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LWF Feature: Manche Probleme kannst du einfachnicht loesen
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"Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date
Tue, 23 Dec 2003 11:24:24 -0600
Feature: Manche Probleme kannst du einfach nicht loesen
LWB-Weltdienst unterstuetzt AIDS-Waisen in Uganda
Rakai (Uganda)/Genf, 23. Dezember 2003 (LWI) - Jeden Morgen um
sechs Uhr weckt Prudentio Sseguya (14) seine Brueder Leonhard
(12) und Anatoli (10). Zusammen arbeiten sie anderthalb Stunden
in ihrem Garten und bringen das Haus in Ordnung, bevor sie zur
Schule gehen: die beiden Kleineren in die nahegelegene
Grundschule, Prudentio selbst in die weiterfuehrende Schule. Der
18-jaehrige Bruder John Bosco lernt bei einem Maurer - er ist um
diese Zeit schon laengst aus dem Haus.
Die vier Brueder leben in Kaliiro, einem kleinen Ort nahe
Lyantonde im Rakai-Distrikt in Sueduganda. Ihr Vater starb 1997,
die Mutter im vergangenen Jahr - beide an den Folgen von AIDS.
Seitdem sorgen die grossen fuer die kleineren Brueder. Der
Haushalt der Brueder Sseguya ist einer von Tausenden in Uganda,
denen nur Kinder angehoeren.
Der Rakai-Bezirk gehoert zu den besonders vernachlaessigten
Regionen des Landes. Mehr als 70 Prozent aller Haushalte stehen
weniger als das ugandische Existenzminimum von umgerechnet etwa
drei Euro pro Woche zur Verfuegung. Hier wurden 1982 die ersten
AIDS-Faelle Ugandas entdeckt und die Rate der HIV-Infizierten
liegt auch heute mit 9,2 Prozent der 15- bis 49-Jaehrigen
deutlich ueber dem nationalen Durchschnitt von 6,2 Prozent.
HIV/AIDS-Tests sind kostenlos, doch fuer viele sind Fahrtkosten
zu hoch
Das ostafrikanische Land wird immer wieder als positives
Beispiel im Kampf gegen AIDS genannt. Dank der konsequenten
Aufklaerung und Vorsorge, die in guter Zusammenarbeit von
Regierung, Kirchen, lokalen und internationalen
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie UN-Organisationen
bereits zu einem fruehen Zeitpunkt auf den Weg gebracht worden
waren, konnte die Infektionsrate in den letzten Jahren deutlich
gesenkt werden. Noch 1992 hatte die Infektionsrate bei rund 30
Prozent gelegen. Auch wenn die Erfolge unstrittig sind, so fallen
diese offiziellen Zahlen sicher zu positiv aus: Unter
15-Jaehrige, also rund die Haelfte der ueber 24 Millionen
UganderInnen, duerfen erst getestet werden, wenn sie
AIDS-Symptome zeigen. Auch fuer Erwachsene ist der Weg zum Test
teuer und beschwerlich: drei Tests sind noetig, die nur in
besonderen Gesundheitszentren durchgefuehrt werden koennen.
Obwohl die Tests kostenlos sind, verschlingen die Fahrtkosten oft
mehr als das Monatseinkommen einer ganzen Familie. Wer kann sich
das leisten, nur um zu erfahren, dass er die noetigen Medikamente
doch nicht bezahlen kann?
HIV/AIDS ist einer der zentralen Aspekte des Finanzhaushaltes
der ugandischen Regierung. Der Aktionsplan zur Bekaempfung von
Armut setzt auf Strategien, die die Erweiterung der Kapazitaeten
von regionalen Behoerden wie auch von lokalen NGOs und kommunalen
Organisationen im Umgang mit den Folgen der Pandemie zum Ziel
hat. Da es fuer viele Tausende AIDS-Waisen keine direkte
staatliche Hilfe gibt, bleibt diesen nur die Eigeninitiative.
Die Brueder Sseguya gehoeren der Kaliiro-AIDS-Selbsthilfegruppe
an, die im August 2000 von mehreren der etwa 100
DorfbewohnerInnen gegruendet wurde. John Bosco ist ihr Sekretaer.
Als den Betroffenen deutlich wurde, dass sie ihre kleinen Farmen
nicht mehr allein versorgen und auch kaum noch bezahlte Arbeit
ausserhalb des Dorfes uebernehmen konnten, beschlossen sie, ihre
Felder gemeinsam zu bewirtschaften und sich nach Moeglichkeiten
umzusehen, ihr Einkommen zu sichern. Hilfe fanden sie beim
Weltdienstprogramm des Lutherischen Weltbundes (LWB), der seit
1979 in Uganda und seit 1992 im Rakai-Distrikt taetig ist.
Die Umstellung auf den integrierten Anbau von Bananen, Yams,
Cassava, Tomaten, Kuerbissen, Bohnen und Heilpflanzen wurde ihnen
durch die Beratung durch einen LWB-Mitarbeiter erleichtert. Auf
einem Viertel der gemeinsamen Farmflaeche von einem Hektar bauen
die Gruppenmitglieder Passionsfruechte an. Diese verkaufen sie
auf dem Markt und erwirtschaften damit ein zusaetzliches
Einkommen. Aus der Zucht des nahegelegenen
LWB-Ausbildungszentrums stammen die Huehner, eine Ziege und eine
Kuh, die die Gruppe auf Kredit bekommen hat. Die erste Nachzucht
musste sie an eine andere Gruppe weitergeben - damit waren ihre
Schulden beglichen. Zwei weitere Ziegen und einen Bullen hat die
Gruppe aus dem Verkauf der Passionsfruechte selbst finanziert.
