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(LWI 02-04-2009)


From "Dirk-Michael Grötzsch" <dmg@lutheranworld.org>
Date Sat, 28 Feb 2009 00:29:46 +0100

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html 

>LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
>Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
>Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
>Tel.:	+41-22-791-6352
>Fax:	+41-22-791-6630         
>E-Mail: dmg@lutheranworld.org 

>FEATURE: “Der erste Kredit meines Lebens”

Verbesserte Existenzgrundlagen fuer Randgruppen in Bangladesch

Saidpur (Bangladesch)/Genf, 27. Februar 2009 (LWI) - “Bitte
nehmen Sie mich als Mitglied auf. Geben Sie mir einen Kredit. Ich
werde ihn auch um jeden Preis zurueckzahlen.” Mit diesen Worten
habe sie vor acht Jahren bei einer Gruppe in ihrem Dorf, die
Mikrokredite vergab, um Aufnahme gebeten, erinnert sich Salma
Begum. Und sie hatte damals Erfolg. Sie bekam den “ersten
Kredit ihres Lebens”. Von den 2.000 Taka (circa 29 US-Dollar)
kaufte sie getrockneten Fisch und andere Waren, die ihr Ehemann
Tafsir Ali dann im Dorf verkaufte. Mit der Zeit konnte er genug
Geld sparen, um in einen kleinen Laden zu investieren, waehrend
Salma sich dank ihrer Sparsamkeit bald auch Vieh kaufen konnte
und ihr eigenes Geschaeft eroeffnete.

Spaeter lieh sich Salma weitere 8.000 Taka (116 USD) und kaufte
eine Rikscha, die sie vermietete und so eine weitere
Einkommensquelle hatte. In der folgenden Zeit nahm sie immer
wieder Kredite auf, die sie nutzte, um ihre Viehzucht zu
vergroessern. Sie besass nun einige Tauben, Enten und Huehner,
sechs Ziegen und zwei Kuehe. Doch egal wie niedrig die Gewinne
der einzelnen Projekte auch sein mochten, Salma hat sich die
Regel gesetzt, dass immer ein Teil des Gewinns gespart werden
muss. 

Selbstbewusst erzaehlt sie von den erstaunlichen Fortschritten,
die sie gemacht hat, seit sie Mitglied einer der vielen Gruppen
fuer Mikrokredite in der Region um Saidpur im Nilphamari-Distrikt
im Nordwesten Bangladeschs ist. “Allein durch den Verkauf
meiner Tauben, verdiene ich 1.500 Taka (22 USD) im Monat, die ich
fuer die Rueckzahlung meiner Kredite nutze. Von den Einnahmen aus
unserem kleinen Laden koennen wir unseren Lebensunterhalt
bestreiten und sogar noch etwas sparen”, erzaehlt sie. Die
Familie konnte sogar 0,36 Hektar Land kaufen, sodass sie sich
selber mit “ausreichend Reis versorgen kann, solange es keine
Katastrophen wie Ueberschwemmungen gibt”, fuegt sie hinzu. 

>LWB-Laenderprogramm in Bangladesch

Salma ist fleissig, ehrgeizig und wird von den Menschen in ihrem
Dorf respektiert. Sie ist Ausschussmitglied eines oertlichen
Verbandes, der vom Rangpur Dinajpur Rural Service (RDRS)
unterstuetzt wird. Der RDRS ist eine der groessten
Nichtregierungsorganisationen Bangladeschs und ist in den
Regionen Rangpur und Dinajpur im Nordwesten des Landes taetig. Er
unterstuetzt 25.746 Gruppen und mehr als 310 Verbaende, die
wiederum ueber 2,7 Millionen Menschen, beziehungsweise 485.127
Haushalte in den aermsten Teilen der Bevoelkerung unterstuetzen.

Der RDRS wurde 1971 nach Ende des Unabhaengigkeitskriegs als
Laenderprogramm der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des
Lutherischen Weltbundes (LWB) gegruendet und spaeter in ein mit
der AWD assoziiertes Programm umgewandelt. Er spielte schon immer
eine fuehrende Rolle im Bereich der laendlichen Entwicklung in
Bangladesch. Waehrend der Programmansatz anfangs auf den
grundlegenden Beduerfnissen der Menschen gruendete, stehen heute
die Ansprueche der Menschen im Blick auf die Wahrnehmung ihrer
Rechte im Mittelpunkt (sogenannter rights-based approach). Dies
soll die arme Landbevoelkerung und ihre Institutionen politisch,
gesellschaftlich und wirtschaftlich staerken und durch
individuelle und kollektive Bemuehungen zu einem nachhaltigen
Umgang mit der Umwelt beitragen.

Salma hat sich entschlossen, bei der Wahl des “Union
Parishad”, der untersten Ebene der Lokalverwaltung,
anzutreten, um dort die arme Bevoelkerung ihres Dorfes zu
vertreten. Im Jahr 2000 haette sie diesen Schritt nicht einmal in
Erwaegung gezogen. Tatsaechlich wurde sie zu diesem Zeitpunkt
nicht einmal von ihren NachbarInnen unterstuetzt, als sie sich um
eine Mitgliedschaft in der Gruppe fuer Mikrokredite bemuehte, da
diese nicht daran glaubten, dass sie in der Lage sein werde, die
Kredite zurueckzuzahlen. Damals lebte sie mit ihrem Mann
regelrecht von der Hand in den Mund. 

Der Manager der oertlichen RDRS-Niederlassung, Abdul Gafur,
beschreibt Salma als risikofreudig und Vorbild fuer andere. Ihr
Ehemann, Rikscha-Laeufer Ali, laechelt, wenn er auf den Erfolg
seiner Frau angesprochen wird. Als Vater ist er froh, dass seine
Kinder in die Schule gehen.

