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FEATURE: 'Wir brauchen Bruecken, keine Mauern'
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"Frank Imhoff" <frank_Imhoff@elca.org>
Date
Mon, 06 Sep 2004 10:14:46 -0500
FEATURE: 'Wir brauchen Bruecken, keine Mauern'
Palaestinensischer lutherischer Bischof Younan: Gemeinsame Werte der drei Religionen ausfindig machen, um Frieden, Gerechtigkeit und Versoehnung zu foerdern
LWB-Ratstagung in Genf, 1. * 7. September 2004
PRESSEMITTEILUNG NR: 11
Genf, 5. September 2004 (LWI) * Die Kirchen in Jerusalem, ob katholisch, lutherisch, anglikanisch oder orthodox, haben eine prophetische Botschaft in dieser Zeit der Krise, betonte Bischof Munib A. Younan von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien (ELKJ) waehrend der Ratstagung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Genf gegenueber JournalistInnen. Wir als Kirchen sollten auch weiterhin Bruecken bauen und den Menschen Hoffnung in einer hoffnungslosen Situation geben, so der Bischof von rund 3.000 LutheranerInnen in Jerusalem, in den palaestinensischen Gebieten und in Jordanien. Die LWB-Ratstagung findet vom 1. bis 7. September in Chavannes-de-Bogis bei Genf statt.
In Berichten der internationalen Presse ueber den Konflikt im Nahen Osten sehe man sich meist nur mit Zahlen konfrontiert, so Younan, erkenne aber nicht die menschlichen Schicksale, die sich hinter diesen Zahlen verbergen. Unsere Rolle ist es, prophetisch zu sein und auch die menschliche Seite des Konflikts zu zeigen, erklaerte Bischof Younan. Dabei muesse die Menschlichkeit sowohl von PalaestinenserInnen als auch von Israelis betont werden. PalaestinenserInnen und Israelis seien in gleichem Masse von den verheerenden Konsequenzen des Konflikts und von den Entbehrungen, die dieser mit sich bringe, betroffen. Die Angst ist uns gemeinsam, Israelis wie PalaestinenserInnen, die Angst vor Unsicherheit und Ungerechtigkeit, beschrieb Younan die Situation.
Der Nahe Osten koenne die Loesung des Konflikts jedoch nicht allein bewerkstelligen. Die Europaeische Union, die Vereinigten Staaten von Amerika sowie die internationale Weltgemeinschaft sollten weiterhin ihre Unterstuetzung zusichern und auf eine Loesung des Konflikts draengen.
Angesichts der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag im Blick auf den Verlauf der von Israel errichteten Sperranlagen erklaerte Younan, dass sich die internationale Gemeinschaft mit dem Urteil gegen eine solche Anlage ausgesprochen habe. Es handelt sich nicht um einen Sicherheits-, sondern um einen Trennungswall. Warum verschwenden wir das Geld fuer die Mauer, wo wir es dazu nutzen koennten, Frieden und Gerechtigkeit herbeizufuehren? fragte er.
Der Grenzwall trennt PalaestinenserInnen von PalaestinenserInnen
Und die Mauer trenne nicht nur Israelis und PalaestinenserInnen, sondern auch PalaestinenserInnen untereinander, Freunde und Freundinnen, Ehepaare und ganze Familien. Die Grenzmauer verlaufe nicht entlang der Grenzen von 1967, sondern an vielen Stellen inmitten Palaestinas selbst. Es bereite schon Schwierigkeiten, SchuelerInnen und LehrerInnen ueberhaupt den Schulbesuch zu ermoeglichen, da sie der Grenzwall davon abhalte.
Seine Frau leite eine Blindenschule, berichtete Younan. Sollte der Sperrwall einmal fertig gestellt sein, wuerden 75 Prozent der palaestinensischen SchuelerInnen * aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen * die Schule nicht mehr besuchen koennen. Fuer diese Schueler sei sogar schon ein Satellitenprogramm eingerichtet worden, um den Unterricht in Form von Fernunterricht verfolgen zu koennen.
Der Grenzwall erschwere aber auch viele andere Aspekte des alltaeglichen Lebens: Wie koennen Ehepaare, von denen der eine aus dem Westjordanland und der andere aus Ostjerusalem kommt, zusammenleben? Wir stehen jeden Tag vor grossen Herausforderungen, erklaerte Younan. Hinzu komme, dass viele auslaendische ExpertInnen, die von Partnerkirchen in der ganzen Welt nach Israel und in die palaestinensischen Gebiete entsandt wuerden, kaum noch Visa ausgestellt bekaemen.
Einige hielten die Sperranlagen fuer einen Weg, um die Sicherheit zu erhoehen. Tatsaechlich aber bringe der Grenzwall Angst und Unsicherheit mit sich. Wir glauben an eine Zwei-Staaten-Loesung. Wir glauben an ein Jerusalem, dass wir uns teilen, bekraeftigte Bischof Younan.
