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(LWI 12-01-2007) FEATURE: âSprungbrett ins Lebenâ â Initiative zur HIV und AIDS-Praevention


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Date Sat, 01 Dec 2007 14:10:36 +0100

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LUTHERISCHE WELT-INFORMATION Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch Tel.: +41-22-791-6352 Fax: +41-22-791-6630 E-Mail: dmg@lutheranworld.org

FEATURE: âSprungbrett ins Lebenâ â Initiative zur HIV und AIDS-Praevention

Estnische Kirche als Anlaufstelle fuer HIV-infizierte Menschen

Tallinn (Estland)/Genf, 1. Dezember 2007 (LWI) â Jekaterina Manko kommt aus einer wohlhabenden Familie aus der Stadt Narva im Nordosten Estlands. Sie ist 25 Jahre alt und arbeitet fuer zwei Organisationen in der estnischen Hauptstadt Tallinn, wo sie Projekte zur Bekaempfung von HIV und AIDS leitet.

Fuer Manko ist dies eine voellig neue Situation. Die junge Frau, die sich seit ihrer fruehen Jugend Drogen spritzte und im Alter von 18 Jahren HIV-positiv getestet wurde, hat eine voellige Kehrtwendung in ihrem Leben vollzogen.

Dank der Begleitung und Unterstuetzung durch BeraterInnen des nahe gelegenen HIV und AIDS-Zentrums und einer anonymen Selbsthilfegruppe fuer Suchtkranke gelang es Manko, sich von ihrer Drogen- und Alkoholabhaengigkeit zu befreien. Sie ist in medizinischer Behandlung, nimmt regelmaessig Medikamente und beurteilt ihren Gesundheitszustand als ziemlich gut.

Diskriminierung

Zu Beginn fand Manko es schwierig, offen ueber ihre HIV-Infektion zu sprechen, weil sie sich vor Diskriminierung und dem Verlust ihrer FreundInnen fuerchtete. Diese Aengste gehoeren mittlerweile der Vergangenheit an â die meisten ihrer engen FreundInnen wissen, dass sie HIV-positiv ist, und Manko ist froh, dass sie zu ihr stehen.

Allerdings ist es fuer Menschen mit HIV nicht leicht, neue FreundInnen, insbesondere des anderen Geschlechts, zu finden. âEs war fuer mich generell sehr schwierig, in Kontakt mit Maennern zu tretenâ, berichtet Manko. âImmer, wenn sich eine gute Freundschaft entwickelt hatte, wusste ich, dass der schwierige Moment kommen wuerde, an dem ich sagen musste: âIch bin HIV-positivÂâ. Vor zwei Jahren lernte Manko den Mann kennen, mit dem sie heute verheiratet ist. Er ist HIV-negativ und die beiden traeumen davon, in Zukunft eigene Kinder zu bekommen. Manko ist zufrieden mit ihrem Leben und schaetzt sich besonders gluecklich, Zugang zu Medikamenten zu haben, die es Frauen wie ihr ermoeglichen, gesunde Kinder zu gebaeren.

Manko kaempft aktiv gegen ihre Drogensucht und HIV-Infektion â und unterscheidet sich mit dieser positiven Haltung von den Tausenden ihrer LeidensgenossInnen in einem Land, in dem die Infektion mit dem Virus vor allem junge Menschen unter 30 Jahren trifft.

Intravenoeser Drogenkonsum

Der erste HIV-Fall wurde in Estland 1988 registriert und in den darauf folgenden zwoelf Jahren kamen jaehrlich nur circa zehn neue Infektionen hinzu. Vor dem Jahr 2000 waren HIV und AIDS in diesem Land mit einer Bevoelkerung von 1,3 Millionen Menschen nahezu unbekannt.

Im juengsten UNAIDS-Bericht ueber die AIDS-Epidemie vom Dezember 2007 wird der intravenoese Drogenkonsum als Hauptinfektionsursache in den drei baltischen Staaten (Estland, Lettland und Litauen) genannt, wo sich die Epidemie ansonsten aber stabilisiert zu haben scheint. Estland hat jedoch nach wie vor die hoechste Zahl gemeldeter Neuinfektionen (504 pro eine Million EinwohnerInnen), und auch die geschaetzte nationale HIV und AIDS-Praevalenz unter Erwachsenen ist mit 1,3 Prozent die hoechste in ganz Europa.

