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Liberia: Von der Furcht zur Hoffnung


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Tue, 02 Dec 2003 10:53:47 -0600

Liberia: Von der Furcht zur Hoffnung
Interreligioese Gruppen haben zentrale Rolle im Friedensprozess
 
Monrovia (Liberia)/Genf, 2. Dezember 2003 (LWI) - "Waehrend des
Kriegs wurden Frauen Opfer von Vergewaltigungen und sie mussten
zusehen, wie ihre Kinder Drogen konsumierten. Die Kinder hatten
Waffen, sie beschimpften ihre Eltern und Maedchen mussten zur
Unterstuetzung der Familie in die Prostitution gehen. Um ihre
Ehemaenner und Soehne zu schuetzen, mussten Frauen die Tueren
oeffnen. Diesen Frauen ist etwas gestohlen worden und sie haben
Angst. Sie haben das Gefuehl, versagt zu haben." So beschreibt
Etwada A. Cooper von der Initiative liberianischer Frauen das
Leiden der Frauen in 14 Jahren Buergerkrieg.
 
Frauen waren aber auch am Friedensprozess des Landes beteiligt.
"Als der Krieg begann, mussten Frauen handeln, um sich Gehoer zu
verschaffen", berichtet Cerue Konah Garlo vom Netzwerk Frauen und
Friedensarbeit. Sie aeusserten sich in deutlichen oeffentlichen
Erklaerungen, in denen sie die kriegerischen Auseinandersetzungen
brandmarkten, und sie sandten Briefe an den liberianischen
Praesidenten Charles Taylor sowie an diplomatische Vertretungen.
Frauen veranstalteten Protestaktionen vor dem Parlament, hielten
Gebete und entsandten eine Delegation zum Interreligioesen Rat
von Sierra Leone, der aktiv am Friedensprozess beteiligt ist.
"Diese Initiativen fuehrten dazu, dass der Dialog aufgenommen
wurde. Schliesslich kam es zum Waffenstillstand und zum Einsatz
von Friedenstruppen", so Garlo. Fuer einen wirklichen Frieden,
brauche es jedoch vertrauenswuerdige Menschen in der Regierung,
fuegte sie hinzu. Fuer sie steht fest: "Personen, die eine
Funktion in der Regierung uebernehmen, sollten integere Menschen
sein und nicht Leute, die sich Macht mit Waffengewalt erkaempft
haben." 
 
Eine Vertreterin der Vereinigung liberianischer Anwaeltinnen
betonte, es sei dringend notwendig, sich mit dem Thema
Menschenrechtsverletzungen auseinanderzusetzen, wenn in Liberia
wirklich ein gerechter Frieden erreicht werden solle. "Eine
vollstaendige Umsetzung der Friedensvereinbarung ist notwendig.
Zudem schadet die Ernennung von Menschen mit zweifelhafter
Glaubwuerdigkeit dem Friedensprozess", meinte sie. Sie aeusserte
ihre Besorgnis darueber, dass sich einige Regierungsmitglieder
mehr um ihre Straflosigkeit als um ihre Arbeit kuemmerten. "Es
muss ein Gerichtshof fuer Kriegsverbrechen eingerichtet werden
und es besteht ein Bedarf an Heilung. Lasst die Menschen darueber
entscheiden, wie mit denen zu verfahren ist, die sie gefoltert
haben", forderte sie. Weiterhin rief sie die internationale
Gemeinschaft dazu auf, die Frauen in ihren Anliegen zu
unterstuetzen. 
 
Mit diesen Berichten und Forderungen wandten sich die drei
Frauen an die Mitglieder einer interreligioesen Delegation, die
vom 20. bis 24. Oktober Liberia besuchte, um ihre Solidaritaet
mit dem liberianischen Volk zum Ausdruck zu bringen. Die
Besuchsreise war Teil der Weiterarbeit nach dem panafrikanischen
Gipfeltreffen von ReligionsvertreterInnen, das auf Initiative des
Lutherischen Weltbundes (LWB) im Oktober 2002 in Johannesburg
(Suedafrika) stattfand. Ueber 100 ReligionsfuehrerInnen, die die
gesamte Bandbreite der Religionen in Afrika repraesentierten,
hatten an diesem Gipfel teilgenommen und einen Aktionsplan
verabschiedet, der unter anderem vorschlaegt, dass
interreligioese Delegationen von Konflikten betroffene Gebiete
des Kontinents besuchen.
 
Gastgeber der sechskoepfigen Mission, die unter Leitung von
LWB-Generalsekretaer Pfr. Dr. Ishmael Noko stand, war der
Interreligioese Rat von Liberia (IRCL). Die Delegation traf zu
Gespraechen mit dem Vorsitzenden der Uebergangsregierung von
Liberia, Gyude Bryant, mit VertreterInnen verschiedener
politischer Parteien, Frauen- und Jugendgruppen sowie der
Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS), mit
LeiterInnen von UN-Organisationen sowie mit dem Botschafter der
Vereinigten Staaten von Amerika zusammen.
 