Nach den Ursachen des Konflikts zwischen Israelis und PalaestinenserInnen befragt, gibt es laut Younan zwei sich widerstreitende Auffassungen. Fuer die palaestinensische Bevoelkerung * MuslimInnen wie ChristInnen * sei der Belagerungszustand die Hauptursache des Konflikts, waehrend Israelis palaestinensischen Terrorismus und Gewalt dafuer verantwortlich machten. Wenn wir als christliche Kirchenfuehrungen Fortschritte machen wollen, muessen wir anerkennen, dass beide Aspekte zum Konflikt beitragen, so der Bischof. Keine der drei Religionen koenne sich fuer Besetzung und Gewalt aussprechen. Aus diesem Grund muessen wir die gemeinsamen Werte der drei Religionen ausfindig machen, um Frieden, Gerechtigkeit und Versoehnung zu foerdern.
Als eine der negativsten Folgen der Besetzung und des zunehmenden Extremismus benannte Younan die Auswanderung vieler ChristInnen aus Palaestina, die nur noch zwei Prozent der Bevoelkerung ausmachten. Vor allem junge Menschen seien betroffen. Eine Arbeitslosigkeit in Hoehe von 70 Prozent sowie die grosse Armut, 65 Prozent der Bevoelkerung lebe von weniger als zwei US-Dollar pro Tag, verschaerften das Problem zusaetzlich. Was ist das Heilige Land ohne Christen und Christinnen? Muslime und Musliminnen, Christen und Christinnen sowie Juden und Juedinnen sollten dort zusammenleben, betonte Younan.
Es gibt keinen Grund, der Antisemitismus rechtfertigen koenne
Angesichts des Wachsens antisemitischer Tendenzen weltweit zeigte sich Younan zutiefst besorgt. Es gebe keinen Grund, der Antisemitismus auch nur rechtfertigen koenne, betonte der palaestinensische Bischof. Man muesse zwischen der juedischen Gemeinschaft auf der einen Seite und der Politik des Staates Israel auf der anderen Seite unterscheiden. Aber auch gegen MuslimInnen gerichtete Vorurteile seien alarmierend. Eine Stigmatisierung des Islams muesse verhindert, aber gleichzeitig politischer sowie religioeser Extremismus bekaempft werden, so Younan.
Der LWB habe besonders durch die Zusammenarbeit mit der ELKJ zur Verbesserung der Situation im Nahen Osten beigetragen. Er habe mit Projekten zum interreligioesen Dialog, zur Versoehnungsarbeit sowie zur Aus- und Fortbildung grosse Unterstuetzung geleistet. Gegenwaertig wuerden vom LWB auf dem Oelberg in Jerusalem 84 Haeuser fuer junge palaestinensische Paare errichtet, um ihnen eine Lebensperspektive im Land zu eroeffnen. Der LWB handle dabei im Auftrag seiner Mitgliedskirchen. Das bestaerkt uns als kleine Kirche in unserer prophetischen Mission. Wir fuehlen, dass wir nicht alleine sind. Ueber 60 Millionen Lutheraner und Lutheranerinnen stehen hinter uns in dieser Gemeinschaft fuer Gerechtigkeit, Frieden und Versoehnung. Auch in Zukunft werde er nicht verzagen, so Younan: Ich werde nicht aufhoeren, auf den Frieden zu hoffen. Eines Tages wird er kommen.
Die ELKJ ist seit 1974 Mitgliedskirche des LWB. Der Konflikt zwischen Israelis und PalaestinenserInnen stellt einen der Brennpunkte der Arbeit des LWB-Bueros fuer Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte dar. (946 Woerter)
(Ein Beitrag von Anne-Christin Sievers, Tuebingen, Deutschland.)
An der LWB-Ratstagung in Chavannes-de-Bogis bei Genf nehmen rund 100 VertreterInnen der LWB-Mitgliedskirchen und Partnerorganisationen teil. Darueber hinaus sind ueber 70 weitere TeilnehmerInnen registriert, darunter DolmetscherInnen, Gaeste, MitarbeiterInnen des LWB, PressevertreterInnen und Stewards. Der 49-koepfige LWB-Rat fuehrt zwischen den in der Regel alle sechs Jahre stattfindenden Vollversammlungen die Geschaefte des Weltbundes. Der aktuelle Rat wurde waehrend der Zehnten LWB-Vollversammlung im Juli 2003 im kanadischen Winnipeg gewaehlt und tagt in Genf erstmals in seiner Gesamtheit. Der Rat besteht aus dem Praesidenten, dem Schatzmeister sowie Geistlichen und Laien, die ihre Regionen repraesentieren. Der LWB umfasst gegenwaertig insgesamt 136 Mitgliedskirchen in 76 Laendern und vertritt rund 62,3 Millionen der weltweit knapp 66 Millionen LutheranerInnen.
Waehrend der LWB-Ratstagung erreichen Sie das LWB-Buero fuer Kommunikationsdienste ueber den Mobilfunk-Anschluss: +41/(0)78-720 8021.
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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der weltweit knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit LWI gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.
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LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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