Obwohl die Hauptursache fuer die Ausbreitung der HIV und AIDS-Epidemie in Estland und vor allem im Nordosten des Landes urspruenglich der intravenoese Drogenkonsum war, ist die Praevalenz mittlerweile auch in der allgemeinen Bevoelkerung gestiegen und das HI-Virus wird zunehmend durch Geschlechtsverkehr uebertragen.

âDie AIDS-Epidemie hat bei uns ein weibliches Gesichtâ, erklaert Irina Moroz, eine in Tallinn praktizierende Aerztin, die auf die wachsende Zahl HIV-positiver junger Frau h inweist.

Aber viele Menschen in Estland glauben auch heuteund AIDS ein Problem Drogenabhaengiger sei. Diese Einstellung scheint sich in Narva, Estlands drittgroesster Stadt in der Naehe der russischen Grenze, am hartnaeckigsten zu halten.

âMir scheint, dass die Stigmatisierung umso schlimmer ist, je staerker sich das Virus ausbreitet. Und das ist besonders in Narva der Fallâ, erklaert der ortsansaessige Arzt Dr. Andrei Antonov. Er weist darauf hin, dass drei Prozent der 70.000 EinwohnerInnen Narvas positiv getestet worden seien, und befuerchtet, dass viele der Infizierten sich nicht weiter behandeln lassen oder Hilfe in Anspruch nehmen. âWir wissen nicht, ob sie aufpassen, dass sie andere nicht infizieren. Warum sollten sie? Sie fuehlen sich abgelehnt, stigmatisiert, einsam, verbittertâ, bemerkt er. Aus Angst vor Ablehnung und Verurteilung wagten sie es nicht, so Antonov, offen ueber ihre Infektion zu sprechen. âViele sehen nicht ein, warum sie den Test machen sollten, viele glauben auch nicht, dass sie HIV-positiv sein koenntenâ, erklaert er und fuegt hinzu, dass die geschaetzten Zahlen die offiziellen um das Dreifache uebersteigen koennten.

HIV und AIDS-Arbeit der Kirchen

Die aktive Auseinandersetzung mit der HIV und AIDS-Problematik in Estland stellt auch fuer die Kirchen eine grosse Herausforderung dar, da sie aufgerufen sind, einen Raum fuer HIV-Infizierte oder Betroffene schaffen, in dem diese sich aufgenommen und angenommen fuehlen.

Die Estnische Evangelisch-Lutherische Kirche (EELK) habe, so EELK-Erzbischof Andres PoÌder, im Jahr 2002, nach der Unterzeichnung der erforderlichen Vereinbarung mit dem Ministerium fuer soziale Angelegenheiten, begonnen, sich in der HIV-Praeventionsarbeit zu engagieren. Aber erst Anfang 2007 habe sie mit Unterstuetzung der Abteilung fuer Mission und Entwicklung (AME) des Lutherischen Weltbundes (LWB) ihr eigenes AIDS-Koordinierungsprojekt gestartet.

Das vom LWB unterstuetzte EELK-Projekt zur Aufklaerung ueber HIV und AIDS verfolgt einen oekumenischen Ansatz und zielt darauf ab, die mit der Krankheit einhergehende Stigmatisierung zu bekaempfen. Die Kirche hat den LWB-Leitfaden fuer die AIDS-Arbeit mit dem Titel âGrace, Care and Justiceâ (Gnade, Zuwendung und Gerechtigkeit) und das Video âWhat Can I do?â (Was kann ich tun?) ueber Canon Gideon Byamugisha â einen leitenden Vertreter der anglikanischen Kirche in Uganda, der sich offen zu seiner HIV-Infektion bekennt und seine MitchristInnen dadurch herausfordert, ihre Verurteilung HIV-positiver Menschen zu hinterfragen â ins Estnische und Russische uebersetzen lassen.