Im Anschluss an seinen Besuch in Liberia hob

LWB-Generalsekretaer Noko gegenueber der Lutherischen
Welt-Information (LWI) die fuehrende Rolle des IRCL im Ringen um
die Weiterfuehrung des Dialogs "unter extrem wechselhaften
Bedingungen" hervor. Waehrend der verschiedenen Stadien der
Friedensverhandlungen initiierte der IRCL Gespraeche mit allen
zivilgesellschaftlichen Gruppen, einschliesslich politischer
Parteien, Frauen- und Jugendgruppen. Die Beratungen verfolgten
das Ziel, die verschiedenen Sichtweisen und Meinungen zur Zukunft
Liberias in Einklang zu bringen. Aehnliche Treffen fanden mit dem
damaligen Praesidenten Taylor und mit Anfuehrern der
Rebellengruppen statt, bei denen die Konfliktparteien
aufgefordert wurden, das notwendige Umfeld fuer einen
konstruktiven Dialog und fuer eine Ende der Kaempfe zu schaffen.
An diesen Konsultationen nahmen auch Parlament und Sekretariat
der ECOWAS teil.
 
LiberianerInnen sind entschlossen auf dem Weg zu gerechtem
Frieden, Ruf nach Unterstuetzung durch internationale
Gemeinschaft

Der Besuch in Liberia war ein wichtiger Schritt in der Umsetzung
des im Oktober 2002 in Johannesburg verabschiedeten Aktionsplans.
Delegationsmitglied Pfr. Dr. David Kpobi vom Rat der Kirchen von
Ghana erklaerte, der Besuch habe ihm im Blick auf die negativen
Auswirkungen des Krieges die Augen geoeffnet. Er habe aber auch
viel gelernt ueber das Friedenspotenzial eines Volkes, das
entschlossen sei, sich miteinander fuer eine gemeinsame Zukunft
einzusetzen.
 
Im Rueckblick auf die Gespraeche der Delegation mit
Uebergangspraesident Bryant erklaerte Noko: "Gyude Bryant sagte,
er muesse sich mit grundlegenden Themen wie der Bezahlung der
Gehaelter von Regierungsangestellten, dem Aufbau von
Polizeikraeften sowie dem Wiederaufbau der Infrastruktur
auseinandersetzen. Nach dem, was ich erfahren und gesehen habe,
bin ich ueberzeugt, dass die LiberianerInnen entschlossen sind,
gemeinsam auf einen gerechten Frieden hinzuarbeiten, wie es die
juengste Friedensvereinbarung vorsieht." Diese Bemuehungen
muessten von der internationalen Gemeinschaft unterstuetzt
werden. 
 
Die Friedensvereinbarung war am 18. August dieses Jahres in
Accra (Ghana) von der liberianischen Regierung, den beiden
Rebellengruppen - Vereinigte Liberianer fuer Versoehnung und
Demokratie (LURD) und Bewegung fuer Demokratie in Liberia (MODEL)
- sowie von 18 politischen Parteien unter der Schirmherrschaft
der ECOWAS unterzeichnet worden. Der IRCL nahm als offizieller
Beobachter an der Unterzeichnung der Vereinbarung teil, in der
sich alle bewaffneten Parteien dazu verpflichteten, die
bewaffneten Auseinandersetzungen tatsaechlich einzustellen und
sich gemeinsam fuer die Wiederherstellung der Stabilitaet
einzusetzen.
 
LWB-Generalsekretaer Noko brachte seine Hoffnung auf neue
Impulse fuer die "Beharrlichkeit und Spiritualitaet der
liberianischen Frauen und des IRCL, die beide einen grossartigen
Beitrag fuer die neue Zeit in Liberia geleistet haben", zum
Ausdruck. Kurz nach dem Besuch der interreligioesen Delegation
organisierte der IRCL Gespraeche zwischen dem Vorsitzenden der
Uebergangsregierung und Sekou Conneh von der Rebellengruppe LURD,
nachdem dieser unmittelbar nach seiner Rueckkehr aus dem Exil in
Guinea oeffentlich angekuendigt hatte, seine Gruppe werde aus dem
Friedensprozess ausscheiden und in den Busch zurueckkehren. Der
LURD-Anfuehrer kritisierte, dass die von ihm nominierten Personen
daran gehindert wuerden, Regierungsposten zu uebernehmen. 
 
Ziel der gegenwaertige Friedensvereinbarung ist das Ende des
Buergerkriegs, der 1989 mit der Hinrichtung des damaligen
Praesidenten Samuel Doe durch Regimegegner aus der Nationalen
Patriotischen Front von Taylor begann. Die Folge waren Gefechte
zwischen Splittergruppen der Rebellen, der nationalen Armee und
westafrikanischen Friedenstruppen. Auf eine Friedensvereinbarung
im Jahr 1995 folgte 1997 die Wahl Taylors zum Praesidenten, die
Kaempfe hielten jedoch an. Erst im August 2003 war Taylor
aufgrund des wachsenden internationalen Drucks und angesichts des
schnellen Vorrueckens der Rebellen auf die Hauptstadt Monrovia
zum Ruecktritt bereit. Nachdem Taylor Mitte August nach Nigeria
ins Exil gegangen war, stellten die Rebellengruppen ihre Kaempfe
ein. Im Oktober wurde Bryant als Praesident vereidigt, er wird
das Land bis zu den fuer das Jahr 2005 vorgesehenen
demokratischen Wahlen leiten. Der 14-jaehrige Buergerkrieg in
Liberia hat schaetzungsweise 200.000 Menschenleben gekostet, mehr
als eine Million der rund 3 Millionen EinwohnerInnen des Landes
wurden vertrieben.
 
