From the Worldwide Faith News archives www.wfn.org


Neue Unternehmenskonzepte: oekologische Nachhaltigkeit und


From "Frank Imhoff" <frank_imhoff@elca.org>
Date Thu, 29 Jul 2004 07:20:31 -0500

Neue Unternehmenskonzepte: oekologische Nachhaltigkeit und
Verteilungsgerechtigkeit 
LWB-Konsultation ruft Unternehmen zur Wahrnehmung ihrer sozialen und
ethischen Verantwortung auf
 
Stuttgart (Deutschland)/Genf, 29. Juli 2004 (LWI) - Es muesse ueberlegt
werden, "wie sich das Konzept der Naechstenliebe in Organisationen und
Firmen durch die Wahrnehmung ihrer sozialen und ethischen Verantwortung
verwirklichen laesst", betonte die Direktorin der Abteilung fuer
Theologie und Studien (ATS) des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrerin
Dr. Karin Bloomquist, waehrend der LWB-Konsultation "Globalizing
Vocation and Neighbor-Responsibility" (Berufung und Verantwortung
gegenueber unseren Naechsten globalisieren). Die Diskussion und
Erarbeitung neuer Konzepte zur Umsetzung sozialer und ethischer Ziele in
Firmen und Organisationen stand im Mittelpunkt der Tagung, die unter
Leitung der ATS vom 17. bis 19. Juni in Stuttgart (Deutschland)
stattfand. 
 
Angesichts der alltaeglichen ethischen Herausforderungen, der sich
MitarbeiterInnen von Unternehmen in Bezug auf die oekonomische
Globalisierung ausgesetzt sehen, stelle sich die Frage, wie die Kirche
Menschen motivieren und ermutigen koenne, angesichts der Realitaeten der
oekonomischen Globalisierung Handlungsalternativen zu entwickeln, so
Bloomquist. 
 
Konsultation will praktische Vorschlaege erarbeiten

Ziel der Konsultation ist laut ATS-Direktorin Bloomquist vor allem,
Vorschlaege und Ansaetze zu entwickeln, "die hilfreich sein koennten
fuer diejenigen, die in der Gemeinde und in der Wirtschaft aktiv sind".
Als Ergebnis der Konsultation biete sich nach den abstrakten
Positionspapieren juengster Konsultationen zum Thema der
wirtschaftlichen Globalisierung eine einfach zugaengliche,
flugblattartige Veroeffentlichung an, die Gemeinden durch Hervorhebung
konkreter Schritte zur Problematisierung des Themas in ihren Reihen
ermutigen soll. 
 
Die Konsultation fand im Rahmen der fortlaufenden theologisch-ethischen
Auseinandersetzung der Abteilung fuer Theologie und Studien mit der
wirtschaftlichen Globalisierung statt und konzentrierte sich auf die
Beziehungen zwischen den Bereichen Kirche und Wirtschaft. Waehrend einer
ATS-Tagung zum Thema "Kirchen nehmen die Regierungen in die
Verantwortung" im Januar dieses Jahres in Genf hatten die
TeilnehmerInnen zu Transparenz und Ausuebung des politischen Amtes zum
Wohle der Bevoelkerung aufgerufen. 
 
Als wirtschaftsethische Grundlage schlug Dr. Susanne Edel,
Gemeindepfarrerin aus Esslingen (Deutschland), ein Modell zur Beziehung
zwischen dem Individuum und seinen Naechsten auf drei Ebenen vor: auf
der Ebene der individuellen Ethik, der Organisations- bzw.
Institutionsethik und der gesamtgesellschaftlichen, strukturellen Ethik.
Die Herausforderung sei nun, wie "die drei Ebenen zusammenkommen
koennen, um am besten den Beduerfnissen der Menschen zu dienen",
erklaerte Edel. Naechstenliebe muesse auf allen drei Ebenen eingefordert
und praktisch umgesetzt werden. Besonders auf der Ebene der
Unternehmensethik und in der Zusammenarbeit zwischen Kirchen und kleinen
sowie mittleren Unternehmen besteht laut Bloomquist Nachholbedarf fuer
die Kirchen. 
 
Werteorientierte Unternehmenskulturen 

"Wir muessen Unternehmenskulturen so veraendern, dass Firmen ihre
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu ermutigen, entsprechend bestimmter
Werte zu handeln, sowie oekologische Nachhaltigkeit und
Verteilungsgerechtigkeit foerdern", forderte Dr. Stewart W. Herman,
Professor fuer Unternehmensethik am Concordia College in Minnesota
(USA). 
 
