From the Worldwide Faith News archives www.wfn.org


Nepal: Schwerwiegende Maengel bei Pruefung bhutanesischer


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Tue, 02 Sep 2003 11:26:49 -0500

Nepal: Schwerwiegende Maengel bei Pruefung bhutanesischer Fluechtlinge
Fuehrende internationale NGOs erklaeren das Verfahren fuer ungueltig
 
Kathmandu (Nepal), 2. September 2003 (LWI) - Es bestehen grundsaetzliche
Maengel bei dem Pruefungs- und Auswahlverfahren bhutanesischer Fluechtlinge
durch die Regierungen von Bhutan und Nepal, dies erklaerten
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zum Abschluss einer gemeinsam
durchgefuehrten zweiwoechigen Mission in Indien und Nepal.
 
Da Nepal und Bhutan Vorbereitungen fuer weitere Gespraeche in der naechsten
Woche treffen, forderte die Delegation die Regierungen in den Geberlaendern
auf, darauf zu draengen, dass das Verfahren gemaess internationalen
Menschenrechts- und Fluechtlingsstandards durchgefuehrt wird.
 
"Das Verfahren zur Pruefung der Fluechtlinge verstoesst gegen jegliche
offizielle internationale Norm," sagte Rachael Reilly, Beraterin fuer
Fluechtlingsfragen bei Human Rights Watch.
 
Die Mission besuchte bhutanesische Fluechtlingslager im Suedosten Nepals, wo
mehr als 100.000 Fluechtlinge in sieben Lagern gelebt haben, seit sie Anfang
der 90er Jahre willkuerlich ihrer Staatsbuergerschaft beraubt und zwangsweise
aus Bhutan vertrieben wurden. Fast ein Sechstel der Bevoelkerung Bhutans
wurde gezwungen, das Land zu verlassen, wodurch Bhutan eins der Laender mit
der hoechsten pro-Kopf-Fluechtlingsquote der Welt wurde.
 
Im Maerz 2001 begannen die Regierungen von Bhutan und Nepal nach einem
mehrjaehrigen Stillstand mit einem bilateralen Pruefungs- und
Auswahlverfahren im Lager Khudunabari, in dem 12.000 Fluechtlinge leben, um
die Identitaet der Fluechtlinge und ihre Gruende fuer die Flucht aus Bhutan
festzustellen. Das Ergebnis dieser Pruefung wurde am 18. Juni 2003 bekannt
gegeben.
 
Die Fluechtlinge berichteten der Mission ueber einige der schwerwiegenden
Unregelmaessigkeiten und Maengel im Pruefungsverfahren. Dazu gehoerte unter
anderem:
 
+ Die Fluechtlinge wurden gezwungen, vor den Behoerden derselben Regierung,
die fuer ihre Verfolgung und Flucht verantwortlich war, ihre Gruende fuer das
Verlassen Bhutans anzugeben.
+ Die Kriterien fuer die Einteilung in Kategorien wurde nicht bekannt
gegeben, so dass es fuer die Fluechtlinge unmoeglich wurde, Einspruch gegen
ihre Einordnung in eine Kategorie zu erheben.
+ Die Mehrheit der Fluechtlinge (70 Prozent) wurden als "freiwillige
MigrantInnen" eingestuft, nachdem sie beim Verlassen Bhutans unter Zwang
"Formulare fuer freiwillige Auswanderung" unterzeichnet hatten. Viele
Fluechtlinge aus dieser Kategorie berichteten der Delegation, dass sie
gezwungen waren, vor Diskriminierung, willkuerlicher Verhaftung, sexueller
Gewalt und Bedrohung ihrer koerperlichen Sicherheit in Bhutan zu fliehen.
+ In einigen Faellen wurden Mitglieder derselben Familie unterschiedlichen
Kategorien zugeteilt, obwohl sie die gleichen Gruende fuer die Flucht aus
Bhutan hatten. So besteht fuer sie die Gefahr, dass die Familien bei einer
eventuellen Rueckfuehrung nach Bhutan getrennt werden.
+ In einigen Faellen wurden im Fluechtlingslager geborene Kinder als
sogenannte "Kriminelle" eingestuft, die in Bhutan vor Gericht gestellt werden
koennten.
+ Einige Fluechtlinge, die in Bhutan minderjaehrig waren und daher keine
Personalausweise bekamen, wurden als Nicht-BhutanerInnen eingestuft, obwohl
ihre Eltern Ausweispapiere besitzen und anderen Kategorien zugeordnet
wurden.
+ Das gemeinsame Pruefungsteam interviewte nur maennliche Personen als
Haushaltsvorstand und verwehrte damit Frauen die Moeglichkeit, dass ihre
eigenen Ansprueche in fairer Weise behandelt wurden. Waehrend des
Pruefungsverfahrens gab es meistens keine Frauen im gemeinsamen
Pruefungsteam.

