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'Wir muessen PolitikerInnen, die Krieg wollen, nicht gefallen'


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Thu, 06 Mar 2003 11:04:06 -0600

Palaestinensischer Bischof ruft LWB-Mitgliedskirchen in Asien auf,
ihre religioese Autoritaet zu nutzen, um der Polarisierung der
Welt entgegenzutreten

Medan (Indonesien)/Genf, 6. Maerz 2003 (LWI) - Der
palaestinensische Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in
Jordanien, Dr. Munib A. Younan, hat sich gegen eine Einteilung der
Welt in "Gute und Boese" gewandt. Waehrend der asiatischen
Vorbereitenden Konsultation zur Vollversammlung des Lutherischen
Weltbundes (LWB) vom 2. bis 6. Maerz in Medan (Indonesien) mahnte
er ChristInnen und Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften, sie
haetten die Verpflichtung, die Welt im Rahmen des interreligioesen
Dialogs kritisch zu begleiten.

"Wir muessen PolitikerInnen, die Krieg wollen, nicht gefallen",
erklaerte der Bischof von rund 3.000 LutheranerInnen in Israel,
Jordanien und Palaestina. In seiner programmatischen Rede vor den
rund 120 TeilnehmerInnen der Vorbereitenden Konsultation in Asien
und der asiatischen KirchenleiterInnenkonferenz appellierte Younan
an die Weltreligionen, ihre prophetische Vollmacht zu nutzen und
darauf zu draengen, dass weltweit alle Staaten und Regionen
abruesten. Dies gelte nicht nur fuer "ein Land oder einige wenige
Laender, [die] uns unsympathisch sind". Die Weltreligionen
koennten ihre prophetische Rolle wahrnehmen, wenn sie dem
Militarismus entgegentraeten und forderten, dass die Weltprobleme
mit gewaltlosen Mitteln geloest werden, hob er hervor.

Younan kritisierte PolitikerInnen und Regierungen, die von einer
"Achse des Boesen" sprechen. Damit wuerde das Kriegsfieber
angeheizt und man wolle so moeglichst viele Menschen davon
ueberzeugen, dass eine militaerische Option das einzige Mittel
sei, dem "Boesen" entgegenzutreten. Eine solche Etikettierung, so
Younan, nehme einem ganzen Volk die Wuerde. Es werde dann nicht
mehr als Volk wahrgenommen. "Auf diese Weise sollen wir nicht mehr
merken, dass unsere Politik Zerstoerung ueber Staaten bringt, die
wir daemonisieren". Diese Politik mache die Welt blind fuer
Gerechtigkeit und fuer die Realitaet, dass Leben auf
wechselseitige Beziehungen angewiesen sei.

Younan aeusserte jedoch die Hoffnung, dass dort, wo PolitikerInnen
ihre Grenzen erkennen, die christliche Kirche Verbuendete finde,
mit denen sie der Barbarei des Todes, der Vernichtung und der
Daemonisierung entgegentreten koenne. Er wies auf die Chance hin,
die Kirchen zu einer "Achse der Hoffnung" zu machen, die an Gottes
liebendem Plan fuer alle Menschen und die ganze Schoepfung
mitwirken koenne. Er verwies damit auf die Rede von LWB-Praesident
Landesbischof i. R. Dr. Christian Krause waehrend der
LWB-Ratstagung im September 2002 in Wittenberg (Deutschland).
Bischof Younan ist Mitglied des LWB-Rates.

Die Rechtfertigung aus Gnade weise der Kirche eine prophetische
Rolle zu und rufe sie auf, sich dem Unrecht in der Welt
entgegenzustellen, erklaerte Younan. Seine Rede in Medan stand
unter der Ueberschrift "Zur Heilung der Welt - Welche Rolle kommt
der Kirche zu?" Anhand der neutestamentlichen Geschichte von der
Heilung des Gelaehmten (Markus 2,1-12) setzte sich Younan mit der
Thematik ganzheitlicher Heilung auseinander.

