From the Worldwide Faith News archives www.wfn.org


Lutherischer Bischof in Liberia mahnt zu Vergebung fuer


From "Frank Imhoff" <Frank_Imhoff@elca.org>
Date Fri, 30 Jul 2004 13:46:54 -0500

Lutherischer Bischof in Liberia mahnt zu Vergebung fuer ehemalige
KaempferInnen
Bekenntnisse ehemaliger KindersoldatInnen belegen Verletzung ihrer
Grundrechte
 
Monrovia (Liberia)/Genf, 30. Juli 2004 (LWI) - "Lasst uns ihnen
vergeben" lautet die eindringliche Bitte von Bischof Sumoward Harris von
der Lutherischen Kirche in Liberia in einem Aufruf an die Bevoelkerung,
ehemalige KaempferInnen des Buergerkrieges wieder aufzunehmen und in
ihrer Mitte willkommen zu heissen. In einem Interview mit der
Lutherischen Welt-Information (LWI) betonte Harris, es sei viel
Sensibilisierung vonnoeten, bevor eine Reintegration gelingen koenne.
Dies gelte insbesondere bei den ehemaligen KaempferInnen, die waehrend
des 14-jaehrigen Buergerkriegs in Liberia getoetet, vergewaltigt und
gepluendert haetten. 
 
Bischof Harris sprach auch ueber die Angst, die einige ehemalige
KaempferInnen, die noch im Kindes- oder Jugendalter rekrutiert worden
waren, vor der Rueckkehr in ihre Heimatgebiete geaeussert hatten. "Sie
haben mir erzaehlt, dass einige ihrer Kameraden und Kameradinnen nach
ihrer Entwaffnung getoetet wurden. Deshalb haben sie Angst, was mit
ihnen selbst geschehen wuerde, nachdem sie die Waffen niedergelegt
haben", berichtete Harris. 
 
Als Ausdruck des kirchlichen Engagements fuer einen dauerhaften Frieden
in Liberia betreut eine Arbeitsgruppe fuer Traumabewaeltigung und
Versoehnung der Lutherischen Kirche in Liberia entwaffnete ehemalige
KaempferInnen in den beiden Entmilitarisierungs-Lagern, die vom
Laenderprogramm der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des Lutherischen
Weltbundes (LWB) in Liberia unterhalten werden. Beide Lager sowie zwei
weitere wurden fuer die von der UN-Mission in Liberia (UNMIL) geleitete
Aktion fuer Entwaffnung, Demobilisierung, Rehabilitation und
Reintegration ausgewaehlt. Die Praesenz der Kirche vor Ort ist ein
wesentliches Element fuer den Erfolg des Programms.
 
Laut Jacques Paul Klein, Leiter der UNMIL, haben seit Beginn der Aktion
im Dezember 2003 bereits mehr als 38.000 ehemalige KaempferInnen den
Entwaffnungsprozess durchlaufen. Die Aussage des Rebellenfuehrers John
Tamba, die Zeit des Kampfes sei vorbei, gibt Anlass zur Hoffnung. "Wir
muessen unsere Waffen der UNMIL uebergeben. Wir muessen wieder mit
unserem Volk zusammenleben. Wir muessen um Vergebung bitten. Lasst uns
um Verzeihung bitten fuer das Unrecht, das wir getan haben", hatte Tamba
betont.
 
Spezielle Beduerfnisse von KindersoldatInnen

Die Reintegration von schaetzungsweise 15.000 KindersoldatInnen -
sowohl Jungen als auch Maedchen, viele zwischen sieben und zehn Jahre
alt - stellt eine weitere grosse Herausforderung dar. Nachdem ihr Leben
als SoldatInnen nahezu ausschliesslich von Gewalt bestimmt war, sollen
sie nun wieder lernen, als Kinder zu leben. Ziel der Reintegration ist,
sie wieder in die Obhut ihrer Familien und Heimatgemeinden zu
uebergeben, doch bei 25 Prozent der Kinder sind keine Verwandten mehr
aufzufinden, die sie aufnehmen koennten. 
 
In einem Auffanglager fuer entwaffnete KindersoldatInnen berichteten
Kinder von Folterung und anderen Strafen, die sie von ihren ehemaligen
Kommandierenden fuer angebliche Regelverstoesse erdulden mussten. Eines
der Kinder erklaerte: "Wir wurden gefesselt und geschlagen und manchmal
auch getoetet fuers Stehlen, fuer die Nichtbefolgung von Befehlen und
fuer Uebergriffe auf die Zivilbevoelkerung." Es ist grausame Realitaet,
dass die ehemaligen KindersoldatInnen zu MittaeterInnen wurden bei
Uebergriffen auf ZivilistInnen, einschliesslich Vergewaltigung, Mord und
Pluenderung.
 
Die Geschichten einiger KindersoldatInnen sind ein Beleg fuer die
Verletzung der Grundrechte von Kindern auf Sicherheit, Entwicklung und
Kindheit. Nachdem sie als SoldatInnen gekaempft und getoetet haben,
vermissen sie ihre Familien und wollen wieder Kinder sein. 
 
Lorpu, eine ehemalige Kindersoldatin, berichtete: "Ich habe angefangen,
mit den Regierungstruppen zu kaempfen, als ich elf Jahre alt war. Ich
war eine sehr guter Kaempferin. Im vergangenen Jahr wurde ich im Kampf
von den Rebellentruppen gefangen genommen. Sie befahlen mir, mich bei
ihnen einzureihen. Ich akzeptierte ihre Forderung. Ich habe an allen
groesseren Kriegsschauplaetzen gekaempft, sowohl in Monrovia als auch in
den Waeldern. Ich war nie verwundet. Ich habe nie Zivilisten und
Zivilistinnen getoetet, nur Feinde. Und jetzt bin ich dankbar, dass die
UN uns die Waffen abnimmt. Das Einzige, was mich bedrueckt, ist, dass
ich meine Eltern vermisse. Ich moechte zurueck nach Hause und in die
Schule gehen." 
 
Die 23-jaehrige Evelyn erzaehlte: "Ich hatte das Kommando ueber 50
junge Maedchen. Die juengste war 13 Jahre alt. Manchmal nahmen wir
andere Maedchen gefangen und zwangen sie, sich uns anzuschliessen ...
Aber jetzt fuehle ich mich wie ein neuer Mensch. Ich bete jeden Tag zu
Gott, dass er mir die schlimmen Dinge vergibt, die ich getan habe. Jetzt
kann ich mit anderen Maedchen die Zeit verbringen und Spass haben." 
 
Die 14-jaehrige Mary berichtete: "Waehrend des Kampfes hatte ich nie
Gelegenheit, mit meinen Freundinnen zu spielen. Ich hatte an vorderster
Front genug zu tun. Jetzt aber kann ich mit Freunden und Freundinnen aus
anderen Kriegsparteien spielen." 
 
Im Wissen um die grossen Herausforderungen im Blick auf die
Reintegration der ehemaligen KaempferInnen des Buergerkriegs hat sich
Bischof Harris an die Vereinten Nationen und die Uebergangsregierung von
Liberia gewandt und darum gebeten, den Kirchen groesseren Einfluss zu
geben, damit sie im Reintegrations- und Versoehnungsprozess eine
staerkere Rolle spielen koennen. (766 Woerter)
 
(Auf der Grundlage eines Berichts von LWI-Korrespondent Prince Collins,
Liberia). 
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der weltweit
knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden. 

*	*	*

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html 

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-791-6630	     
E-Mail: dmg@lutheranworld.org 


Browse month . . . Browse month (sort by Source) . . . Advanced Search & Browse . . . WFN Home