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FEATURE: Heute weiss ich, dass ich Rechte habe


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Mon, 29 May 2006 14:13:24 -0500

FEATURE: Heute weiss ich, dass ich Rechte habe LWB/AWD-Laenderprogramm in Kambodscha unterstuetzt Gemeinwesen bei eigenstaendiger, nachhaltiger Entwicklung

Phnom Penh, Kambodscha/Genf, 29. Mai 2006 (LWI) - Wenn man Chea Phan zum ersten Mal trifft, faellt zunaechst der leere Aermel auf, der von seiner Schulter baumelt. Im Buergerkrieg hat er seinen rechten Arm verloren. Die Behinderung seiner Frau faellt weniger ins Auge, sie hinkt leicht. Erst als Saw Pheap auf die ausgedorrte Erde zeigt, bemerkt man die Plastikprothese, die ihren rechten Fuss ersetzt.

Phan und Pheap leben in Kauk, einem trockenen, staubigen Dorf mit etwa 270 EinwohnerInnen im von Armut gepraegten Bezirk Oral in der kambodschanischen Provinz Kampong Speu. Das Ehepaar und seine acht Kinder schlafen in einer sehr kleinen, armseligen Huette, die auf einen Meter hohen, roh behauenen Holzstuetzen sitzt. Gekocht und gegessen wird im Freien, um einen grossen Kochtopf, der ueber offenem Feuer haengt. Kauk ist nur 98 Kilometer von Phnom Penh, der hektischen Hauptstadt Kambodschas entfernt. Die koennte aber genauso gut in einer anderen Welt liegen. Hier gibt es den Luxus von Moebeln oder Strom nicht, noch nicht einmal eine zuverlaessige, regelmaessige Wasserversorgung. Die Dorfbevoelkerung hat Muehe, genug Nahrungsmittel fuer sich zu erwirtschaften, besonders jetzt, im dritten Jahr der Duerreperiode. Phan und Pheap kaempfen einen nicht enden wollenden Kampf - endlose Stunden Arbeit in bruetender Hitze sowie das Heranschleppen von Wasser vom Dorfbrunnen zur Bewaesserung ihres Gemueses.

Das Laenderprogramm der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Kambodscha zaehlt Phan und Pheaps Haushalt zu den 18 aermsten in Kauk. Entsprechend seiner Richtlinien zur Unterstuetzung der aermsten und schwaechsten DorfbewohnerInnen vermitteln die MitarbeiterInnen des LWB/AWD-Laenderprogramms Phan und Pheap verbesserte landwirtschaftliche Arbeitsweisen. Heute produziert das Ehepaar genug Nahrungsmittel fuer die Familie und erwirtschaftet mit dem Verkauf von Gemuese auf den Maerkten der Gegend ein Einkommen. Sie zuechten ausserdem Huehner und Fische. Im Rahmen seines Motivationsprogramms "Food for Work", das Nahrungsmittel im Gegenzug fuer Arbeit bereitstellt, erhielt die Familie vom LWB/AWD-Laenderprogramm drei Kilogramm Reis, als der einarmige Phan seinen Teich aushob.

Das LWB/AWD-Laenderprogramm hat auch die Kinder im Blick. In allen Doerfern des Projektgebiets im Bezirk Oral erhalten Kleinkinder unter fuenf Jahren Zusatznahrung. Kindern aus den aermsten Familien werden Stipendien gewaehrt, so dass sie die Grundschule besuchen koennen. Drei der Kinder von Phan und Pheap erhalten diese Foerderung.

Phan berichtet stolz, welche Veraenderungen das LWB/AWD-Laenderprogramm in seiner Familie bewirkt hat: "Frueher hatte ich keine Werkzeuge, jetzt besitze ich eine Hacke und eine Giesskanne. Ich kann auch bei der Dorfbank Geld leihen und Saatgut kaufen, um mehr Nahrungsmittel anzubauen." Als einziger Dorfbewohner, der lesen und schreiben kann, verwaltet Phan das Ernaehrungsprogramm des Dorfes. "Ich habe vom LWB viel gelernt", stellt er fest. "Heute weiss ich, dass ich Rechte habe und ich bin informiert ueber Hygiene und sanitaere Anlagen. Meine Kinder lernen lesen und schreiben. Ihr Leben wird einmal viel besser sein als meines."

