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Hoffnung auf einen echten Dialog


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Fri, 27 Dec 2002 09:18:50 -0600

Erstes Treffen christlicher und juedischer StudentInnen aus
Argentinien und Uruguay

Buenos Aires (Argentinien)/Genf, 23. Dezember 2002 (LWI) - Im
Garten erklingen juedische rituelle Gesaenge. Im Saal versuchen
katholische und protestantische Jugendliche Lieder zu finden, die
in beiden Kirchen gesungen werden. Am 24. und 25. November fand
das erste Treffen christlicher und juedischer
TheologiestudentInnen aus Argentinien und Uruguay statt.
Eingeladen zu der Begegnung in einem oekumenischen Zentrum im
Sueden von Uruguay waren ausserdem TheologieprofessorInnen beider
Religionen.

In der gemeinsamen Diskussion wurde deutlich, dass der
christlich-juedische Dialog in beiden Laendern noch ganz am Anfang
steht. So sagte es auch Jeronimo Granados, Theologieprofessor an
der protestantischen Hochschule von Buenos Aires (Argentinien) und
Pfarrer der Evangelischen Kirche am La Plata: "Ich engagiere mich
seit 20 Jahren fuer den christlich-juedischen Dialog, aber
manchmal fuehle ich mich damit sehr allein." Zu einem
ausfuehrlichen Gespraech ueber das Verhaeltnis von ChristInnen und
Juden/Juedinnen in den beiden lateinamerikanischen Laendern kam es
jedoch kaum. In den Vortraegen ging es fast ausschliesslich um die
europaeischen Etappen des christlich-juedischen Verhaeltnisses und
die europaeischen Diskussionen.

Dabei haette es vor allem ueber Argentinien einiges zu sagen
gegeben. Immerhin gibt es dort die groesste juedische Gemeinde
Lateinamerikas mit 250.000 Mitgliedern. Doch nach Meinung von
Jeronimo Granados gibt es Gruende fuer den Eurozentrismus der
Debatte: "Ueber Argentinien zu sprechen, ist sehr heikel, sehr
schwierig. In Wahrheit gibt es bisher keinen echten Dialog. Da ist
ueber Geschichte zu sprechen, eine Moeglichkeit, sich besser
kennen zu lernen, sich einander zu naehern, ohne verbindlich
Stellung zu beziehen."

Im heutigen Argentinien spuert keine/keiner der 25 TeilnehmerInnen
des Treffens offenen Antisemitismus. Doch es komme immer wieder
vor, sagt Granados, dass jemand beschimpft werde, weil er/sie
Jude/Juedin sei. Es komme auch vor, dass von jemandem, der in
kurzer Zeit reich geworden ist, gesagt werde, dass sei bestimmt
ein Jude. Shlomo Sudicovich, Student am Rabbinerseminar von Buenos
Aires, meint zur Frage des Antisemitismus: "Das ist etwas, das von
beiden Seiten kommt. Wir Juden haben immer die Neigung, unter uns
zu bleiben."

Auch die Kirchen seien noch immer nicht frei von Antisemitismus,
sagt Juan Armin Ihle, Pfarrer der Evangelischen Kirche am La Plata
in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo: "Ich sehe einen
subtilen Antisemitismus unter den PfarrerInnen. Viele machen
keinen klaren Unterschied zwischen den Juden und Juedinnen und der
Politik des Staates Israel."

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche (IELU) mit Sitz in
Buenos Aires hat erst im August dieses Jahres in einer Erklaerung
ihre "tiefe Betroffenheit" ueber antijuedische Tendenzen in ihrem
geschichtlichen Erbe zum Ausdruck gebracht. In dieser Erklaerung,
die sich an die juedischen Gemeinden von Argentinien und Uruguay
richtet, betonte die IELU, sie sehe im Antisemitismus "eine
Beleidigung des Evangeliums und eine massive Verletzung unserer
Hoffnung und Berufung".

Auch der Dekan des Rabbinerseminars von Buenos Aires, Felepe Yafe,
haelt Teile der argentinischen Gesellschaft fuer latent
antisemitisch. "Wir hatten Angst, dass mit der Wirtschaftskrise
der Antisemitismus wieder an die Oberflaeche kaeme, aber zum
Glueck war das bisher nicht der Fall", so Yafe.

Gerade in der Zeit der Militaerdiktatur von 1976 bis 1983, trat
der Antisemitismus der Armee in aller Offenheit zu Tage. Unter den
Opfern der Diktatur waren mehr Juedinnen und Juden, als es ihrem
Anteil an der Bevoelkerung entspricht. Die genauen Zahlen werden
noch erforscht.

Wenn sich christliche und juedische StudentInnen ueber die
schmerzlichen Erfahrungen der Vergangenheit austauschen, wenn sie
auch ihr religioeses Verstaendnis einander naeher bringen, dann
ist ein echter Dialog moeglich. Diese Hoffnung aeusserten
jedenfalls die TeilnehmerInnen des christlich-juedischen Treffens
in Uruguay in ihrer Abschlusserklaerung: "Indem wir uns unsere
Erfahrungen, unser kulturelles und religioeses Erbe noch einmal
gegenwaertig gemacht haben, stellten wir fest, dass wir bereits
einen langen Weg gemeinsam zurueckgelegt haben und noch einen
langen Weg vor uns haben. Wir hoffen, dass wir inspiriert von
Gottes Gegenwart weiterhin Wege zu Einheit und Dialog schaffen
koennen, um eine echte Botschaft des Friedens zu vermitteln, der
Liebe und der Solidaritaet." (641 Woerter)

(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Alexandra Jaenicke)

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