Das Video und der Leitfaden sind auf Informationsseminaren der EELK, die fuer VertreterInnen aller christlichen Konfessionen in Tallin, Narva, Paernu, JoÌhvi und Tartu organisiert wurden, diskutiert worden. Solche Workshops dienen dazu, allgemeine Informationen und Statistiken ueber HIV, ueber die Epidemie auf globaler Ebene und in Estland, Drogenabhaengigkeit und âpraevention, die Unterstuetzung und Begleitung von HIV-positiven Drogenabhaengigen und die Rolle der Kirchen bei der Bekaempfung der Epidemie bereitzustellen. Auf jedem Seminar schildert eine junge HIV-positive Frau ihre persoenlichen Erfahrungen, um deutlich zu machen, wer hauptsaechlich von dem Virus betroffen ist, und auch um zu zeigen, dass es moeglich ist, trotz Virus ein normales Leben zu fuehren und die Drogensucht zu ueberwinden.

Zuruestung kirchlicher Mitarbeitender

Es erfordert jedoch viel Ziel, alle kirchlichen Mitarbeitenden mit an Bord zu holen. Zwar begruessen die meisten PfarrerInnen die AIDS-Arbeit der EELK, aber einige sind doch der Meinung, dass sie solche Seminare nicht braeuchten, da weder sie selbst HIV-positiv seien noch HIV-positive Gemeindeglieder haetten. In Kambja, einem kleinen Dorf in der Naehe der Stadt Tartu im Osten des Landes, fuehrt die EELK ein HIV-Praeventionsprogramm mit dem Titel âSprungbrett ins Lebenâ unter Jugendlichen durch, das zur Diskussion ueber Alkoh olmissbrauch, Drogenkonsum, Sexualitaet und sexuell uebertErzbischof PoÌder raeumt ein, dass noch viel zu tun bleibt, lobt die Kirche jedoch gleichzeitig fuer die Fuehrungsrolle, die sie in dem AIDS-Projekt uebernommen hat. âZuerst ging es darum, jedes Jahr am Welt-AIDS-Tag (der weltweit am 1. Dezember begangen wird) Veranstaltungen zu aktuellen Themen zu organisieren. Mit dem gegenwaertigen Projekt haben wir einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Unsere Gemeindemitglieder sind jetzt nicht nur viel besser auf das Gespraech mit Betroffenen vorbereitet, sondern wir wissen jetzt auch sehr viel mehr ueber Praeventionsarbeitâ, betont er.

âDie Kirche ist fuer diejenigen, die Hilfe brauchen, zur Anlaufstelle gewordenâ, erklaert der EELK-Erzbischof. âDie Saat ist gelegt.â

Das AIDS-Koordinierungsprojekt der EELK verfolgt das Ziel, kirchliche Mitarbeitende zuzuruesten und grundlegende Informationen ueber HIV und AIDS bereitzustellen, sowie theologische, seelsorgerliche und beratende Arbeit zu leisten. Langfristiges Ziel ist es, ein landesweites Netzwerk von ChristInnen einzurichten, die mit der AIDS-Problematik befasst sind, und eine EELK-Arbeitsgruppe von PfarrerInnen, diakonischen und JugendmitarbeiterInnen zur Begleitung des Projekts und strategischen Planung der Unterstuetzung von HIV-infizierten Menschen zu bilden.

Die EELK hat 163.500 Mitglieder und 215 PfarrerInnen. Sie trat dem LWB 1963 bei. (1.268 Woerter)

Ein Beitrag von Eva-Liisa Luhamets, Koordinatorin des EELK-AIDS-Projekts. Luhamets war 2006 Jugendpraktikantin in der LWB-Abteilung fuer Mission und Entwicklung.

(*Fuer Fotos wenden Sie sich bitte an hpu@lutheranworld.org)

Den englischsprachigen LWB-Leitfaden fuer die AIDS-Arbeit mit dem Titel âGrace, Care and Justiceâ (Gnade, Zuwendung und Gerechtigkeit) finden Sie im Format PDF auf der LWB-Webseite unter: www.lutheranworld.org/LWF_Documents/HIV-Handbook-web.pdf

Weitere Informationen zu oekumenischen Initiativen im Rahmen des Welt-AIDS-Tages finden Sie im Internet unter: www.e-alliance.ch/resources/hivaids/WAD2007-flyer.pdf

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund 66,7 Millionen ChristInnen in 78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit âLWIâ gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.

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