bezuege. Immer wieder habe es Bemuehungen gegeben, eher von einem
so gewachsenen deutschen Gesamtprotestantismus auszugehen und
entsprechend die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), also
nationalen "Dachverband" aller 24, autonomen und konfessionell
unterschiedlich gebundenen Landeskirchen zu staerken und fuer alle
verbindlicher zu gestalten.

Krause machte in diesem Zusammenhang auf die oekumenische
Dimension des lutherischen Bekenntnisses aufmerksam, "die uns von
einer klaren Position aus offen sein laesst fuer das oekumenische
Miteinander in Dialog und Aktion". Zugleich wachse aber unter dem
gemeinsamen Bekenntnis eine verbindliche Gemeinschaft, die nach
innen wie nach aussen weltweit sei, ueber ethnische und nationale
Grenzen hinweg. Beides, die Oekumenizitaet und die Globalitaet in
verbindlicher Gemeinschaft, seien Markenzeichen des LWB, die auch
fuer das Leben jeder einzelnen Mitgliedskirche im je eigenen
nationalen Kontext bedeutsam blieben.

Globalitaet und Oekumenizitaet seien auch Wesensmerkmale der
reformatorischen Bekenntnisbewegung gewesen, die im 16.
Jahrhundert von Wittenberg ausgegangen sei und in der radikalen
Frage nach Gott und nach dem Heil der Menschen ihren Ursprung und
ihren bis heute gueltigen Beweggrund habe. "Davon sollten wir uns
nichts nehmen lassen!", betonte Krause.

Naturkatastrophen ist die Vergewaltigung der Natur vorausgegangen

Der LWB-Praesident erinnerte in seiner Ansprache an die gewaltige
Flutwelle, die sich im August entlang der Elbe von Tschechien bis
an die Nordsee ueber die anliegenden Staedte, Doerfer und
Landschaften ergossen habe. "Vieles von dem, was in den letzten
Jahren gerade hier im Osten Deutschlands wieder aufgebaut worden
war, st in den Fluten untergegangen." Den Betroffenen und
Leidtragenden sprach Krause im Namen des LWB tief empfundenes
Mitgefuehl aus. Beeindruckt sei er von den Berichten ueber die
vielfaeltigen Zeichen der Solidaritaet und der tatkraeftigen Hilfe
nicht nur der oeffentlichen Haende und Kirchen, sondern vor allem
auch vieler einzelner BuergerInnen.

Mit Blick auf Naturkatastrophen wie die gewaltigen
Ueberschwemmungen in Bangladesch, China, Indien, Korea oder
Ostafrika, auf vernichtende Wirbelstuerme in Zentralamerika und
die katastrophalen Duerregebiete speziell in Afrika betonte
Krause, dass der LWB in der Gemeinschaft mit anderen
Hilfsorganisationen durch seine Abteilung fuer Weltdienst (AWD) zu
helfen versuche, wo Hilfe gebraucht wuerde.

Es bestehe kein Zweifel, so Krause, dass den zumeist
witterungsbedingten und sich rapide haeufenden "Naturgewalten" und
der Wucht ihrer Lebensbedrohung vielfaeltige Gewaltakte und
Vergewaltigungen der Menschen im Umgang mit der Natur
vorausgegangen seien. Ueber alle notwendige unmittelbare Hilfe
fuer die Opfer hinaus muesse es den Kirchen darum gehen, diese
komplexen Zusammenhaenge im Blick zu behalten, wenn es wirklich zu
einer Welt- und Menschheitsentwicklung mit Zukunftsperspektive
kommen solle.

Gerade als eine internationale Organisation muesse es Anliegen des
LWB sein, ueber das weltweite Netz der Kirchen auch auf die
jeweiligen Regierungen und auf die Wirtschaft einzuwirken, dass
verbindliche, weltweite Abkommen geschaffen und zur Durchsetzung
gebracht werden. Es sei eine erhebliche Belastung, wenn die
gegenwaertig wichtigste Grossmacht, die USA, unter den Laendern zu
finden sei, die solchen bedeutsamen Vertraegen wie dem
Klimaabkommen von Kyoto, der Schaffung eines internationalen
Gerichtshofes oder auch den Ergebnissen der Johannesburger
Entwicklungskonferenz die Verbindlichkeit fuer ihren
Geltungsbereich verweigerten.

LWB-Dokument "Kirchen sagen *Nein' zur Gewalt gegen Frauen" und
Kampf gegen HIV/AIDS sind zentrale Aspekte der Arbeit des LWB

Als zentraleAspekte der Arbeit des LWB im vergangenen Jahr
benannte Krause das LWB-Dokument "Kirchen sagen *Nein' zur Gewalt
gegen Frauen". Das Wachsen einer Zivilisation der Menschlichkeit
und einer Solidaritaet mit den Schwachen sei essentiell verbunden
mit einem klaren, umfassenden Nein zur Gewalt gegen Frauen. Dieser
Thematik muesse auch in der Vorbereitung der Zehnten
LWB-Vollversammlung im Juli 2003 im kanadischen Winnipeg noch
intensiver nachgegangen werden, forderte er. Die Vollversammlung
steht unter dem Thema: "Zur Heilung der Welt".

Ein weiterer Schwerpunkt sei die Bekaempfung von HIV/AIDS. Dies
sei ein weltweites Problem, fuehre aber vor allem auf dem
afrikanischen Kontinent zu einer wachsenden Katastrophe, von der
Millionen von Menschen betroffen seien, unter ihnen besonders auch
Frauen und Kinder. Bei dieser Krankheit und ihrer Bekaempfung gehe
es nicht nur um medizinische Probleme, sondern um ein breites
Geflecht von Aspekten der Lebenskultur, der sozialen Situation,
der Moral, der Bildung und der Religion. In all diesen Bereichen
komme dem Dienst der Kirchen eine besondere Bedeutung zu. (1.416
Woerter)

An der LWB-Ratstagung in Wittenberg nehmen 103 VertreterInnen der
133 LWB-Mitgliedskirchen aus 73 Laendern sowie rund 140 weitere
TeilnehmerInnen teil, darunter MitarbeiterInnen des LWB,
DolmetscherInnen, Stewards, PressevertreterInnen und Gaeste. Der
jaehrlich tagende LWB-Rat ist das hoechste Leitungsgremium
zwischen den in der Regel alle sechs Jahre stattfindenden
Vollversammlungen des LWB. Der 49-koepfige Rat besteht aus dem
Praesidenten, der Schatzmeisterin und 47 weiteren Ratsmitgliedern
und wird von der Vollversammlung gewaehlt. Der Lutherische
Weltbund umfasst zur Zeit insgesamt 133 Mitgliedskirchen in 73
Laendern und vertritt rund 61,7 Millionen der weltweit rund 65,4
Millionen LutheranerInnen. (xxx Woerter)

Waehrend der LWB-Ratstagung in Wittenberg erreichen Sie das
LWB-Kommunikationsbuero ueber den deutschen Mobilfunk-Anschluss:
+49 * (0)170-8345 177.

*	*	*

Der Lutheriche Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 133 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 73 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
Die mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
Quellenangabe abgedruckt werden.

***
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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Tel.:	  +41-22-791-6353
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