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Title: Gedenken an adventistischen Judenretter in Ungarn


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Date Tue, 25 Jul 2006 16:52:56 +0200

Title: Gedenken an adventistischen Judenretter in Ungarn

25. Juli 2006

Adventistischer Pressedienst (APD)

Christian B. Schaeffler, Chefredakteur

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Gedenken an adventistischen Judenretter in Ungarn

Budapest/Ungarn. (APD) In der Zentralgemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten in Budapest fand eine Gedenkfeier fuer den frueheren Praesidenten der evangelischen Freikirche in Ungarn, Pastor Laszlo Michnay (1893-1966), statt, der im Zweiten Weltkrieg etwa 60 ungarischen Juden das Leben rettete. "Wir sind nicht zusammengekommen, um einen heldenhaften Geistlichen zu feiern, sondern um uns an ihn zu erinnern und von ihm zu lernen", betonte der im Ruhestand lebende Pastor Professor Dr. Jeno Szigeti, der selbst einmal die ungarischen Adventisten geleitet hatte, in seiner Ansprache. Die Vergangenheit ist nicht das Pantheon der Helden, sondern der Lehrmeister des Lebens". Laszlo Michnay sei ein mutiger Mann gewesen, der in dieser Kirche von dieser Kanzel gegen die Unmenschlichkeit seiner Zeit gepredigt habe. Sein Herz und die Tuer seines Hauses haetten fuer jene offen gestanden, die 1944 verfolgt wurden. "Er kannte keine Furcht, sondern nur das Gebot der Liebe." Von Michnay koennten Christen lernen, dass sie unter der Herrschaft eines totalitaeren Regimes ihre Grundsaetze nicht aufzugeben brauchten. Doch muessten sie die Verbindung mit Gott pflegen, um die notwendige Weisheit zum Handeln zu erhalten. Das gelte auch fuer jeden, der unter Verfolgung leide.

Laut Pastor Dr. Daniel Heinz, Leiter des Historischen Archivs der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa mit Sitz in Friedensau bei Magdeburg, habe Laszlo Michnay zu den Adventisten gehoert, "die zur nationalsozialistischen Judenverfolgung nicht schwiegen, sondern sich oeffentlich darueber empoerten und nicht selten unter Gefahr fuer das eigene Leben zur helfenden Tat durchrangen". Die Holocaust-Gedenkstaette Yad Vashem in Jerusalem zeichnete ihn 1964 mit dem Ehrentitel "Gerechter der Voelker" aus. Michnay, Lehrer an einer evangelischen Volksschule und ueberzeugter Sozialist, schloss sich 1920 in der Stadt Bekescsaba den Adventisten an. Nach einem Studium am Theologischen Seminar Friedensau nahm er seine Arbeit als Pastor auf und wurde 1936 zum Praesidenten der Freikirche in Ungarn gewaehlt. Die angespannte innenpolitische Situation des Landes fuehrte 1939 zur Aufloesung der Adventistenkirche. Durch gute Kontakte zum Horthy-Regime erwirkte Michnay 1941 deren Wiederzulassung unter dem neuen Namen "Gemeinschaft der Bibelnachfolger".

Illegalitaet und Duldung der Adventisten als konfessionelle Minderheit haetten, so Heinz, den Geistlichen nicht daran gehindert, bereits damals dem wachsenden Rechtsextremismus in seinem Land entgegenzutreten. Am 29. Maerz 1942 sei er deswegen von der antisemitischen Zeitung "Fueggetlenseg" (Unabhaengigkeit) an den Pranger gestellt worden, indem man ihm vorwarf, das "juedische Verbrechen" von Tisza-Eszlar aus dem Jahr 1882 leugnen zu wollen. Damals wurde der Tod eines Maedchens voellig abstrus und unbegruendet als Ritualmord den Juden in die Schuhe geschoben. Michnay habe sich daraufhin in einem Offenen Brief an den als "Rasseschuetzer" und Antisemiten beruechtigten Pressekammerchef M. B. Kolozsvary gewandt und ihm Judenhetze vorgeworfen, eine "Suende", die "weder Gott noch die ungarische Heimat jemals vergeben koennen". Er verglich die faschistische Judenverfolgung mit der Verfolgung der Christen im Roemischen Reich und appellierte an die Presse, das antisemitische Klima nicht noch weiter anzuheizen.

Bis zum Maerz 1944 fuehlten sich die Juden in Ungarn vor deutschem Zugriff relativ sicher, doch wurden sie durch die "Rassegesetze" von 194, analog zu den Nuernberger Gesetzen, mehr und mehr diskriminiert. Als die von Hitler unterstuetzten faschistischen "Pfeilkreuzler" unter ihrem fanatischen Fuehrer Ferenc Szalasi im Oktober 1944 das Horthy-Regime stuerzten und die Verschleppung der ungarischen Juden in die nationalsozialistischen Vernichtungslager einsetzte, entschloss sich Michnay, ein Netzwerk zur Rettung von Juden aufzubauen. Laut Heinz war das zentral gelegene adventistische Gemeindezentrum in der Budapester Szekely Bertalan-Strasse, nahe dem juedischen Getto, Mittelpunkt seiner Rettungsaktion. Im gesamten Gebaeude seien vom Keller bis zum Dachboden zur Deportation bestimmte Juden versteckt worden. Dabei habe Michnay keinen Unterschied zwischen Adventisten juedischer Herkunft und Juden gemacht. "Er versuchte jedem zu helfen, der ihn um Hilfe bat." Er versteckte die Juden nicht nur in der Zentralgemeinde, sondern auch in anderen Budapester Gemeindezentren und schliesslich sogar ausserhalb der Hauptstadt.

Die deutsche Gestapo wurde auf Michnay aufmerksam, setzte aber gluecklicherweise nur ungarische Polizeibeamte auf ihn an, berichtete Heinz. Er vermutet, dass die Bekanntschaft des Geistlichen mit dem Pfeilkreuz-Fuehrer Szalasi die ungarische Polizei veranlasste, trotz Verdacht, den Pastor unbehelligt zu lassen. Michnay und Szalasi, zwei voellig unterschiedliche Charaktere, waren Schulkameraden gewesen, und die Verbindung aus frueher Jugendzeit habe gehalten. "Vor Szalasis Schreckensherrschaft steckte der hilfsbereite Michnay dem bis dahin gescheiterten Revolutionaer wiederholt kleine Geldbetraege zu, um ihn vor Kriminalitaet zu bewahren."

Laut Heinz habe das von dem Geistlichen aufgebaute Netzwerk etwa 60 Juden vor dem sicheren Tod bewahrt. Darunter befanden sich auch prominente Persoenlichkeiten wie der Schriftsteller Andor Peterdi, der seinen Retter in einem Gedicht verewigte. "Michnays Rettungsaktion konnte aber nur gelingen, weil der den Rueckhalt und die Unterstuetzung seiner Gemeinde hatte", betonte Heinz. "Es scheint, dass zahlreiche Adventisten in Ungarn die Augen vor der Judenvernichtung in ihrem Land nicht verschlossen. Als beispielsweise eine juedische Glaubensschwester namens Stubna mit ihrer Tochter Eva 1940 aus Baltonfuered verschleppt wurde, erschien die Gemeinde geschlossen am Bahnhof, um Abschied zu nehmen." Mutter und Tochter seien in Auschwitz ermordet worden.



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