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FEATURE: So viele sind geflohen, verschwunden, nie
From
"Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date
Mon, 29 Nov 2004 17:01:10 -0600
FEATURE: So viele sind geflohen, verschwunden, nie zurueckgekehrt
El Salvador: Eine prophetische Kirche gepraegt von Leid und Solidaritaet
San Salvador (El Salvador), 29. November (LWI/ALC) - Cecilia Alfaro ist zu
vielen Menschen begegnet, als dass sie sich an alle erinnern koennte. Der
Buergerkrieg in ihrem Land liegt zwoelf Jahre zurueck, 75.000 Menschen
kostete er das Leben, ueber eine Million Menschen wurden vertrieben und
verloren ihre Heimat.
Die 52jaehrige lutherische Pfarrerin und Mutter von zwei Kindern berichtete
im Rahmen des Besuchs des Praesidenten des Lutherischen Weltbundes (LWB),
Bischof Mark S. Hanson, und seiner Frau Ione sowie LeiterInnen
lateinamerikanischer lutherischer Kirchen Mitte September dieses Jahres in
der salvadorianischen Gemeinschaft "Fe y Esperanza" (Glaube und Hoffnung) von
ihren Erlebnissen. In Fe y Esperanza fanden waehrend des von 1980 bis 1992
andauernden Konflikts zahllose Binnenvertriebene Zuflucht.
Alfaro war eine der ersten Freiwilligen der Salvadorianischen Lutherischen
Synode (SLS), die sich der hunderten Vertriebenen annahmen, die auf der
Flucht vor Verfolgung und Ermordung durch die Militaers traumatisiert,
hungrig und schutzlos in San Salvador ankamen. "Ich erinnere mich bis heute
an die Gesichter von jungen Menschen, von Menschen, mit denen ich zur Schule
ging, und von Bibelkreismitgliedern, die nicht mehr unter uns weilen", so
Alfaro.
Die linksgerichtete Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN - Frente
Farabundo Marti para la Liberacisn Nacional) nahm Anfang 1981 den bewaffneten
Kampf gegen die Regierungstruppen auf. Ihre Aktionen - so die Zerstoerung von
Bruecken und Stromleitungen, Verwuestung von Kaffeeplantagen und Toetung von
Vieh - zielten darauf ab, die Wirtschaft lahmzulegen. Als Reaktion griff das
Militaer Doerfer an und toetete deren BewohnerInnen. Die Todesschwadrone, die
die extreme Rechte seit 1982 gegen Menschen, die als linke SympathisantInnen
verdaechtigt wurden, und Gewerkschaftsmitglieder einsetzte, ermordeten
Tausende. 1989 schlug eine Grossoffensive der FMLN gegen die Hauptstadt San
Salvador fehl, woraufhin Regierung und Befreiungsfront bereit waren, durch
Vermittlung der Vereinten Nationen in Friedensverhandlungen einzutreten. Im
Januar 1992 schlossen beide Seiten ein Abkommen, in dem militaerische und
politische Reformen festgeschrieben wurden.
Heilende Gemeinschaft auf dem Fundament von Glauben und Hoffnung
Alfaro, die in einer frommen roemisch-katholischen Familie aufwuchs, erinnert
sich lebhaft an einen folgenreichen Schlag militaerischer Repression - die
Ermordung von Erzbischof Oscar A. Romero im Maerz 1980, der in der Kapelle
des La Divina Providencia-Krankenhauses eine Messe zelebrierte. Mit seinem
Tod wurde die "Stimme derer, die keine Stimme haben" in dem ueberwiegend
katholischen Land zum Schweigen gebracht und "die Verbindung zwischen Basis
und Regierung brach ab", erklaerte Alfaro gegenueber der Lutherischen
Welt-Information (LWI) sowie der Lateinamerikanisch-Karibischen
Nachrichten-Agentur (ALC - Agencia Latinoamericana y Caribeqa de
Comunicacisn). Zur Taktik des Militaers gehoerte die Aggression gegen ganze
Bevoelkerungsteile, die der Verbindungen zu Aufstaendischen verdaechtigt
wurden.
Alfaro studierte an der staatlichen Universitaet in San Salvador Soziologie
zu einer Zeit, als die Regierung die Universitaet schloss, mit der
Begruendung, sie sei subversiver Brennpunkt und Hochburg oppositioneller
Gruppen. An der Universitaet lernte Alfaro eine der DozentInnen kennen, die
Sozialarbeiterin und aktive Lutheranerin Victoria Cortez Rodrmguez. "Victoria
lud mich ein, als Freiwillige in der kirchlichen Sozialarbeit mitzuwirken,
und ich stimmte zu."