“Ich hoffe, dass mein Sohn einen Master-Abschluss machen kann
und dass meine Toechter eine bessere Ausbildung bekommen, sodass
wir in Zukunft besser leben koennen”, betont Salma. Im Hinblick
auf ihr Engagement in der Lokalpolitik sagt sie: “Ich wachse
und wachse, meine Projekte werden groesser. Ich werde mich von
dem Leben in Armut verabschieden koennen. Und ich werde meiner
Familie sowie meinen Nachbarn und Nachbarinnen helfen.”

>Herstellung von Raeucherstaebchen

Wie Salma und Ali leben mehr als 70 Prozent der 153 Millionen
Menschen zaehlenden Bevoelkerung Bangladeschs in laendlichen
Gebieten, wo sich die Loesungsansaetze fuer die Probleme der
armen Bevoelkerung veraendern. Waehrend frueher ein kleines
Stueckchen Land ausreichte, um einer Familie aus der Armut zu
helfen, gibt es heute verschiedene Moeglichkeiten, dies zu
erreichen, da Technologien angepasst und Maerkte geoeffnet werden
- ein Prinzip, das auch viele der vom RDRS unterstuetzten
Haushalte und Gruppen nutzen.

Roksana Begum ist nicht nur arm, sondern auch obdachlos. Wie
Tausende Angehoerige der Volksgruppe der Bihari lebt sie mit
ihrem Ehemann Mohammad Ibrahim und ihren fuenf Kindern in einem
280 Haushalte umfassenden Lager ausserhalb von Saidpur. Seit
inzwischen ueber 30 Jahre leben die Menschen dieser Volksgruppe
ausgeschlossen von der Gesellschaft und geaechtet, weil sie die
Verlierer des Unabhaengigkeitskriegs unterstuetzt hatten. 

Obwohl sich die rechtliche und politische Situation der Bihari
heute deutlich verbessert hat, kaempft die Familie ums
Ueberleben, da Ibrahim als Gelegenheitsarbeiter am oertlichen
Bahnhof nur 150 bis 300 Taka (rund 2 bis 4 USD) am Tag verdient.
Bis vor kurzem verdiente Roskana durch den Verkauf von 1.000
selbstgemachten Raeucherstaebchen an einen Unternehmer im Ort
etwa sieben Taka (circa zehn USD-Cent) dazu.

Seit Roksana Mitglied des RDRS ist, ist ihr klar geworden, dass
sie mehr Geld verdienen koennte, wenn sie ihr eigenes Geschaeft
eroeffnet. Mit der Unterstuetzung ihrer Freundin Sabana
beantragte sie einen Kredit ueber 5.000 Taka (73 USD), um damit
die benoetigten Materialien zu kaufen und allmaehlich ihren
Verdienst zu steigern. “Frueher stellte ich Raeucherstaebchen
fuer andere her, heute tue ich dies in Eigenregie und habe sogar
drei Angestellte. Ich verdiene genuegend Geld, dass meine Familie
nicht mehr leiden muss”, erzaehlt sie, waehrend sie in ihrem
ueberfuellten Haus arbeitet.  

Auch wenn Roksana schon jetzt genug verdient, dass jeden Tag
ausreichend Essen auf dem Tisch ist und sie das Schulgeld fuer
ihre Kinder bezahlen kann, moechte sie ihr Unternehmen
vergroessern. Sie moechte auch den letzten Schritt in der
Herstellung von Raeucherstaebchen - das Parfuemieren der
Raeucherstaebchen, das bisher von dem Unternehmen gemacht wurde,
von dem sie das Rohmaterial kaufte - erlernen, damit sie die
Staebchen direkt an die HaendlerInnen in der Stadt verkaufen
kann, ohne den Umweg ueber andere ZwischenhaendlerInnen gehen zu
muessen. Bis dahin versucht sie, so viel wie moeglich fuer die
Zukunft zu sparen und ist zuversichtlich, dass sich ihre Ware
auch in Zukunft gut verkaufen wird. “Ich habe zwar eine Ziege
und werde auch bald eine Kuh kaufen, um die Milch zu verkaufen,
aber diese koennten schliesslich sterben und dann waere ich
wieder arm”, sagt sie. Fuer ihre Raeucherstaebchen wuerden sich
jedoch immer KaeuferInnen finden und somit wuerde sie auch immer
ein Einkommen haben.

Der RDRS gehoert als assoziiertes Programm zu den
Laenderprogrammen der LWB-Abteilung fuer Weltdienst (AWD), die
humanitaere Nothilfe und Entwicklungsarbeit fuer Gemeinwesen in
36 afrikanischen, asiatischen, latein- und mittelamerikanischen
sowie europaeischen Laendern leistet. (1.152 Woerter)

>(Dieser Artikel basiert auf einer Reihe von
>RDRS-Featureartikeln.)

Die Arbeit der LWB-Abteilung fuer Weltdienst koennen Sie auch
online mit einer Spende unterstuetzen unter:
http://donations.lutheranworld.org.

*Dieser Artikel gehoert zu einer Feature-Serie, die sich mit dem
Thema der Elften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes -
“Unser taegliches Brot gib uns heute” - beschaeftigt. Die
Vollversammlung findet vom 20. bis 27. Juli 2010 in Stuttgart
(Deutschland) statt.

>*       *       *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft
lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden)
gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund
68,5 Millionen ChristInnen in 79 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat
der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen
in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als
Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB)
herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht
besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB
oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit “LWI”
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden. 


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