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Gemeinsame Erklaerung zur Rechtfertigungslehre: Ein Meilenstein


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Sun, 31 Oct 2004 15:17:33 -0600

Gemeinsame Erklaerung zur Rechtfertigungslehre: Ein Meilenstein auf dem
oekumenischen Weg, aber nicht das Endziel 
LutheranerInnen und KatholikInnen feiern fuenften Jahrestag der
Unterzeichnung der GE in Suedafrika

Johannesburg (Suedafrika)/Genf, 31. Oktober 2004 (LWI) - "Die
Rechtfertigungslehre hat uns ueber fast 500 Jahre gespaltet und diese
Spaltung hat den Menschen in Europa, Einzelnen wie ganzen Voelkern,
grosses Leid gebracht. Durch unsere missionarische Arbeit haben wir
unsere Meinungsverschiedenheiten selbst in andere Kontinente
exportiert", betonte Kardinal Walter Kasper, Praesident des Paepstlichen
Rates zur Foerderung der Einheit der Christen, am Samstag, 30. Oktober,
in seinem Hauptreferat anlaesslich eines oekumenischen Seminars in
Johannesburg (Suedafrika), das im Rahmen der Feiern zum fuenften
Jahrestag der Unterzeichnung Gemeinsamen Erklaerung zur
Rechtfertigungslehre (GE) stattfand. 

Angesichts dieser Spaltung, so betonten sowohl Kardinal Kasper als auch
der Generalsekretaer des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfr. Dr. Ishmael
Noko, sei die Unterzeichnung der GE durch den LWB und die
roemisch-katholische Kirche am 31. Oktober 1999 in Augsburg
(Deutschland) eine der mutigsten oekumenischen Entwicklungen in der
modernen Kirchengeschichte. LWB-Generalsekretaer Noko war neben Kasper
der zweite Hauptredner des oekumenischen Seminars in Johannesburg.

Die GE stellt den vorlaeufigen Hoehepunkt eines Dialogprozesses dar, der
Mitte der 1960er Jahre unmittelbar nach dem Ende des Zweiten
Vatikanischen Konzils begann. Mit Unterzeichnung der GE im Oktober 1999
erklaerten die VertreterInnen des LWB sowie der roemisch-katholischen
Kirche, dass die im Zusammenhang mit der Rechtfertigung im 16.
Jahrhundert ausgesprochenen gegenseitigen Lehrverurteilungen die
lutherische und roemisch-katholische Lehre, wie sie in der GE dargelegt
werden, nicht treffen. 

Aus Anlass des fuenften Jahrestages der Unterzeichnung GE waren Kasper
und Noko von Rom bzw. Genf nach Suedafrika gereist, um ihrer Freude
ueber das Erreichen dieses Meilensteins in der oekumenischen
Zusammenarbeit Ausdruck zu verleihen und ueber den kuenftigen Weg
nachzudenken. Der LWB-Generalsekretaer stellte fest, dass die GE bereits
in aller Welt zu einer Entspannung der lutherisch-katholischen
Beziehungen auf verschiedenen Ebenen gefuehrt habe. Der Praesident des
Paepstlichen Einheitsrates betonte, dass LutheranerInnen und
KatholikInnen endlich zu "einem gemeinsamen Verstaendnis von der
Rechtfertigung" und zu einem "weisen Kompromiss" gelangt seien, der sich
auf die wesentlichen Fragen des Glaubens, der Erloesung und der Gnade
konzentriere. "Wir haben eine wichtige Etappe auf unserem Weg erreicht,
aber wir sind noch nicht am Ziel angelangt", so Kasper.  

Beide Hauptredner hoben die Notwendigkeit hervor, die
Rechtfertigungslehre in die Sprache der heutigen Zeit zu uebersetzen.
"Die Lehre von der Rechtfertigung ist nicht sehr gut bekannt, nicht
einmal unter aktiven Gemeindegliedern", stellte Noko in seiner Ansprache
fest, "aber die Gabe der Gerechtigkeit aus Gnade, die Gott uns geschenkt
hat, hat Konsequenzen. Sie fordert uns heraus, fuer soziale
Gerechtigkeit einzutreten." 