Seit ueber 25 Jahren hilft LWB/AWD in Kambodscha

Seit 1979 ist der LWB in Kambodscha praesent und beteiligt sich gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) am Wiederaufbau des von den Roten Khmer verwuesteten Landes. Unter der Herrschaft Pol Pots sind zwischen 1975 und 1979, bei einer Gesamtbevoelkerung von rund acht Millionen, rund 1,5 bis zu 2,3 Millionen Menschen ums Leben gekommen. Sie starben an Unterernaehrung, Krankheiten oder wurden ermordet. Opfer des Regimes wurden vor allem buddhistische Moenche, im Westen ausgebildete Menschen und andere, die als "Intellektuelle" eingeordnet wurden - etwa, weil sie eine Brille trugen, Fremdsprachen beherrschten oder als "Nicht-Arbeiter" zarte Haende hatten - sowie Menschen mit Behinderungen und ethnische Minderheiten wie LaotInnen und VietnamesInnen.

Waehrend der 1980er Jahre verblieben aufgrund der internationalen Isolierung Kambodschas durch westliche Laender nur wenige NGOs im Land, die zu dem notwendigen massiven Wiederaufbau und Neuanfang beitrugen. Zu ihnen gehoerte das LWB/AWD-Laenderprogramm.

Im Mai 1998 nahm das LWB/AWD-Laenderprogramm Kauk sowie die uebrigen Doerfer der Gemeinde Sangkei Satop im Projektgebiet des Bezirks Oral in sein Projekt zur integrierten laendlichen Entwicklung durch Hilfe zur Selbsthilfe auf. Mithilfe einer ganzheitlichen, nachhaltigen Entwicklung und auf der Grundlage des Menschenrechtsansatzes (sog. rights-based approach) foerdert das Projekt die Faehigkeit der Gemeinwesen und insbesondere der Armen und Schwachen, selbst eine Verbesserung ihrer Lage in die Hand zu nehmen und so ihre Entwicklung eigenverantwortlich fortzufuehren und fuer die eigenen Rechte einzutreten. Die Mitglieder der Gemeinwesen analysieren selbst ihren Bedarf, etwa an gemeinschaftlicher Organisation, Infrastruktur, Ernaehrungssicherheit und Agrarentwicklung, Einkommensschaffung und Dorfbanken, Kapazitaetsaufbau im Bereich Anwaltschaft, HIV/AIDS-Aufklaerung etc.

Ein tiefer Brunnen und ein Hoffnungsschimmer

Ven Samy ist den meisten Maennern in ihrem Umfeld koerperlich unterlegen, aber sie verfuegt ueber eine andere Staerke. Auf die Frage, wer in ihrem Dorf die Leitung habe, weisen vielleicht 15 DorfbewohnerInnen auf die 37-Jaehrige. Mit gutem Grund. Sie engagiert sich drei Tage in der Woche intensiv fuer Frauentreffen in allen fuenf Doerfern ihres Bezirks. Sie fuehrt ein Programm durch, das fuer die Menschenrechte eintritt, organisiert das Banksystem des Gemeinwesens und bildet Frauen in der Schneiderei aus - all dies mithilfe des LWB/AWD-Laenderprogramms in Kambodscha.

Samy gehoert zur ethnischen Minderheit der Suoy und lebt im Dorf Kaor Dauntey in der Gemeinde Sangkei Satop. Ihre einfache Huette hat einen Holzboden, die Waende und das Dach sind aus Palmwedeln geflochten. Wie die restliche Dorfbevoelkerung leidet sie unter der Duerre, die seit drei Jahren andauert und durch illegale Abholzung, Brandrodung und die weit verbreitete Verarbeitung von Waldbaeumen zu Holzkohle noch verschaerft wird.