Die Fluechtlinge wurde in folgende Kategorien eingeteilt: Kategorie I - bona
fide bhutanesische StaatsbuergerInnen (293 Personen - lediglich 2,5 Prozent
der Fluechtlinge); Kategorie II - Fluechtlinge, die angeblich "freiwillig"
aus Bhutan auswanderten (8.595 Personen - 70 Prozent der Fluechtlinge);
Kategorie III - Nicht-BhutanerInnen (2.948 Personen - 24 Prozent der
Fluechtlinge) und Kategorie IV - Fluechtlinge, die "kriminelle" Handlungen
begangen haben, einschliesslich derjenigen, die an sogenannten
"anti-nationalen" (pro-demokratischen) Aktivitaeten in Bhutan teilgenommen
haben (347 Personen - 3 Prozent der Fluechtlinge).
 
"Dieses Verfahren haelt einfach keiner voelkerrechtlichen Pruefung stand,"
sagte Peter Prove, Assistent des Generalsekretaers des Lutherischen
Weltbundes (LWB) im Bereich Internationale Angelegenheiten und
Menschenrechte. "Fluechtlinge wurden ohne eindeutige Anklagen oder irgendeine
Form eines Gerichtsverfahren als *Kriminelle' eingestuft, offenkundig als
Bestrafung fuer die Ausuebung ihrer Grundrechte auf freie Meinungsaeusserung
und Versammlung", so Prove.
 
Kategorie II ist mit einem aehnlichen Mangel behaftet. Alle als sogenannte
"freiwillige AuswandererInnen" eingestuften Fluechtlinge berichteten der
Mission, dass sie die so genannten "Formulare fuer freiwillige Auswanderung"
unter Zwang unterzeichneten, als sie aus Bhutan vertrieben wurden. Viele
waren sich gar nicht ueber den Inhalt dieser Formulare im Klaren oder
darueber, dass eine Unterzeichnung nach bhutanesischem Recht den Verlust
ihrer Staatsbuergerschaft zur Folge haben wuerde.
 
"Nach dem Voelkerrecht hat jede Person das Recht, das eigene Land zu
verlassen und dahin zurueckzukehren," sagte Ralston Deffenbaugh, Praesident
des Lutherischen Einwanderungs- und Fluechtlingsdienstes. "Das Vorgehen
Bhutans verstoesst eindeutig gegen dieses Recht."
 
Gemaess der letzten Gespraechsrunde zwischen Bhutan und Nepal vom Mai 2003
wird von den Fluechtlingen in Kategorie II verlangt, dass sie nach einer
Mindestprobezeit von zwei Jahren nach ihrer Rueckkehr nach Bhutan erneut
Antrag auf Staatsbuergerschaft stellen. Die strengen gesetzlichen
Bestimmungen fuer bhutanesische Staatsbuergerschaft, einschliesslich der
Forderung, dass die AntragstellerInnen fliessend Dzongkha sprechen - die
Sprache Nordbhutans, die die meisten der Nepali sprechenden Fluechtlinge
nicht sprechen - bedeuten, dass Zehntausende von Fluechtlingen nicht in der
Lage waeren, die bhutanesische Staatsbuergerschaft wieder zu erhalten und
staatenlos werden koennten.
 
