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(LWI 04-01-2009) Kirchen kaempfen gegen Diskriminierung durch alte Kastenordnung
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"Dirk-Michael Grötzsch" <dmg@lutheranworld.org>
Date
Thu, 02 Apr 2009 18:12:24 +0200
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Kirchen kaempfen gegen Diskriminierung durch alte Kastenordnung
LWB-Generalsekretaer Noko: Fuer Gott sind alle “beruehrbar”
Bangkok (Thailand)/Genf, 2. April 2009 (LWI) - Die Beitraege der
RednerInnen auf der “Globalen oekumenischen Konferenz zur
Gerechtigkeit fuer Dalits”, die vom 21. bis 24. Maerz in
Bangkok (Thailand) stattfand, geben der seit 3.500 Jahren
praktizierten Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer
Kastenzugehoerigkeit ein Gesicht. Einer dieser Beitraege erzaehlt
zum Beispiel von einem jungen Paar, das angeblich gezwungen
wurde, sich zu vergiften. Die wahren Geschichten handeln von
Praktiken, die im 21. Jahrhundert fuer viele eigentlich undenkbar
sind.
Von dem Hochschulabsolventen S. Murugesan (25) und der
Hochschulabsolventin D. Kannagi (22) aus dem Dorf
Puthukkooraippetti im suedindischen Bundesstaat Tamil Nadu, wird
berichtet, dass sie, kurz nachdem sie am 5. Mai 2003 geheiratet
hatten, im Beisein vieler Menschen gezwungen wurden, eine giftige
Fluessigkeit zu trinken. Die Anwesenden unternahmen nichts,
sondern sahen dem Todeskampf des Paares einfach nur zu. Die
Koerper der beiden wurden spaeter verbrannt, um keine Spuren des
grausigen Vorfalls zu hinterlassen.
Der Grund fuer das Schicksal der beiden jungen Menschen, das an
die Geschichte von Romeo und Julia erinnert, war, dass Murugesan
ein Dalit war und Kannagi der niederen Kaste der Vanniyar
angehoerte.
Nach der hinduistischen Lehre werden Dalits als “schmutzig”
und “verschmutzend” und somit als “unberuehrbar”
angesehen. Sie gehoeren nicht einmal zur untersten Kaste und
duerfen nur untereinander heiraten, haben also auch nicht das
Recht, eine Person der untersten Kasten zu heiraten.
Ein weiteres Beispiel fuer die Diskriminierung aufgrund von
Kastenzugehoerigkeit ist das Schicksal des fuenfjaehrigen
Maedchens D. Dhanam. Sie verlor auf einem Auge ihr Augenlicht als
sie im Dorf Kattinaicken im Distrikt Salem im Bundesstaat Tamil
Nadu von einer Lehrerin geschlagen wurde, weil sie Wasser aus
einem Glas getrunken hatte, das nur fuer die Kinder hoeherer
Kasten bestimmt war.
Dies sind zwei der vielen Beispiele, von denen Bischof Dr.
Vedanayagam Devasahayam von der Madras-Diozoese der Kirche von
Suedindien erzaehlte. Der indische Journalist Soumya Viswanathan
hat solche Beispiele der “systematischen Gewalt” gegenueber
Dalits in einem Buch gesammelt.
Die Geschichten gaben den rund 100 an der Konferenz
teilnehmenden VertreterInnen und LeiterInnen von Kirchen und
Organisationen aus der ganzen Welt “theologische und
missiologische Grundlagen” fuer die Bekundung ihrer
Solidaritaet mit den Dalits.
Die Konferenz war vom Lutherischen Weltbund (LWB) und dem
Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) in Zusammenarbeit mit der
Asiatischen Christlichen Konferenz organisiert worden. Ziel war
es, die Solidaritaet der weltweiten oekumenischen Bewegung mit
den nationalen und internationalen Bewegungen und Initiativen
fuer die Anliegen der Dalits erneut zu bekunden.
>Internationale Solidaritaet
LWB-Generalsekretaer Pfr. Dr. Ishmael Noko aeusserte sein
Mitgefuehl fuer das lange Leiden der Dalits und erinnerte daran,
dass auch die Mehrheit der Menschen in seiner suedafrikanischen
Heimat unter institutionalisierter Diskriminierung gelitten
haetten.
“Ich kann mir ein bisschen vorstellen, wie es sein muss, als
Dalit geboren zu werden und dann Opfer von Diskriminierung zu
sein, die in der Gesellschaft fest verankert ist und auf
Abstammung und der Ausuebung traditioneller Berufe basiert”,
schrieb Noko in einer Erklaerung, die in seinem Namen auf der
Konferenz verlesen wurde. “Als Simbabwer weiss ich auch, was es
bedeutet, wenn die Versprechen und die Hoffnung auf ein besseres
Leben nicht gehalten, beziehungsweise erfuellt werden.”
Noko merkte an, dass die Dalits “trotz der vielen Versprechen
in Form von Garantien in der Verfassung und Bestimmungen in
Gesetzen” weiterhin leiden und kritisierte scharf die
UrheberInnen von Diskriminierung und deren Verbuendete.
“Regierungen, die einen Teil ihrer eigenen Bevoelkerung
ausschliessen - oder es hinnehmen, dass diese so behandelt werden
- sind nicht in der Lage zu regieren”, betonte er. “Und die
Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, die von dem Problem
wissen, aber darueber hinwegsehen, sind an den systematischen
Verletzungen der Menschenrechte, die aus diesem ungerechten
System resultieren, mitschuldig.”