In diesem Zusammenhang koenne das Modell eines sogenannten
"Nachhaltigkeitsaudit" (sustainability audit), das neben der ueblichen
Finanzbilanz auch die Bilanzierung der sozialen und oekologischen
Zielsetzungen eines Unternehmens einschliesse, einen wichtigen Beitrag
leisten, so Peter Stoll, LWB-Schatzmeister und Vorstandsvorsitzender der
diakonischen Traegergesellschaft Unternehmensgruppe Dienste fuer
Menschen e. V. Weitere Kriterien seien eine ordentliche
Unternehmensfuehrung (corporate governance) sowie faire
Geschaeftsbeziehungen. 
 
Weiterhin diskutierten die TeilnehmerInnen der Tagung Konzepte wie
Investitionstaetigkeit unter ethischen und sozialen Gesichtspunkten und
die Vergabe von Mikrokrediten an kleine und mittlere Unternehmen. Als
weiterer Ansatzpunkt wurde die Strategie der "kritischen AktionaerInnen"
benannt, bei der Organisationen wie z. B. die Kirchen als Anteilseigner
an Firmen die Unternehmenspolitik in Richtung sozialer, oekologischer
und ethischer Vertraeglichkeit beeinflussen.
 
Hilfe bei Entwicklung innovativer Unternehmenskonzepte 

Gerade die Kirchen muessten als Plattform fuer kleine werteorientierte
Unternehmen dienen, forderte Carl-Gustav Bjertnes, Geschaeftsfuehrer von
Orah, einer Schweizer Risikokapitalgesellschaft, die in kleinere und
mittlere Betriebe in Suedosteuropa investiert. Mit diesen Unternehmen
muessten innovative, an ethischen und sozialen Kriterien orientierte
Unternehmenskonzepte entwickelt und die Firmen bei deren Umsetzung
unterstuetzt werden, so Bjertnes. Es sei jedoch sehr schwierig,
wirtschaftliche Themen auf der Gemeindeebene zur Sprache zu bringen,
genauso wie es erst einmal gelte, die Kirche als ernst zu nehmende
Partnerin des Wirtschaftssektors in die Diskussion zu bringen.
 
Das Engagement der Kirchen im Bereich Anwaltschaft stosse im Bereich der
Unternehmensethik jedoch auf Grenzen, betonte Gunstein Instefjord,
Direktor der Abteilung fuer Politik und Menschenrechte des norwegischen
christlichen Hilfswerks Norwegian Church Aid (NCA). Der Start einer
NCA-Kampagne gegen den Textilkonzern Tommy Hilfiger, der laut Instefjord
in Thailand unter menschenunwuerdigsten Bedingungen produzierte, habe
anstatt zu einer Umgestaltung anhand von ethischen und sozialen
Kriterien nur zur Schliessung des Werkes und zur Abwanderung des
Konzerns aus der Region gefuehrt. 
 
Nicht nur dieses Beispiel zeige, dass es fragwuerdig ist, ob eine
Veraenderung auf der Ebene der einzelnen Unternehmen wirklich ohne die
gleichzeitige Veraenderung der strukturellen Rahmenbedingungen umgesetzt
werden koenne, erklaerte Pfarrerin Sandra Bach aus Muenchen
(Deutschland). Die Unternehmen seien gezwungen, unter bestimmten
strukturellen Bedingungen zu handeln, so Bach. Zur Einforderung von
Unternehmensverantwortung auf struktureller Ebene bietet laut Dr.
Cynthia Moe-Lobeda die Besteuerung von sozialen und oekologischen Kosten
durch den Staat ein probates Mittel. "Es waere als Unternehmen in meinem
eigenen Interesse, mich am Prinzip der Nachhaltigkeit zu orientieren,
wenn ich fuer die Verschmutzung der Umwelt Steuern zahlen muesste",
erlaeuterte die Professorin fuer Theologie und Religionswissenschaften
der Universitaet Seattle (USA) den Ansatz. 
 
Die Ergebnisse dieser Tagung wie auch der Positionspapiere vorheriger
Konsultationen zum Thema der wirtschaftlichen Globalisierung sollen Ende
dieses Jahres in der Reihe LWB-Dokumentation unter dem Titel "Communion,
Responsibility, Accountability" (Communio, Verantwortung und
Rechenschaft) veroeffentlicht werden. (855 Woerter)
 
(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Anne-Christin Sievers, Tuebingen.)
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der weltweit
knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.
 
*	*	*

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-791-6630	     
E-Mail: dmg@lutheranworld.org 


Browse month . . . Browse month (sort by Source) . . . Advanced Search & Browse . . . WFN Home