Am 8. September soll eine fuenfzehnte Gespraechsrunde zwischen Bhutan und
Nepal beginnen. Die Delegation forderte Bhutan und Nepal auf, sich mit den
Inkonsequenzen und Unzulaenglichkeiten des Pruefungsverfahrens zu befassen,
insbesondere mit folgenden Punkten:
 
+ Alle Fluechtlinge in den Kategorien I, II und IV sollten in Sicherheit und
Wuerde mit vollen staatsbuergerlichen Rechten auf ihr urspruengliches Land
und ihren Besitz zurueckkehren koennen.
+ Fluechtlinge in Kategorie III sollten Zugang zu einem uneingeschraenkten,
fairen und unabhaengigen Berufungsprozess haben.
+ Alle Unregelmaessigkeiten in dem Verfahren (z. B. dass Familienmitglieder
unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden) muessen von einer
unabhaengigen dritten Partei untersucht werden.
+ In Zukunft sollten bei dem Pruefungsverfahren nur zwei Kategorien
verwendet werden - BhutanerInnen und Nicht-BhutanerInnen. Die als
BhutanerInnen eingestuften Personen sollten mit vollen
Staatssbuergerschaftsrechten nach Bhutan zurueckkehren koennen. Die als
Nicht-BhutanerInnen eingestuften Personen sollten Zugang zu einem
uneingeschraenkten, fairen und unabhaengigen Berufungsprozess haben.
+ Frauen sollten uneingeschraenkten Zugang zum Pruefungsprozess haben, damit
ihre Ansprueche unabhaengig und auf faire Weise untersucht werden, und im
gemeinsamen Pruefungsteam sollten Interviewerinnen vertreten sein.
+ Pruefung und Rueckfuehrung sollten nicht ohne Anwesenheit einer
unabhaengigen dritten Partei durchgefuehrt werden. Dafuer sollte die
Fluechtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) auf Grund ihres
internationalen Mandats zum Schutz der Fluechtlinge zustaendig sein.
+ An allen Phasen des Rueckfuehrungsprozesses sollten VertreterInnen der
Fluechtlinge beteiligt sein. 

"Die internationale Gemeinschaft muss auf einer raschen, gerechten und
dauerhaften Loesung fuer die bhutanesischen Fluechtlinge bestehen", sagte
Malavika Vartik von der Habitat International Coalition. "Es sollte kein
Verfahren gebilligt oder unterstuetzt werden, das gegen die Rechte der
Fluechtlinge verstossen wuerde." (1.026 Woerter)
 
Mitglieder der Delegation:
Rachael Reilly: Human Rights Watch
Peter Prove: Lutherischer Weltbund
Fr. Varkey Perekkatt S.J.: Jesuit Refugee Service
Malavia Vartak: Habitat International Coalition - Housing and Land Rights
Network
Ralston Deffenbaugh: Lutheran Immigration and Refugee Service
 
Weitere Informationen erhalten Sie bei:
In Kathmandu - Rachael Reilly, Peter Prove, Malavika Vartak, Ralston
Deffenbaugh, Fr. Varkey Perekkatt S.J.: + 977/1-4410 121 oder 4429 508 (Hotel
Shakti)
In New York - Rory Mungoven (Human Rights Watch): + 1/212-216 1276 oder +
1/917-497 9704 (Handy)
In New York - Alison Parker (Human Rights Watch): + 1/212-216 1291 oder +
1/917-535 9796 (Handy)
In London - Urmi Shah (Human Rights Watch): + 44/20-7713 2788
In Genf - Peter Prove (Lutherischer Weltbund): + 41/78-757 6749 (Handy) (ab
Mittwoch, 3. September nachmittags)
In Rom - Melanie Teff (Jesuit Refugee Service): + 39/06-6897 7386
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen
weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 136
Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der weltweit rund 65,4 Millionen
LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine
enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen
weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner
Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte,
Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt,
falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des
LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI" gekennzeichneten
Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden. 
 
*	*	*
 
LWI online unter: http://www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html 

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-791-6630	     
E-Mail: dmg@lutheranworld.org 


Browse month . . . Browse month (sort by Source) . . . Advanced Search & Browse . . . WFN Home