Noko kritisierte, dass die internationale Gemeinschaft den
Appell der Dalits waehrend der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus
im Jahr 2001 in Durban (Suedafrika), endlich ihre Menschenrechte
anzuerkennen, nicht erhoert habe und betonte, dass die Kirchen
weltweit die Augen vor dem Leiden der Dalits nicht verschliessen
duerften.
“Als Kirchen bekennen wir, dass wir alle Teil des einen Leibes
Christi sind und der ganze Koerper teilt den Schmerz eines jeden
Teils”, fuegte er hinzu. “Kann irgendein Teil des Leibes
Christi als ‘unberuehrbar’ gelten? Fuer Gott sind alle
‘beruehrbar’. Niemand kann von der Gnade ausgeschlossen
werden.”
Die indische Kirche habe ein “Gesicht der Dalits”, so Noko.
Er betonte, dass die Mitglieder der lutherischen Kirchen in
Indien ueberwiegend Dalits seien oder aus anderen
Stammesgemeinschaften stammten. Etwa 20 Millionen der insgesamt
25 Millionen ChristInnen in Indien sind Dalits.
“Solange nicht auch die Dalits wuerdig und gerecht behandelt
werden, ist die menschliche Wuerde an sich in Gefahr”, betonte
Noko.
>Aufgaben fuer Kirche und Staat
Die indische Verfassung verbietet die “Diskriminierung
aufgrund von Kastenzugehoerigkeit” und das Prinzip der
“Unberuehrbarkeit”. Zwei besondere Gesetze sehen Strafen
fuer die UrheberInnen von Diskriminierung aufgrund von
Kastenzugehoerigkeit vor und weitere Gesetze verbieten
Leibeigenschaft, die Latrinenreinigung von Hand und die
sogenannte “jogni” (rituelle Prostitution). Mehr als 22
landesweite Entwicklungsprojekte sollen die wirtschaftliche
Situation der Dalits verbessern.
Viele der Versprechen und Garantien aus der Verfassung wuerden
jedoch nicht erfuellt, so Pfr. Vincent Manoharan von der
“National Campaign for Dalit Rights” (Nationale Kampagne
fuer die Rechte der Dalits), einer unabhaengigen Organisation zur
Ueberwachung der Menschenrechtssituation.
Auf die Frage nach den Hoffnungen der Dalits antwortete Bischof
Devasahayam, der selbst zu den Dalits gehoert: “Wir wollen,
dass die indische Regierung zugibt, dass Menschen aufgrund ihrer
Kastenzugehoerigkeit diskriminiert werden und dass das Prinzip
der Unberuehrbarkeit praktiziert wird.”
Er draengte die indische Regierung, zu untersuchen, wie die
Staatsmaschinerie funktioniert, vor allem im Hinblick auf das
“Versaeumnis, den Dalits mit Hilfe der Polizei, der
Exekutive und der Justiz Gerechtigkeit zuteil werden zu
lassen.”
Devasahayam tadelte auch die indische Kirche. “Wir wollen,
dass die indische Kirche anerkennt und sich zu der Schuld
bekennt, das Kastensystem auch innerhalb der Kirche und in den
Programmen zu dulden.”
Auf der Konferenz in Bangkok erfuhren die TeilnehmerInnen, die
nicht aus Indien stammen, dass auch einige indischen Kirchen
Menschen ausschliessen oder separate Eingaenge fuer Dalits haben.
Sie erfuhren des Weiteren, dass Positionen von KirchenleiterInnen
ueberwiegend mit Maennern besetzt seien, die keine Dalits sind.
“Wir wollen, dass sich die indische Kirche als Kirche von und
fuer die Dalits bekennt, um so fuer deren Befreiung zu
arbeiten”, betonte Devasahayam. “Wir wollen ausserdem,
dass die indische Kirche die Kultur der Dalits im Leben der
Kirche, in den Gottesdiensten und in der theologischen Arbeit
foerdert”, fuegte er hinzu.
Im ersten Morgengottesdienst der Tagung setzte sich auch Pfr.
Dr. Park Seong-Won von der Youngnam Theological University and
Seminary (Suedkorea) fuer die Anliegen der Dalits ein. “Die
Anliegen der Dalits sind auch unsere Anliegen. Sind wir, bis zur
vollkommen Befreiung der Dalits, bereit zu sagen ‘Auch ich bin
ein Dalit’?”, fragte er und sprach damit das aus, was viele
KirchenleiterInnen aus der ganzen Welt dachten. (1.116 Woerter)
(Ein Beitrag von Maurice Malanes, Korrespondent von Ecumenical
News International - ENI.)
Weitere Informationen zur “Globalen oekumenischen Konferenz
zur Gerechtigkeit fuer Dalits” finden Sie unter:
http://www.lutheranworld.org/Arbeitsfelder/Biamr/BIAMR-Dalits_Gerechtigkeit.html
Oekumenischer Rat der Kirchen: www.oikoumene.org
>* * *
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft
lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden)
gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund
68,5 Millionen ChristInnen in 79 Laendern weltweit angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat
der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen
in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als
Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB)
herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht
besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB
oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit “LWI”
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.
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