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(LWI 12-10-2007) FEATURE: Daheim ist daheim


From "Dirk-Michael GrÃtzsch" <dmg@lutheranworld.org>
Date Fri, 21 Dec 2007 13:59:55 +0100

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LUTHERISCHE WELT-INFORMATION Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch Tel.: +41-22-791-6352 Fax: +41-22-791-6630 E-Mail: dmg@lutheranworld.org

FEATURE: Daheim ist daheim

15 Jahre LWB/AWD auf dem Balkan - ein Balanceakt

Sarajewo (Bosnien und Herzegowina)/Genf, 21. Dezember 2007 (LWI) - Radmila and Petar Radonjic, beide Anfang 50, bewirtschaften einen kleinen Bauernhof im Dorf Tomina im Nordwesten von Bosnien und Herzegowina. Vor sieben Jahren kehrte das Ehepaar in sein Dorf zurueck. Fuenf Jahre hatte es nach seiner Vertreibung in Banja Luka, der zweitgroessten Stadt des Landes, gelebt. Es teilte das Schicksal, das Anfang der 1990er Jahre viele BosnierInnen ereilte: Haeuser und Staelle waren gepluendert, das Vieh war getoetet worden, mit der Schliessung von Industriebetrieben hatten viele ihre Arbeitsplaetze verloren, die Infrastruktur brach zusammen und, was vielleicht am schlimmsten war, ueberall herrschte Angst vor Vergeltung durch ehemalige NachbarInnen, die einer anderen ethnischen Gruppe angehoerten.

âAls Vertriebene in Banja Luka war uns immer klar, wir wollten zurueck nach Hause - eine andere Moeglichkeit wollten wir gar nicht in Betracht ziehen!â erzaehlt Radmila. âKein Tag verging, an dem ich mir nicht wuenschte, zurueckzukehrenâ, erinnert sich Petar.

Im Rahmen seines umfangreichen Programms zur

landwirtschaftlichen Einkommensfoerderung half das Balkan-Programm der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) der Familie, ein neues Leben zu beginnen. So stellte AWD-Balkan der Familie drei Treibhaeuser und einen Lastwagen zur Verfuegung, mit dem sie ihre Erzeugnisse auf den Markt und zu privaten Lebensmittelherstellern transportieren konnten.

âIch hatte keine Ahnung von Landwirtschaftâ, bekennt Radmila, die wie ihr Mann vor Ausbruch des Krieges 1992 in einer oertlichen Textilfabrik beschaeftigt war. Nach ihrer Rueckkehr bauten sie gerade genug fuer den eigenen Bedarf an. âAllmaehlich erkannte ich die Kraft und Schoenheit der Landwirtschaft und zog sogar Gemuese in Blumentoepfen im ganzen Hausâ, erinnert sich Radmila.

Dank regelmaessiger Beratung durch die Agrarfachleute des LWB liefern heute viele Familien wie die Radonjics ihre Erzeugnisse an die Supermaerkte vor Ort oder verkaufen Sie auf dem Wochenmarkt. âJa, wir koennen von dem, was wir auf dem Markt verkaufen, lebenâ, bestaetigt Petar.

Elektrizitaet schafft neue Lebensqualitaet

Heute lebt das Ehepaar in einem warmen, hell erleuchteten Haus - kein Vergleich zur Situation von zweieinhalb Jahren. âWir waren sehr isoliert, konnten keine Nachrichten schauen und erfahren, was draussen vor sich ging. Lebensmittel konnten wir in den langen Sommertagen kaum lagern, denn der Kuehlschrank funktionierte nicht. Und noch schlimmer waren die langen Winternaechte, in denen wir gezwungen waren, frueh schlafen zu gehen, um Kerzen zu sparenâ, scherzt Radmila.

Die Wiederherstellung der Stromversorgung in Tomina ist eines von vielen Infrastrukturprojekten, die vom integrierten RueckkehrerInnenprogramm der AWD-Balkan in Partnerschaft mit der schwedischen Agentur fuer internationale Entwicklungszusammenarbeit (Swedish International Development Cooperation Agency, SIDA) durchgefuehrt wurden.

Radmila spricht ebenso begeistert ueber einen Ausbau ihrer Gemueseproduktion wie Petar ueber die Aufstockung des Viehbestands im Familienbetrieb. Ihr gemeinsames Ziel ist die Unterstuetzung ihrer Kinder, die in Banja Luka studieren. âIn unserem geliebten Bosnien gibt es fuer alle eine Zukunftâ, unabhaengig von der ethnischen Herkunft, betonen Radmila und Petar und nennen Frieden, Gesundheit und gleiche Rechte fuer alle als Grundvoraussetzungen fuer das Zusammenleben. âWir alle sind Menschen - andere Unterschiede zaehlen nichtâ, bekraeftigt Radmila.

Neuanfang nach vielen J ahren auf der Flucht

Fehima und Idriz Selimovic, ein bosnisch-muslimisches Ehepaar Anfang 30, haben nie die Hoffnung aufgegeben, obwohl sie Zeiten grosser Unsicherheit durchlebten. Mit ihren Eltern und Hunderttausenden anderen ZivilistInnen waren sie 1992, waehrend der ersten militaerischen Angriffe auf Bosnien und Herzegowina, aus ihren Heimatorten geflohen. Die verliessen Konjewic Polje und Bratunac und zum Schluss mussten sie ganz aus der Region von Srebrenica weichen.