Sekretariat der Interreligioesen Aktion fuer Frieden
eingerichtet

Der IRCL hat neben weiteren interreligioesen Netzwerken in
Afrika den Aktionsplan des Interreligioesen Friedensgipfels von
Johannesburg bestaetigt. Fuer die Arbeit der interreligioesen
Aktion fuer Frieden in Afrika wurde inzwischen ein Sekretariat
eingerichtet, das gegenwaertig im Genfer Hauptquartier des LWB
angesiedelt ist. Der Koordinator des Bueros, Scheich Saliou Mbacki
von der Murid-Gemeinschaft in Senegal, beschrieb den Besuch in
Liberia "als ertragreich". Als Mitglieder der interreligioesen
Delegation "haben wir uns mit der Situation in Liberia
auseinander gesetzt und unsere Vorstellung von einem neuen
Liberias mit allen, die am Wiederaufbauprozess des Landes
beteiligt sind, ausgetauscht", erklaerte Mbacki gegenueber LWI.
 
"Frieden ist ein grundlegendes Element aller Religionen";
Ideologische Differenzen duerfen keine Konflikte schueren

Weitere Massnahmen der interreligioesen Friedensarbeit in Afrika
beinhalten gegenseitige Besuche von Gruppen, die von Konflikten
betroffen sind, wie ehemalige KindersoldatInnen, Frauen,
Landminenopfer sowie Fluechtlinge. Laut Mbacki liegt der
Schwerpunkt der Arbeit des Sekretariats in der Foerderung
praktischer interreligioeser Friedensarbeit, die ueber den reinen
Dialog hinausgeht. "Wir haben unterschiedliche dogmatische
Ansaetze. Doch darf dies nicht dazu fuehren, dass wir gegenseitig
Feindbilder projizieren". Frieden sei ein grundlegendes Element
aller Religionen. "Und darauf sollten wir aufbauen, um unser
gemeinsames Ziel, einen gewaltfreien Ansatz zur Konfliktloesung
in Afrika, zu erreichen", so Mbacki.
 
Der zweite Interreligioese Friedensgipfel in Afrika ist fuer
Oktober 2004 in Kairo (Aegypten) geplant. Eine erste subregionale
Konferenz fuer die Region Suedliches Afrika fand im Oktober 2003
in Johannesburg statt. Aehnliche Tagungen sind fuer die Regionen
Westafrika sowie Zentral- und Ostafrika im naechsten Jahr noch
vor dem Gipfel in Kairo vorgesehen. Weiterhin sind
interreligioese Konsultation auf nationaler Ebene geplant, wie im
Dezember dieses Jahres in Nigeria.
 
Eine weitere interreligioese Delegation wird im Januar 2004 die
Demokratische Republik Kongo und Ruanda besuchen, Gastgeber sind
interreligioese Netzwerke beider Laender. Fuer den Zeitraum Juni
bis Oktober 2004 sind eine Reihe von interreligioesen
Austauschbesuchen vorgesehen.
 
LWB-Generalsekretaer Noko hat die Hoffnung, dass die
interreligioese Friedensinitiative ueber den afrikanischen
Kontinent hinaus Wirkung zeigen werde. "Wir haben dort angefangen
wegen des Umfangs und der Auswirkung der Konflikte auf die ganze
Bevoelkerung eines Landes. Dort gibt es interne
Auseinandersetzungen, die sich nicht nur auf die betreffenden
Laender auswirken, sondern die Tendenz haben, die gesamte
Subregion in ihren Sog zu ziehen." Daneben gebe es aber auch
andere Formen der interreligioesen Arbeit in Asien, Europa,
Latein- und Nordamerika, in die sich der LWB und seine Partner
einbringen wuerden, betonte Noko. (1,507 Woerter) 
 
(Dieser Beitrag entstand auf der Basis von Beitraegen von
LWI-Korropendent Prince Collins.)
 
Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen
Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung
2003 "Zur Heilung der Welt". Die Serie beleuchtet die Relevanz
des Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und
lokalen Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und
stellt Projekte der Versoehnung und Heilung vor angesichts
weltweiter Bedrohung. Auch nach Abschluss der Zehnten
Vollversammlung, die vom 21. bis 31. Juli 2003 in Winnipeg
(Manitoba/Kanada) stattfand, bildet das Vollversammlungsthema
einen der Schwerpunkte der Arbeit des LWB.
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft
lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden)
gegruendet, zaehlt er inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund
61,7 Millionen der weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen
in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat
der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen
in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als
Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB)
herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht
besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB
oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden. 
 
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LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html 

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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