Mittlerweile platzten die Unterkuenfte der katholischen Kirche aus allen
Naehten, ueberfuellt mit Vertriebenen - hauptsaechlich aelteren Frauen und
Maennern sowie kranken und hungrigen Kindern. Da erwaehnte jemand die zur SLS
gehoerige Gemeinde La Resurreccion, die in der Stadt lag. Kurz darauf trafen
Alfaro und andere Freiwillige mit Pfr. Medardo E. Gsmez Soto zusammen, um zu
diskutieren, wie einer so grossen Zahl von Beduerftigen am besten zu helfen
sei.
Die Kirche konnte nur 25 Personen unterbringen, obwohl es ja um viel mehr
Menschen ging. So wurde das Hilfswerk der lutherischen Kirche "Socorro
Luterano" ins Leben gerufen, unter Leitung von Alfaro, Cortez und anderen.
Angesichts der dringlichen Notwendigkeit, den Binnenvertriebenen praktisch
und direkt zu helfen, erwarb die SLS in Galera Quemada (Nejapa), etwa 24
Kilometer ausserhalb der Hauptstadt, mit oekumenischer Unterstuetzung ein
Stueck Land. Die Vertriebenen selbst errichteten notduerftige Unterkuenfte,
aus denen das Fluechtlingszentrum Fe y Esperanza wurde. Dieser Name macht die
Haltung deutlich, aus der die Kirche ihre Motivation schoepfte.
Alle stellten ihre Gaben in den Dienst der Gemeinschaft
Die ersten 400 Binnenvertriebenen trafen am 5. Mai 1982 aus San Vincente und
San Sebstian, laendlichen Gebieten rund um San Salvador, ein. Spaeter lebten
zwischen 1.500 und 1.700 Menschen in Fe y Esperanza. Das Zentrum entwickelte
sich weiter. Die BewohnerInnen richteten eine Baeckerei ein, machten Schuhe
fuer die Binnenvertriebenen - alle stellten ihre Gaben in den Dienst der
Gemeinschaft. Jahre spaeter eroeffnete Pfarrerin Cortez, inzwischen
Praesidentin der Nicaraguanischen Lutherischen Kirche Glaube und Hoffnung und
seit August 2003 LWB-Vizepraesidentin fuer die LWB-Region Lateinamerika und
Karibik, in Managua (Nicaragua) ein lutherisches Projekt mit demselben Namen.
Die Psychologin Vilma Rodrmguez berichtete, wie schwer es den Kindern und
aelteren Menschen anfangs fiel, ueber ihre traumatischen Erlebnisse zu
sprechen und zu trauern. Aus dieser Situation heraus wurde ein Programm zur
Krisenintervention und Traumatherapie fuer die Binnenvertriebenen entwickelt.
Die SLS wurde zu einer therapeutischen, heilenden Gemeinschaft.
Aber Krieg und Vertreibung haben in der Kirche und bei Fe y Esperanza auch
bleibende Narben hinterlassen. Der Kindergarten des Zentrums wurde
angegriffen und Bischof Gomez sowie Dr. Angel Ibarra wurden zeitweilig
entfuehrt.
Die SLS fuehrt bis heute ihre Seelsorge und Sozialarbeit fort. Dazu gehoert
auch die Benennung von durch die wirtschaftliche Globalisierung zementierten
sozialen Problemen, Armut und Ausgrenzung. Jeden Montag spricht Gomez im
Rahmen einer Pressekonferenz ueber aktuelle Fragen und gibt pastorale
Weisung.
Die SLS hat 12.000 Mitglieder und gehoert seit 1986 zum LWB. (882 Woerter)
(Ein Beitrag von LWI-Korrespondent Fernando Oshige, Peru.)
Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen
Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung 2003 "Zur
Heilung der Welt". Die Serie beleuchtet die Relevanz des
Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und lokalen Kontexten
der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und stellt Projekte der Versoehnung
und Heilung vor angesichts weltweiter Bedrohung. Auch nach Abschluss der
Zehnten Vollversammlung, die vom 21. bis 31. Juli 2003 in Winnipeg
(Manitoba/Kanada) stattfand, bildet das Vollversammlungsthema einen der
Schwerpunkte der Arbeit des LWB.
* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen
weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 138
Mitgliedskirchen, denen rund 65 Millionen LutheranerInnen in 77 Laendern
weltweit angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine
enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen
weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner
Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte,
Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt,
falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des
LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI" gekennzeichneten
Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.
* * *
LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-791-6630
E-Mail: dmg@lutheranworld.org
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