Samy will ihr Volk ueber ihre Rechte aufklaeren und ihnen vermitteln, wie sie ein Leben in Wuerde leben koennen. Das hat ihr Achtung eingebracht und die Beziehungen zu den Frauengruppen, die sie organisiert, sind sehr eng. Anders sieht es bei der politischen Fuehrung aus. "Wir werden uns unserer Rechte als Menschen bewusster, frueher war das anders", stellt Samy fest. "Den Behoerden gefaellt das nicht. Sie befuerchten, dass wir sie bekaempfen werden, wenn wir dazu in der Lage sind."

Das Wasser ist knapp und fuer die Suoy wird der Zugang zu ausreichend sauberem Wasser fuer Haushalt, Reisanbau und Gemueseproduktion immer schwieriger. Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer. Mit Unterstuetzung des LWB/AWD-Laenderprogramms wurde im Januar 2001 ein tiefer Brunnen gegraben, aus dem 25 Familien in Kaor Dauntey ausreichend und zuverlaessig sauberes Wasser erhalten. Der Brunnen ist mit einer Handpumpe ausgestattet und liefert bis zu 4.300 Liter Wasser pro Stunde. Heute versammeln sich Frauen, Maenner und Kinder mit Kanistern und Plastikeimern am Brunnen und holen Wasser. Ihre Familien zahlen der Gemeinde einen kleinen Beitrag fuer dessen Instandhaltung.

Es gibt jedoch Befuerchtungen, dass die Eroeffnung der Golfplaetze, die zwei auslaendische Firmen planen, zu einer zu intensiven Nutzung des Grundwasser fuehren koennte. Gegenwaertig werden in der Naehe des Dorfes unter dem Deckmantel des Oekotourismus Golfplaetze und Hotels gebaut. "Wir wissen, dass diese Firmen wesentlich mehr Wasser verbrauchen werden als wir", so die Sorge der Dorfbevoelkerung. "Unsere tiefen Brunnen koennten versiegen."

David H. Mueller, Vertreter von LWB/AWD in Kambodscha, weist darauf hin, dass dem "Oekotourismus"-Projekt auch die heiligen heissen Quellen der Suoy zum Opfer gefallen sind und ihnen der Zugang zu anderen natuerlichen Ressourcen verweigert wird, die sie traditionell besonders in Zeiten des Mangels nutzten, um ihre Ernaehrung und ihr Auskommen zu sichern. In Solidaritaet mit dem LWB und anderen NGOs haben Samy und ihr Volk Petitionen unterzeichnet, um einen Stopp des Projekts zu erreichen. Sie engagieren sich auch weiterhin fuer die Landrechte ihrer Gemeinschaft. (1.192 Woerter)

(Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Regionaltreffens asiatischer TeilnehmerInnen des LWB-Programms zur Heranbildung junger Fuehrungskraefte im Kommunikationsbereich, das gemeinsam von der Abteilung fuer Mission und Entwicklung und dem Buero fuer Kommunikationsdienste koordiniert wird.)

Weitere Informationen zum LWB/AWD-Laenderprogramm in Kambodscha finden Sie unter: www.lutheranworld.org/Arbeitsfelder/Awd/Laenderprogramme/AWD-Kambodscha.html.

Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung 2003 "Zur Heilung der Welt". Die Serie beleuchtet die Relevanz des Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und lokalen Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und stellt Projekte der Versoehnung und Heilung vor angesichts weltweiter Bedrohung. Auch nach Abschluss der Zehnten Vollversammlung, die vom 21. bis 31. Juli 2003 in Winnipeg (Manitoba/Kanada) stattfand, bildet das Vollversammlungsthema einen der Schwerpunkte der Arbeit des LWB.

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund 66,2 Millionen ChristInnen in 78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.

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LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch Tel.: +41-22-791-6352 Fax: +41-22-791-6630 E-Mail: dmg@lutheranworld.org


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