An der Schaffung einer Gemeinschaft ueber alle Grenzen zwischen
Nationen, ethnischen Gruppen, Geschlechtern und Generationen
hinweg mitzuwirken, sei ein Ruf an alle in Christus Getauften, so
Younan. Die Gabe der Rechtfertigung, der "wir in Christus
teilhaftig geworden sind, ist die Bestaetigung, dass wir alle nach
Gottes Ebenbild geschaffen, dass wir alle in unserer
Einzigartigkeit wertvoll sind", hob der Bischof hervor.

Die Kirche muesse sich zur Heilung der Welt vor allem vier Punkten
zuwenden, forderte Younan: Gerechtigkeit heilt die Welt;
Globalisierung - Segen oder Fluch? Oder beides?; Oekumene als
Heilungsprozess unter Gemeinschaften sowie Interreligioese
Beziehungen als Heilungsprozess fuer die Welt.

Laut Younan muss sich die Kirche aber auch den praktischen,
theologischen und spirituellen Anfragen stellen, die sich aus der
wirtschaftlichen Globalisierung ergeben. "In dieser globalisierten
Welt ist die Kirche aufgerufen, sich der Kinder Gottes anzunehmen,
damit ein neues Pfingstfest und nicht ein neuer Turmbau zu Babel
geschieht", betonte er.

Die oekumenische Bewegung sei kein Selbstzweck, erklaerte Bischof
Younan. Er wies darauf hin, dass es Ungleichheiten zwischen den
Kirchen im Norden und im Sueden gebe, die beseitigt werden
muessten. Und er fragte, was es mit "gemeinsam in Gottes Mission"
und einer gemeinsamen Strategie fuer Mission und Entwicklung auf
sich habe. "Meinen wir wirklich eine Mission Christi oder sprechen
wir nicht vielmehr von verschiedenen Missionen?" Es muesse um eine
Mission Christi gehen, "wenn wir der globalisierten Welt begegnen
wollen", forderte Younan. Zugleich sei eine Theologie noetig, ein
Prozess, in dem "Kirchen einander auf ihrem Weg begleiten,
einander wie Gleiche behandeln, einander Heilung bringen und
voneinander lernen".

"Die Mission der Kirche in multireligioesen Kontexten" ist eines
der Themen, die von einer der zehn sogenannten Dorfgruppen der
LWB-Vollversammlung in Winnipeg diskutiert werden sollen. Es
bildete aber auch eines der wichtigsten Diskussionsthemen der
Konsultation in Medan. Der Jerusalemer Bischof stellte fest,
Religion koenne zum Problem werden, wenn eine religioese Gruppe
die Heilige Schrift dazu benutze, Unrecht, Gewalt und Krieg in der
Welt zu rechtfertigen.

Eine "engstirnige" Religion koenne ueberdies zu religioesem
Extremismus fuehren, der intolerante Positionen und einen
ausschliesslichen Wahrheitsanspruch vertrete. Younan unterstrich,
dass es keine Religion gebe, in der es ausschliesslich tolerante
oder intolerante Gruppen gebe. Toleranz und Intoleranz gebe es
sowohl im Christentum als auch im Judentum, im Islam und in
anderen Religionen. Intoleranten Gruppen duerfte jedoch nicht
gestattet werden, sich Gottes oder der Religion zu bemaechtigen,
betonte er.

"Wie kann Religion durch den interreligioesen Dialog zur Toleranz
untereinander, zu Gerechtigkeit, Frieden und Versoehnung sowie zur
Heilung unserer Welt beitragen?" fragte Younan. Interreligioeser
Dialog, so schloss er, muesse prophetisch sein. Er duerfe nicht zu
groesserer Verhaertung und Ungerechtigkeit fuehren, sondern muesse
Heilung bewirken koennen. (868 Woerter)

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
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Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
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***
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