Ihr erstes Kind kam 1994 mitten im Bosnienkrieg zur Welt. Die Familie fand voruebergehend Zuflucht in einem verlassenen Haus im Dorf Potocari in der Region von Srebrenica. Wenig spaeter musste das Ehepaar erneut fliehen, mit dem kleinen Sohn und Idrizâ Eltern. Diesmal kamen sie nach GradaÄac, einer kleinen Stadt im Nordosten des Landes - einer Region in der es nicht zu schwerwiegenden militaerischen Konfrontationen gekommen war.

âIn dieser schweren Zeit der Entbehrung haben wir nie die Hoffnung verloren, nach Hause zurueckkehren zu koennen. Die Geburt unserer Tochter und unseres Sohnes empfanden wir nicht als zusaetzliche Last, sondern als Ermutigung, weiterzuleben und um einen Neuanfang zu kaempfen.â

Und der âNeuanfangâ wurde moeglich, als die Familie 1999 nach Konjewic Polje zurueckkehrte. Davon, dass Haus und Staelle und Vieh nicht mehr da waren und sie auf die nackte Erde zurueckkehrten, liessen sie sich nicht entmutigen. Bei einem ehemaligen Nachbarn konnten sie bis 2003 wohnen, dem Jahr, in dem sie vom Wiederaufbauprojekt fuer RueckkehrerInnen von LWB/AWD-Balkan hoerten. Die Unterstuetzung des LWB ermoeglichte es der Familie Selimovic, relativ schnell in ein neues Haus einzuziehen. Mit der Milch einer Kuh, die sie erhalten hatten, liess sich etwas Einkommen erwirtschaften. Heute besitzt das Ehepaar zwei Kuehe und zwei Faersen.

Fehima und Idriz sprechen auch ueber ihre Beziehungen zu den serbischen NachbarInnen. âEs gibt keine Kollektivverantwortung fuer das, was im Krieg geschehen ist. Ich kann nicht alle Serben und Serbinnen beschuldigen, mein Haus angezuendet zu haben. Das war die Tat einer bestimmten Person und ich weiss nicht einmal, wer es warâ, erklaert Idriz.

Langfristiges Engagement

In den vergangenen 15 Jahren hat das LWB/AWD-Balkanprogramm mehr als 20.000 Familien wie die Radonjics und Selimovics bei der Rueckkehr in ihre Heimatorte in Bosnien, Kroatien und im Kosovo unterstuetzt. In dem Bewusstsein, dass ein wieder aufgebautes Haus noch kein Ueberleben sichert, leistete der LWB darueber hinaus Hilfe in Form von landwirtschaftlicher Einkommensfoerderung, Wiederherstellung der doerflichen Infrastruktur, Kapazitaetsaufbau, und Initiativen im Bereich Frieden und Versoehnung.

Wichtigste Aufgabe bleibt jedoch die Reintegration der Dorfgemeinschaften, in denen der vier Jahre dauernde Krieg zwischen den groessten ethnischen Gruppen - BosnierInnen, SerbInnen und KroatInnen - tiefe Graeben hinterlassen hat. Der LWB beruecksichtigt bei der Zuwendung von Leistungen sowie bei der Einstellung von einheimischen Verwaltungskraeften alle betreffenden Bevoelkerungsgruppen. In Partnerschaft mit Gebern wie SIDA, FinnChurchAid, der Schwedischen Kirche, dem deutschen Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) und Mitgliedern von ACT International (Action by Churches Together - Kirchen helfen gemeinsam), einem weltweiten Buendnis von in der Nothilfe taetigen Kirchen und kirchlichen Hilfswerken, setzt das LWB-Regionalprogramm einen Schwerpunkt beim Kapazitaetsaufbau vor Ort, um so die Abhaengigkeit der Bevoelkerung von internationaler Unterstuetzung zu minimieren. Drei Agrarprojekte in Bosnien und dem Kosovo befinden sich gegenwaertig in der Umwandlung in selbststaendige lokale Nichtregierungsorganisationen.

Insgesamt plant das LWB/AWD-Balkanprogramm entsprechend den mit den Jahren gewachsenen lokalen Kapazitaeten, die einen allmaehlichen Uebergang von der internationalen Verwaltung der Gemeinwesen zur U ebernahme von Entscheidungsverantwortung vor Ort ermoeglichen, einen schrittweisen Rueckzug aus den direkten Aktivitaeten in Kroatien sowie in Bosnien und Herzegowina. Verstaerkte Aufmerksamkeit soll dafuer dem Kosovo gelten, wo nach wie vor grosser Bedarf an internationaler Hilfe besteht. (1.072 Woerter)

(Ein Beitrag von Leila Dzaferovic, Leiterin des LWB/AWD-Laenderprogramms auf dem Balkan.)

Weitere Informationen ueber die Arbeit von LWB/AWD auf dem Balkan finden Sie im Internet unter: www.lutheranworld.org/What_We_Do/DWS/Country_Programs/DWS-Balkans.html

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund 66,7 Millionen ChristInnen in 78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit âLWIâ gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.

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