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'Verstuemmelt zu sein, ist schlimm in Afrika'


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Wed, 16 Oct 2002 14:27:34 -0500

Delegierte des Interreligioesen Friedensgipfels bewegt von
persoenlichen Schicksalen

Johannesburg (Suedafrika)/Genf, 16. Oktober 2002 (LWI) - Zwei
Schicksale in Afrika: Margaret Arach hat ihren Fuss durch eine
Landmine verloren. Morlee Zawoo toetete und verstuemmelte als
Kindersoldat andere Menschen. Zwei Schicksale von vielen auf einem
von Konflikten zerrissenen Kontinent.

Arach und Zawoo erzaehlten von ihren Schicksalen bei dem erstmals
stattfindenden Interreligioesen Friedensgipfel in Afrika. Die mehr
als 100 Delegierten auf der vom Lutherischen Weltbund (LWB) in
Johannesburg (Suedafrika) organisierten Konferenz waren bewegt und
zum Teil zu Traenen geruehrt.

Margaret Arach war unterwegs zu ihren fuenf Kindern, um mit ihnen
Weihnachten zu feiern, als eine Landmine unter dem Bus
explodierte, die ihr rechtes Bein abriss. "Ich habe es nicht
bemerkt, bis ich versuchte wegzulaufen. Da sah ich nur noch
baumelndes Fleisch, wo mein Fuss war", erinnert sich die heute
46-Jaehrige. Doch es liegt keine Bitterkeit in ihrer Stimme.
Ruhig, mit einem freundlichen Laecheln und auch einem Anflug von
Humor, erzaehlt sie ihre persoenliche Geschichte.

Mit dem Bus unterwegs vom Norden Ugandas, wo Margaret drei Monate
zuvor bei einer Hilfsorganisation Arbeit gefunden hatte, in die
Hauptstadt Kampala war sie in einen Hinterhalt von Rebellen
geraten. Die Rebellen raubten der schwer Verletzten nicht nur die
Uhr, sondern selbst die blutdurchtraenkte Hose. Sie ist sich
sicher, dass sie Missbrauch und Ermordung nur entging, weil sie
sich tot stellte.

Soldaten fanden die schwer Verwundete. Aber erst neun Stunden nach
dem Ueberfall erreichte sie das 70 Kilometer entfernt gelegene
Hospital - auf einem Viehlastwagen. Im Krankenhaus war die
alleinerziehende Mutter ohne Beistand. Die FreundInnen hatten sich
von ihr abgewandt. "Verstuemmelt zu sein, ist schlimm in Afrika",
erlaeutert Margaret, besonders fuer Frauen. Auch die Ehemaenner
wuerden dann in vielen Faellen nichts mehr von ihren Frauen wissen
wollen. Margeret raeumt ein, dass sie voller Wut war - auf ihre
FreundInnen und auf die Rebellen. Als sie zwei Monate spaeter auf
Kruecken aus dem Krankenhaus entlassen wurde, fand sie ihre Kinder
bei drei verschiedenen Familien verstreut. Die Vermieterin hatte
die Kinder kurzerhand vor die Tuer gesetzt.

Heute hilft Margaret anderen Minenopfern. Sie hat bereits zwei
Selbsthilfegruppen gegruendet und beteiligt sich an der
internationalen Kampagne fuer das Verbot von Landminen. "Ich habe
gesehen, dass es anderen Frauen noch viel schlechter geht als
mir", sagt sie. Statt Hass zu predigen, setzt sie sich heute fuer
Vergebung und Versoehnung ein. Die meisten der Rebellen im Norden
Ugandas seien Kinder, die entfuehrt und dann darauf trainiert
worden seien zu toeten. "Wir koennen ihnen helfen", appellierte
Arach an die Delegierten des Interreligioesen Friedensgipfels.

Dies kann Morlee Zawoo bestaetigen. Der 27-Jaehrige aus Liberia
heuerte mit 15 Jahren bei den Rebellen der Nationalen
Patriotischen Front Liberias (NPFL) an. Der Grund: dort fand er
etwas zu essen. Er erzaehlt, dass er unter dem Einfluss von
Alkohol und Drogen so brutal gewesen sei, dass er "Terminator"
genannt wurde. Er kommandierte schliesslich einen Trupp von elf
Jugendlichen und Maennern.

Die Aufzaehlung seiner Taten ruft Schaudern hervor. Er brannte ein
Haus mit einer ganzen Familie nieder. Zwei Kinder, zehn und 15
Jahre alt, wurden auf einem Erkundungsgang getoetet. Gefangene
feindliche Soldaten wurden ebenso wie ZivilistInnen gefoltert und
dann ermordet. Zweimal entging Morlee selbst nur knapp dem Tod.

Zwei Jahre spaeter befand sich Zawoo in einem beklagenswerten
Zustand. Koerperlich am Boden und deprimiert wegen des Todes
seiner Brueder suchte er nach dem Ende der Kaempfe Zuflucht in
einem Fluechtlingslager. Die Szenen seiner Gewalttaten seien ihm
oft in furchtbaren Albtraeumen erschienen. Manchmal sei dies so
schrecklich gewesen, dass er Selbstmordgedanken hegte.

Erst als er seine spaetere Frau kennen lernte, mit deren Hilfe er
sein Trauma ueberwand, gelang ihm die Rueckkehr in ein normales
Leben. Er ging zur Schule und machte seinen Abschluss. Der heutige
Theologiestudent, der nach dem Buergerkrieg Christ wurde, ist
nicht nur Prediger, sondern betreut auch ehemalige KaempferInnen
im Rahmen des Traumaheilungs- und Versoehnungsprogramms, das die
Lutherische Kirche in Liberia gemeinsam mit dem Lutherischen
Weltbund (LWB) aufgebaut hat.

Im Anschluss an die Schilderung dieser persoenlichen Schicksale
wies LWB-Generalsekretaer Pfr. Dr. Ishmael Noko darauf hin, dass
viele junge Menschen Gleiches erlebt haetten, jedoch nie wie Zawoo
die Chance erhielten, ein Programm zur Traumaheilung zu besuchen.
Wer dem freundlichen und zurueckhaltenden jungen Mann, der fuer
Vergebung und Toleranz eintritt, heute begegnet, wuerde nie auf
die Idee kommen, dass er einmal ein "gewalttaetiges und
gesetzloses Leben" fuehrte.

An dem vom LWB initiierten Interreligioesen Friedensgipfel nehmen
VertreterInnen sowohl der traditionellen afrikanischen Religionen
als auch des Christentums, Islam, Judentums, Bahaismus, Buddhismus
und Hinduismus teil. Gastgeber des Gipfels vom 14. bis 19. Oktober
im Kopanong-Konferenzzentrum in Johannesburg, der mit
Unterstuetzung der finnischen Regierung stattfindet, ist das
National Religious Leaders' Forum of South Africa (NRLFSA -
Nationales Forum der ReligionsfuehrerInnen in Suedafrika). (777
Woerter)

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
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