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Die Menschen in Sri Lanka leben im Schockzustand


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Wed, 19 Jan 2005 10:34:30 -0600

Die Menschen in Sri Lanka leben im Schockzustand
Hilfswerk der norwegischen Kirchen plaediert fuer umfassendes
Wiederaufbaukonzept

Galle (Sri Lanka)/Genf, 18. Januar 2005 (LWI) - Sri Lanka steht unter
Schock, auch drei Wochen nachdem die Flutwelle das Land getroffen hat.
Die Ueberlebenden haben nicht nur alles verloren, sondern trauern um
Angehoerige. Die Menschen helfen einander - ueber traditionelle soziale
und religioese Grenzen hinweg. Vor diesem Hintergrund plaediert das
Hilfswerk der norwegischen Kirchen NCA (Norwegian Church Aid) fuer ein
umfassendes Entwicklungskonzept.

In der Flutwelle, die an Sri Lankas Kuesten verheerende Zerstoerungen
anrichtete und mehr als 30.000 Menschen in den Tod riss, ist auch die
Frau von Pfarrer Eardley Mendis ums Leben gekommen. Tamara Mendis war
mit ihrer Tochter Eranthie im Zug von Colombo nach Galle im Sueden des
Landes unterwegs, um Verwandte zu besuchen. Sie waren aus den USA
gekommen, wo die Familie seit Jahren lebt.

Mendis ist fassungslos. Der 59-jaehrige Pfarrer einer suedasiatischen
Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) in
Chicago (USA) ist mit seinem Sohn an den Ort des Ungluecks kurz vor
Galle gekommen, wo nach offiziellen Angaben 1.700 Menschen starben. Der
Zug habe nach der ersten Flutwelle angehalten, erzaehlen Ueberlebende.
Da reichte das Wasser nur bis zur Plattform des Waggons.

Erst die zweite Welle habe den Zug mit voller Wucht getroffen und
mehrere Waggons mit sich gerissen. Die 24 Jahre alte Tochter Eranthie
habe ihre Mutter noch zu retten versucht - vergeblich, erzaehlt Mendis.
Seine 55 Jahre alte Frau ist tot.

Rund um die zerbeulten Waggons ist nur ein Truemmerfeld uebrig
geblieben. An den Kuesten des Landes sind ganze Doerfer verschwunden.
"Sri Lanka wurde sehr stark getroffen", sagt der Norweger Hans Einar
Hem, NCA-Repraesentant in Suedasien. NCA ist eine der
Partnerorganisationen der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des
Lutherischen Weltbundes (LWB) und leistet Hilfe im Rahmen des weltweiten
kirchlichen Netzwerkes von Kirchen und Partnerorganisationen ACT (Action
by Churches Together - Kirchen helfen gemeinsam), zu dessen
Gruendungsmitgliedern der LWB gehoert.

Hem kam vier Tage vor der Katastrophe in Sri Lanka an, um ein neue
regionale Vertretung fuer die NCA aufzubauen. Die Katastrophe hat alle
Planungen ueber den Haufen geworfen. Einen Tag nach den Flutwellen
konnte er dem ACT-Partner vor Ort, dem Nationalen Christenrat von Sri
Lanka (NCCSL), schon Hilfsgelder zusagen. Und er betont, dass Hilfe vom
NCCSL am selben Tag unterwegs war. Seither baut er ein
Kommunikationszentrum fuer die Organisation auf.

Einen Tag nach der Flutkatastrophe war Hem in Galle, wo Tausende
Leichen aus den Truemmern geborgen worden waren und in Plastiksaecken
verhuellt aufgereiht lagen. "Es ist ein schrecklicher Verlust von
Menschenleben", so Hem. Rund 6.000 Todesopfer soll die Flut allein in
Galle gekostet haben.

Betroffen von dem Disaster seien vor allem die Armen, zu 90 Prozent,
berichtet Pfarrerin Sumithra Fernando, Leiterin der
NCCSL-Frauenkommission (Executive Secretary of the NCCSL's Women's
Commission). Fischerfamilien, die in Doerfern direkt am Meer lebten,
haben nicht nur ihre Haeuser mit der Flut verloren, sondern auch ihre
Existenzgrundlage. Ihre Boote und Netze wurden zerstoert oder
weggespuelt.

Die Nation steht noch ganz unter dem Schock des schrecklichen
Ereignisses. Der Tsunami hat ganze Familien ausgeloescht. So hat der
25-jaehrige Suranja Padhum aus Galle 50 Angehoerige verloren.

Von den mehr als 60 behinderten Kindern aus einem nahe am Meer
gelegenen Heim in Galle sollen nur noch vier am Leben sein.

Fuer Fernando stellt sich die Frage, wie die Menschen damit
zurechtkommen sollen. Sie erarbeitet gerade Projekte zur psychosozialen
Betreuung von Ueberlebenden. Das Entsetzen ueber das, was geschehen ist,
steht den Menschen, die die Truemmer ihrer Existenz vor sich sehen, ins
Gesicht geschrieben. Seelsorgerliche und psychologische Betreuung solle
deshalb ein Schwerpunkt kirchlicher Hilfe sein, betont Jayasiri Peiris,
seit 1. Januar dieses Jahres NCCSL-Generalsekretaer. "Das hilft den
Menschen wieder auf, nicht nur neue Infrastruktur."

Auch fuer Hans Einar Hem ist diese psychosoziale Betreuung
entscheidend. Er plaediert fuer ein integratives Entwicklungskonzept,
das vor allem die schon bestehenden Konflikte im Land mit einbezieht.
Dafuer stehe auch Geld zur Verfuegung, berichtet Hem. "Wir haben noch
nie zuvor eine so grosse Solidaritaet erlebt", sagt er.

Laut Hem ist die Wirtschaft in Sri Lanka viel staerker betroffen als in
Indien. Vor allem wegen des Rueckgangs des Tourismus, da zahlreiche
Hotels an der Kueste betroffen seien. Es werde Jahre dauern, bis sich
die Branche erholt habe. Dazu habe das Land zwei Jahrzehnte unter dem
Buergerkrieg zwischen den tamilischen RebellInnen und der Regierung
gelitten.

Vielfach hat Hem vor der Katastrophe eine starke Trennung zwischen den
ethnischen und religioesen Gruppierungen beobachtet. "Viele Gemeinden
waren ziemlich gespalten", berichtet er. Vor allem im Osten, wo nicht
nur TamilInnen und SinghalesInnen, sondern auch BuddhistInnen, Hindus,
MuslimInnen und ChristInnen zusammenleben.

Die Bewaeltigung der Flutkatastrophe hat sie nun zusammengefuehrt. Auch
NCCSL-Generalsekretaer Peiris spricht davon, "dass die Menschen in der
Krise traditionelle kulturelle und religioese Grenzen ueberschritten und
sich gegenseitig geholfen haben". Deshalb plaedieren der Anglikaner
Peiris genauso wie der Lutheraner Hem dafuer, Gruppen zu unterstuetzen,
die einen neuen Gemeinschaftsgeist schaffen wollen.

Laut Hem muessen nun die Gemeinden wieder aufgebaut und gestaerkt
werden. Dies umfasse nicht nur den Wiederaufbau von Haeusern und der
Infrastruktur, sondern auch Massnahmen wie die psychosoziale Betreuung.
"Wir sollten die Gelegenheit ergreifen." Als beste Voraussetzung dafuer
sieht Hem die enge Zusammenarbeit mit NCCSL und die langjaehrige
Erfahrung, auf die NCA zurueckblicken kann. (860 Woerter)

(Ein Beitrag von Rainer Lang, Stuttgart.)

* * *

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