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Manchmal fuehlen wir uns sehr einsam und verlassen


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Sat, 12 Nov 2005 16:12:13 -0600

Manchmal fuehlen wir uns sehr einsam und verlassen
Afrikanische KirchenleiterInnen diskutieren nachhaltige Sicherung
angemessener Arbeits- und Lebensbedingungen fuer kirchliche
MitarbeiterInnen

Windhoek (Namibia)/Genf, 12. November 2005 (LWI) - "Wir waren unser
ganzes Leben daran gewoehnt, dass die Kirche fuer unsere Miete, unsere
Strom- und Wasserkosten aufkam, uns ein Fahrzeug zur Verfuegung gestellt
und auch die Benzinkosten uebernommen hat. Als Pensionierte mussten wir
dann ploetzlich unser Haus verlassen und uns um alles selbst kuemmern,
fuer alles selbst aufkommen." Lissie Diergaardt beklagt sich nicht,
doch sie beschreibt eine Situation, mit der die Mehrzahl der
afrikanischen PfarrerInnenehepaare konfrontiert ist, wenn sie in den
Ruhestand geht. Wenn ueberhaupt, erhalten sie eine sehr kleine Pension,
die oft nicht fuer das Noetigste ausreicht.

Lissie Diergaardt und ihr Mann Bischof i. R. Petrus Diergaardt, von
1995 bis 2001 Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der
Republik Namibia (ELKRN), leben von rund 500 Namibischen Dollar (rund 63
Euro) pro Monat. Natuerlich gebe es pensionierte PfarrerInnen in
Namibia, die mit ihren kleinen Renten zurechtkaemen, betont Lissie
Diergaardt. Doch wer auch noch Verantwortung fuer Kinder, Enkel oder
Urenkel uebernommen habe, stuende vor grossen Herausforderungen. Das
Ehepaar Diergaardt sorgt fuer fuenf Enkelkinder, deren Eltern geschieden
oder nicht mehr am Leben sind. "Manchmal fuehlen wir uns sehr einsam
und verlassen", resuemiert Lissie Diergaardt, vor den TeilnehmerInnen
der Konferenz lutherischer KirchenleiterInnen in Afrika, die vom 9. bis
14. November in Windhoek (Namibia) stattfindet.

An der Konferenz nehmen ueber 80 VertreterInnen afrikanischer
Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) sowie von
Partnerkirchen und organisationen weltweit teil. Die Tagung steht unter
dem Thema "Aus Isolation zur Gemeinschaft: Zur Heilung Afrikas".

Kirchliche Angestellte leben oft unter schwierigsten Bedingungen
Bischof Dr. Ambrose Moyo, Direktor der Lutherischen Gemeinschaft im
suedlichen Afrika (Lutheran Communion in Southern Africa, LUCSA),
berichtet, dass er als Sohn eines Evangelisten in Simbabwe, dem
frueheren Rhodesien, oft aus der Schule nach Hause geschickt worden sei,
da sein Vater die Schulgebuehren nicht bezahlen konnte. Der Bischof
seines Vaters sei dann eingesprungen und habe die Gebuehren aus eigener
Tasche beglichen, so Moyo.

Aus Geldmangel habe er noch an der Highschool Ende der 1970er Jahre
versucht, seine Schuhe selbst zu reparieren. Das sei ihm aber nicht
gelungen, der Zustand seiner Schuhe sei nur noch verschlechtert worden,
raeumt Moyo ein. Ob seiner Schuhe, die mit den abgeloesten Sohlen eher
einem Fisch glichen, sei er oft gehaenselt worden und habe den
Spitznamen "der Fisch" erhalten. Heute kaemen er und seine
Geschwister fuer seine verwitwete Mutter auf, die keinerlei
Unterstuetzung erhalte.

Als Pfarrer in Simbabwe sei er oft mit aehnlichen Problemen
konfrontiert gewesen. Vielfach habe er nicht gewusst, wovon er und seine
Familie haetten leben sollen, so Moyo. Spaeter als Bischof sei die
schmerzlichste Erfahrung gewesen, mit anzusehen, unter welch schwierigen
Umstaenden die kirchlichen Angestellten seiner Kirche leben. Er habe bei
seinen Besuchen auch feststellen muessen, berichtet der Bischof, dass
manche Familien auf dem nackten Fussboden schliefen.

Zu den ersten Projekten als Bischof seiner Kirche gehoerte daher, mit
Hilfe der Schwedischen Kirche, einen Stiftungsfonds zu gruenden, mit dem
die Finanzsituation der lutherischen Kirche in Simbabwe nachhaltig auf
sicheren Boden gestellt werden soll. Allerdings reichen die Einlagen des
Stiftungsfonds noch nicht aus, um mit den Ertraegen die Kirche zu
unterstuetzen.