Fuer die Wasserversorgung der betroffenen Familien stellte der
LWB Baumaterial und Werkzeuge bereit. Die Gruppenmitglieder
halfen im Rahmen ihrer koerperlichen Moeglichkeiten beim Bau mit.
Auch das Haus der vier Brueder wurde auf diese Weise repariert.
"Mein groesster Wunsch ist, dass ich selbst einmal ein grosses
und stabiles Haus bauen kann", sagt der zwoelfjaehrige Leonhard.
Sein Ziel ist es, in das Berufsbildungszentrum des LWB (Rakai
Community Based AIDS Project - RACOBAP) in Lyantonde aufgenommen
und dort zum Maurer ausgebildet zu werden. Sein Bruder Prudentio
moechte dort Schreiner lernen. Knapp 70 Jugendliche -
ausschliesslich AIDS-Waisen oder Kinder von schwer an AIDS
Erkrankten - werden dort in jeweils zweijaehrigen Kursen im
Maurer-, Schreiner- oder Schneiderhandwerk sowie im Bereich
Motorrad- und Fahrradreparatur und Haus- oder Landwirtschaft
ausgebildet. In den ersten drei Monaten erhalten sie ersten
Einblick und entscheiden sich dann fuer eine Spezialisierung. Am
Ende der zweijaehrigen Ausbildung stehen Pruefungen und die
Starthilfe zur Gruendung eines eigenen Unternehmens. Etwa 150.000
ugandische Schilling (rund 75 Euro) kostet die Basisausstattung
fuer MaurerInnen oder SchneiderInnen, die Starthilfe im
Schreinerhandwerk oder fuer MotorradmonteurInnen etwa das
Doppelte. Rueckhalt gibt den Jugendlichen in den ersten Jahren
die Beratung durch die AusbilderInnen des Zentrums. Die
Startsumme wird in kleinen Raten zurueckgezahlt und kommt den
naechsten Jahrgaengen zugute.
Rose traeumt davon, Schneiderin zu werden
Der Andrang auf einen Ausbildungsplatz ist gross, jedes Jahr
muessen Jugendliche aus Kapazitaetsmangel abgewiesen werden. Doch
auch fuer die Gluecklichen, die ihre Ausbildung hier beginnen
koennen, gibt es manchmal hohe Huerden. So wohnt die 15-jaehrige
Rose Kyogabirwe zu weit entfernt, um jeden Tag ins
Berufsbildungszentrum zu kommen. Sie kann nur die Woche ueber im
Zentrum bleiben, weil ihr kleiner Bruder von Mitgliedern der
AIDS-Selbsthilfegruppe in ihrem Heimatdorf versorgt wird.
Nach dem AIDS-Tod der Eltern im Jahr 2000 uebernahm die damals
Zwoelfjaehrige die Verantwortung fuer den zwei Jahre Juengeren.
Die Kinder bauten Obst und Gemuese in ihrem Garten an und
verkauften es, um weiter zur Schule gehen zu koennen. Eine
LWB-AIDS-Beraterin wurde auf sie aufmerksam und sorgte dafuer,
dass das inzwischen halb verfallene Haus der beiden repariert
wurde und die Kinder Nahrungsmittel vom LWB-Laenderprogramm in
Uganda bekamen. Rose schaffte Anfang des Jahres den
Grundschulabschluss. "Leider war ich nicht gut genug, um zur
weiterfuehrenden Schule zu gehen, aber zum Glueck bin ich im
Berufsbildungszentrum aufgenommen worden!" sagt sie. Dort begann
sie im Juni 2003 eine Ausbildung zur Schneiderin. Mit weiteren 24
Jugendlichen wohnt sie die Woche ueber im Zentrum und versorgt
zusammen mit den anderen den dazugehoerenden Garten, um am
Wochenende Nahrungsmittel fuer ihren Bruder mitnehmen zu koennen.
Der grosse Traum von Rose ist: sie will Schneiderin werden und
genug Geld verdienen, damit ihr Bruder weiter zur Schule gehen
und vielleicht sogar spaeter studieren kann.
Mehr als 340 ehrenamtliche HIV/AIDS-BeraterInnen arbeiten im
RACOBAP-Projekt des LWB mit. Weil sie selbst in den Doerfern und
Stadtvierteln wohnen, bekommen sie sehr schnell mit, wo es
Probleme gibt und koennen oft Abhilfe schaffen. "Aber manche
Probleme kannst du einfach nicht loesen", sagt die 32-jaehrige
Annet Twongirwe, die mittlerweile selbst mehrere BeraterInnen
betreut. "Du kannst nur zuhoeren und das Leiden mit aushalten.
Aber auch das ist wichtig, damit die Menschen sich nicht verloren
fuehlen." (1.140 Woerter)
(Ein Beitrag von Regina Karasch, DNK/LWB, Stuttgart.)
Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen
Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung
2003 "Zur Heilung der Welt". Die Serie beleuchtet die Relevanz
des Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und
lokalen Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und
stellt Projekte der Versoehnung und Heilung vor angesichts
weltweiter Bedrohung. Auch nach Abschluss der Zehnten
Vollversammlung, die vom 21. bis 31. Juli 2003 in Winnipeg
(Manitoba/Kanada) stattfand, bildet das Vollversammlungsthema
einen der Schwerpunkte der Arbeit des LWB.
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft
lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden)
gegruendet, zaehlt er inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund
61,7 Millionen der weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen
in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat
der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen
in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als
Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB)
herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht
besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB
oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.
* * *
LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
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