Ein Grund dafuer, dass diese Veranstaltung in Suedafrika stattfinde,
sei, so Noko, dass die Botschaft von der Rechtfertigung vor zehn Jahren
eine zentrale Rolle bei der Ueberwindung der Ideologie der Apartheid
gespielt habe. "Sie macht uns frei, das zu sein, was wir sind - frei von
der Knechtschaft der Unterdrueckung durch andere, von
Selbstgerechtigkeit und von der Versuchung, resigniert aufzugeben." Die
Botschaft von der Rechtfertigung beinhalte auch, dass "wir uns nicht
staendig selbst beweisen muessen, um von Gott oder von anderen
angenommen zu werden", fuegte der LWB-Generalsekretaer hinzu. Ferner
betonte er: "Im Namen der Rechtfertigung, die Gott uns allein aus Gnade
und durch unseren Glauben schenkt, sage ich: akzeptiere es nie, wenn dir
jemand sagt, du seist nichts wert, weil du eine Frau, ein junger Mensch
oder ein alter Mensch bist!" 

Noko raeumte ein, dass in der GE noch nicht alle Konsequenzen aus den
erreichten Uebereinstimmungen gezogen worden seien. "Es braucht eine
gewisse Zeit, bis die reifen Fruechte dieses schoenen Baumes geerntet
werden koennen", stellte er fest. "Das Wichtigste ist, dass wir jetzt de
facto gemeinsam Position zu bestimmten Fragen des Glaubens bezogen
haben." 

Kasper betonte in seiner Ansprache, es gebe noch einige Punkte, die
weiter untersucht werden muessten. Zunaechst muessten die Fragen
geprueft werden, die in der Gemeinsamen Erklaerung offen geblieben
seien, wie z.B. in welcher Verbindung die Rechtfertigung mit der Taufe
und der Eucharistie stehe, sowie mit dem Amt der Kirche, dem Bischofsamt
in der apostolischen Sukzession und dem Petrusamt. 

Der Praesident des Paepstlichen Rates bemerkte ferner, dass die Frage
der Rechtfertigung heute fuer die ChristInnen kein existenzielles
Problem mehr darzustellen scheine, wie das vor 500 Jahren fuer Martin
Luther der Fall gewesen sei. "Wir muessen daher sowohl die Fragen als
auch die Antworten der Vergangenheit in die Sprache und
Lebenswirklichkeit von heute uebersetzen, damit wir mit unserer Sprache
wieder unsere tiefsten Erfahrungen beruehren und ansprechen koennen und
die tiefe Bedeutung der Rechtfertigung neu erfassen. Wir muessen uns
fragen: was bedeutet es, wenn wir glauben, dass wir gerechtfertigt und
erloest sind? Welche Folgen hat das fuer unser persoenliches und fuer
unser gemeinschaftliches Leben?"

Beide Redner brachten die Hoffnung zum Ausdruck, dass die GE als
Grundlage fuer den weiteren Dialog dienen werde, der LutheranerInnen wie
KatholikInnen gleichermassen geistlich bereichere. 

Gastgeber des oekumenischen Seminars war die Suedafrikanische
Katholische Bischofskonferenz und die Lutherische Gemeinschaft im
suedlichen Afrika (Lutheran Communion in Southern Africa, LUCSA). Zu den
TeilnehmerInnen gehoerten Erzbischoefe und Bischoefe, LeiterInnen
theologischer Seminare, Theologie-DozentInnen und -Studierende sowie
PfarrerInnen aus Botswana, Namibia, Suedafrika und Simbabwe. (831
Woerter)

(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Erika von Wietersheim, Namibia)

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