LWB-Generalsekretaer Pfr. Dr. Ishmael Noko rief die afrikanischen
KirchenleiterInnen dazu auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um
die finanzielle Situation der lutherischen Kirchen nachhaltig zu
sichern. Um die Lebens- und Arbeitsbedingungen kirchlicher Angestellter
in Afrika nachhaltig zu verbessern, muesse die Situation der jeweiligen
nationalen Wirtschaftskraft in die Ueberlegungen mit einbezogen werden,
so Noko.

Kirchen sollen leben, was sie predigen
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen kirchlicher Angestellter zu
verbessern, sei ein langer Weg, betonte die Generalsekretaerin der
Gewerkschaft kirchlicher Angestellter in Finnland, Ritva Rasila. Doch
die Kirchen sollten alles versuchen, um auch das zu leben, was sie
predigten: Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und die Einhaltung der
Menschenrechte. Die 1957 gegruendete Gewerkschaft geht auf eine
Initiative zu Beginn der 1930er Jahre zurueck, die sich mit der
politischen und sozialen Instabilitaet, fehlender Sozialgesetzgebung und
den unzureichenden Gesundheits- und Lebensbedingungen der Beschaeftigten
in Finnland auseinander setzte.

Rasila, die rund 8.500 finnische Gewerkschaftsmitglieder vertritt,
sieht grosse Vorteile in kollektiv vereinbarten Tarifvertraegen. Wenn
jede/jeder Angestellte individuell die Konditionen aushandeln muesste,
waere dies eine weitaus schwierigere Situation. Die Gewerkschaften seien
auf Arbeitsrechtsfragen spezialisiert und koennten als einheitliche,
kompetente Partner mit der Arbeitgeberseite verhandeln. Dies geschehe
dann auf einer Ebene gleichberechtigter Partner.

Pfr. Dr. Esko Jossas, Generalsekretaer der Gewerkschaft finnischer
PfarrerInnen, berichtete, dass es in der Evangelisch-Lutherischen Kirche
Finnlands 1973 bei Einfuehrung des gegenwaertigen Systems kaum
nennenswerte Widerstaende gegeben habe. Die Frage, ob kirchliche
Angestellte und PfarrerInnen das Recht haetten, in einen Streik zu
treten, bejahte Jossas. Die Kirche sein keine Insel in der Gesellschaft.
Heute wuerden die Kirche und Kirchengemeinden mit den jeweiligen
Gewerkschaften Kollektivvertraege abschliessen, wobei Grundkonsens sei,
dass die Gewerkschaften keine ueberhoehten Forderungen stellen. Zur
Gewerkschaft finnischer PfarrerInnen gehoeren 3.500 Mitglieder, rund 90
Prozent aller PfarrerInnen Finnlands.

Die Finnische Evangelisch-Lutherische Mission (FELM) versuche nicht,
sich als eine "harmonische christliche Gemeinschaft" zu verstehen,
betonte Lauri Haavisto, FELM-Direktor fuer Finanzen und Verwaltung. FELM
wolle lediglich ein gewoehnlicher, angemessener Arbeitgeber sein, wo
Vorgesetzte und Angestellte sich gegenseitig respektierten und die
MitarbeiterInnen ihre Arbeit tun und sich entwickeln koennten.
Allerdings sei es die Verantwortung der Kirche, angemessene Bedingungen
zu schaffen, so dass die MitarbeiterInnen in der Lage seien, ausreichend
fuer ihren Lebensunterhalt aufzukommen.

Die Kirchen seien verpflichtet, sich um die Arbeitsbedingungen ihrer
Angestellten zu kuemmern, betonte FELM-Direktor Pfr. Dr. Seppo Rissanen.
Angemessene Arbeitsbedingungen seien integraler Bestandteil guter
Leitung und sollten eine Selbstverstaendlichkeit in der Kirche sein. Mit
Blick auf 1. Korinther 9,14 betonte Rissanen, dass auch der Apostel
Paulus nicht davon ausgegangen sei, dass allein schon die Verkuendigung
des Evangeliums einen ausreichenden Lohn darstelle. Die Arbeit fuer die
Kirche muesse als gewoehnliche Arbeit angesehen werden. Allerdings
muesse vor der Zahlung von Loehnen und Gehaeltern die finanzielle Basis
geschaffen werden, damit die Kirchen ihren Verkuendigungsauftrag auf
nachhaltige Weise wahrnehmen koennten. (973 Woerter)

* * *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund 66 Millionen ChristInnen in
78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.

* * *

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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